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Ein Sachse

 
     
 
Um keine Zweifel aufkommen zu lassen: Die anstehende rotgrüne Koalition in Bonn und später in der Hauptstadt Berlin wird für viele nichts Gutes verheißen.

Aber es geht kein Weg daran vorbei: Der vor Wahlen hofierte Souverän, das zumindest dabei zu aktiver Demokratie zugelassene Volk, hat sich im Wissen um die Konsequenzen klar für einen Kurswechsel ausgesprochen. Nur wenig hilft da ein Dauer-Lamento und das Aufwerfen neuer Gräben. Die Kluft zwischen Ost und West
ist groß genug, eine Trennlinie zwischen Nord und Süd wäre ein Desaster.

Hilfreich wird dagegen sein, ohne falsche Emotionen sachliche, eindeutige und konstruktive Opposition entgegenzustellen. Die Wähler werden nach angemessener Frist zu sagen wissen, wer es denn besser machen könnte. So will es die Demokratie. Aus dieser Sicht kommt einer jüngsten Aussage des designierten Bundeskanzlers Gerhard Schröder mehr als nur Belanglosigkeit zu. Sinngemäß meinte er, in der politischen Wertskala stehe zuvorderst der Mensch, dann das Land und danach erst die Partei.

Diese Reverenzerweisung an das Volk bedeutet – vorerst verbal – ein überraschendes Bekenntnis zu jenem so dringend benötigten verstärkten Bewußtsein von einem Überbau, der die Menschen unseres Landes ungeachtet aller politischen Unterschiede zusammenhält. An diesen Vorstellungen wird Gerhard Schröder in Zukunft auch zu messen sein.

Eine durchaus passende Gelegenheit zur Umsetzung der Worte in die Tat bietet unter anderem die Wahl zum Bundespräsidenten im kommenden Frühjahr in Berlin. Anstatt Kandidatenschacher im Sinne des Parteienproporzes bedarf es dabei vorrangig der Zuwendung zu einer solchen Persönlichkeit, die zur Erfüllung einer umfassenden Klammerfunktion am befähigtsten ist. Gerade dieses mit besonderer Sorgfalt in der deutschen Verfassung, dem Grundgesetz, konzipierte Amt bedeutet, nicht nur symbolisch, den wirklich freiheitlich-demokratischen Überbau für das Volk schlechthin.

Die großen Parteien haben es dankenswerterweise vermieden, das Präsidialamt im jüngsten Wahlkampf zu instrumentalisieren. Das Ergebnis entbindet den derzeitigen Präsidenten Roman Herzog von der Frage nach einer zweiten Kandidatur. Dennoch hat er die Meßschnur für sein Amt in einer Weise eingerichtet, daß sie den Sozialdemokraten einiges an Überlegungen auferlegt.

Der SPD-Senior und einstige nordrhein-westfälische Ministerpräsident Johannes Rau gilt als aussichtsreichster Kandidat, wenngleich auch seine deutschlandpolitische Vita eher an einer Klammerfunktion zweifeln läßt. Die Begabung zum Prediger allein macht es nicht. Gehandelt wird auch, ganz im Sinne der Frauenquote, die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach, die sich, wie es lapidar heißt, nicht dagegen sperrt. Funkensprühen ist allerdings bei beiden Kandidaten nicht zu verspüren.

Offenbar solchem Mangel zu begegnen und aus guter Überlegung hat die CDU Mecklenburg-Vorpommerns jetzt den mitteldeutschen Sozialdemokraten Richard Schröder für das Amt nachdrücklich ins Gespräch gebracht.

Der an der Berliner Humboldt-Universität lehrende Theologe Schröder war schon 1994 als Kandidat im Gespräch gewesen und verfügt über eine DDR-Vita, die für die Verwirklichung und Vollendung des gesamtdeutschen Gedankens nicht besser sein könnte. Kritische Parteilosigkeit im SED-Regime zeichnen ihn ebenso aus wie Sinn für Gerechtigkeit und profunde Kenntnis von Befindlichkeiten der Menschen Mitteldeutschlands. Vieles der Geschehnisse um die deutsche Vereinigung im Jahr 1990 ist auch dem politischen Späteinsteiger Richard Schröder zu verdanken.

Er plädiert, wie eine Tageszeitung jüngst treffend schrieb, in besonders eindringlicher Form für eine Kultur des solidarischen Miteinanders. Richard Schröder ist jedenfalls im Vergleich zu Johannes Rau und Jutta Limbach ein ebenbürtiger Kandidat. Es böte sich an, daß der zukünftige Kanzler seinem Namensvetter aus Sachsen die Tür zum Präsidentenamt offenhält, ohne daß es dabei eine Rolle spielt, ob ein SPD-Politiker aus Mitteldeutschland Bundestagspräsident wird oder nicht.

 

 

 
     
     
 
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