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Ein ernstes Spiel

 
     
 
Eine Untersuchung des Verbandes Deutsche Schulmusiker (VDS) hat kürzlich ergeben, daß Schüler sich kaum für den Musikunterricht interessieren. Bis zu 90 Prozent aller Schüler in einem Jahrgang würden sich für Kunst- und gegen Musikunterricht entscheiden. Das mag nun nicht an einem allgemeinen Desinteresse der Jugend an Musik liegen, sondern vielmehr wohl an der Darbietung des Lehrstoffs. So sollen jetzt mehr Rock, Jazz und Samba in den Unterricht eingebaut werden.

Interesse an Musik zeigen alljährlich die Besucher des Klingenden Museums in Hamburg, das erst vor wenigen Wochen seinen 15. Geburtstag feiern konnte. 1989 von Gerd Albrecht, damals Hamburgs Generalmusikdirektor, ins Leben gerufen, präsentiert es heute den vorwiegend jungen Besuchern Instrumente aus verschiedenen Epoche
n. Das Besondere: Die Exponate dürfen nicht nur bewundert, sondern auch angefaßt und ausprobiert werden. Knapp 100 Instrumente sind derzeit auf 80 Quadratmetern zusammengepfercht, da es bisher noch nicht gelungen ist, einen geeigneten Raum zu finden. So finden sich die Besucher des Klingenden Museums noch im Souterrain der Hamburger Musikhalle zu einem Rundgang durch die Geschichte der Musik ein, während die Berliner, denen die Idee Albrechts gut gefiel, einen Doppeldeckerbus der Verkehrsbetriebe zur Verfügung haben. Der fährt nun direkt vor die Schulen und lädt dort den musikalischen Nachwuchs zum berühren und ausprobieren ein. "Musik muß man sinnlich erleben", sagte Albrecht, "und weil immer weniger Kinder Zugang zum Musizieren haben, bringen wir eben die Musik zu ihnen." Gute Idee: Auch in Salzburg, Wien und sogar in Japan hat man bereits Interesse gezeigt ...

Auf Kinder und Jugendliche zugehen, ihnen den Einstieg in die Welt der schönen, der bildenden Künste zu erleichtern, das haben sich viele Museen seit einigen Jahren zu eigen gemacht. Sie bieten Malkurse an oder kümmern sich um die ganz Kleinen und führen diese spielerisch in die Welt der Kunst ein, wenn die Eltern einmal in Ruhe eine Ausstellung ansehen möchten. Die Kunsthalle Bielefeld lädt sogar zu einer Mit-Mach-Führung für Eltern und Kinder ab fünf Jahren ein, während der die Architekturprojekte von Ilya und Emilia Kabakovs, die noch bis zum 14. November in Bielefeld zu sehen sind, als Anregung für eigene Raum-Skulpturen dienen sollen (10. Oktober und 7. November, jeweils 15 bis 16.30 Uhr).

Das berühmte Deutsche Klingenmuseum in Solingen hat gar eine Dépendance eigens für Kinder geschaffen. Gleich neben seinem Domizil im Gräf-rather Kloster gibt es jetzt im Erdgeschoß eines historischen bergischen Hauses Ausstellungsräume und einen Werkstattbereich, in dem Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren unter Aufsicht Agieren und Ausprobieren können. Der alte Grundsatz "Messer, Schere, Gabel, Licht, dürfen kleine Kinder nicht", ist hier für einige Zeit einmal außer Kraft gesetzt. Lern- und Spielstationen wechseln einander ab und bieten so Anreize, sich mit dem Thema eingehend zu beschäftigen.

Auch die großen Häuser der deutschen Museumslandschaft haben sich der Kinder und Jugendlichen angenommen. Von Berlin bis Stuttgart, von Hamburg über Köln bis Leipzig wird immer wieder einmal Besonderes für den Nachwuchs veranstaltet. Zwei renommierte Museen in Berlin haben sich etwas einfallen lassen, das auch Erwachsene durchaus interessieren dürfte. In der Reihe "Museum für Kinder" des Berliner Nicolai Verlags stellen die Alte und die Neue Nationalgalerie ihre jeweils wichtigsten Werke vor (96 Seiten, 62 farbige Abb., gebunden, 12,90 Euro). Das besondere an diesem Buch von Kolja Kohlhoff: beiden Häusern ist jeweils eine Hälfte des Bandes gewidmet; beide Teile stehen sich auf den Kopf gestellt gegenüber. In der Mitte des Buches, dort, wo sich Tradition und Moderne treffen, dreht man den Band kurzerhand um und liest weiter. "Die Kunst mag ein Spiel sein", hat der Romantiker Caspar David Friedrich (1774-1848) einmal gesagt, "aber sie ist ein ernstes Spiel." Und Kurt Schwitters (1887-1948), der Dadaist, erkannte: "Ein Spiel mit ernsten Problemen, das ist die Kunst."

Spiel und Ernst liegen auch in diesem Buch nah beieinander. Künstler und Kunstrichtungen werden vorgestellt, Fachbegriffe anschaulich erklärt. Kohlhoff gelingt es aber auch, dem erwachsenen Leser die Welt der Kunst mit den Augen eines Kindes näher zu bringen, sie neugierig zu machen und staunen zu lassen. Und das ist viel.

Peter van Lohuizen

Hautnahe Begegnung mit der Kunst: Viele Museen im ganzen Land bieten heute spezielle Kurse für Kinder an. Foto: Museum Wiesbaden

 
     
     
 
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