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Eine bewegte Zeit

 
     
 
Der russische Dichter Iwan Turgenje nannte ihn "Deutschlands ersten Feuilletonisten". Der Kunsthistoriker Wilhel Lübke sprach von dem "gewandten Zeichner", dem "unermüdliche Berichterstatter der Vossischen Zeitung" und lobte den "scharf beobachtenden un anschaulich darstellenden Schilderer". Und Theodor Fontane schätzte ihn ga "als das größte journalistische Talent", das er kennengelernt habe. Heut spricht kaum einer mehr von Ludwig Pietsch, dem einstigen Starkritiker und umschwärmte Gesellschaftsberichterstatter der aufblühenden kaiserlichen Metropole Berlin. In seine Erinnerungen an den Beginn seiner Karriere in den fünfziger und sechziger Jahren des 19 Jahrhunderts läßt er eine längst untergegangene Epoche
wieder lebendig werden. Wie ic Schriftsteller geworden bin - Der wunderliche Roman meines Lebens, erstmals 1893/9 erschienen und nun vom Berliner Aufbau Verlag (Hrsg. Peter Goldammer. Mit Nachwort Anmerkungen und einem kommentierten Personenregister. 672 Seiten, geb. mit farbige Schutzumschlag, 79,90 DM) neu herausgegeben, wurde schon bei seinem ersten Erscheinen als wundervolles Bild dieser Zeit (Fontane) gewürdigt; heute jedoch kann man in den Memoire durchaus eine kulturgeschichtliche Quelle ersten Ranges sehen.

Ludwig Pietsch, am 25. Dezember 1824 als Sohn eines Beamten in Danzig geboren, wollt ursprünglich Maler werden und ging als 16jähriger nach Berlin, um an der dortige Kunstakademie zu studieren. Durch seine frühe Ehe geriet er bald in finanzielle Nöte un mußte sich und seine kleine Familie als Zeichner und Illustrator über Wasser halten Durch seine Begabung, das Wesentliche auch in knappe Worte zu fassen, gelang ihm de Sprung in den Journalismus. Zunächst bei der Spenerschen, dann bei der Vossischen Zeitun veröffentlichte er Kunstkritiken, aber auch Reiseberichte und Gesellschaftsreportagen. E war dabei, als der Suez-Kanal eröffnet wurde, machte den Deutsch-Französischen Krieg in Hauptquartier des preußischen Kronprinzen mit, besuchte in dessen Gefolge Rußland un Sizilien, war bei den Weltausstellungen in Paris und in Algier. Pietsch starb am 27 November 1911 in Berlin.

Theodor Fontane, der von den Erinnerungen des Danzigers sehr angetan war, schätzte vo allem die "Fülle lebendig geschilderter Menschen von zum Teil komplizierte Charakter". Pietsch erzählt unter anderem von Begegnungen mit Menzel, Storm un Turgenjew. Den in Königsberg aufgewachsenen Bogumil Goltz (1801-1870) schildert er als einen regen kraftvollen Geist, dessen Rede, "in unverfälschtem westpreußische Dialekt, dann fessellos wie ein wilder Bergstrom, bald prächtig rauschend, bald polternd bald kristallklar, bald Geröll, Kies und schwere Blöcke wälzend, dahinflutete un -wirbelte ohne einen Moment des Stockens, der einem anderen die Möglichkeit gewähr hätte, ein Wort der Entgegnung dazwischen zu schieben".

Fanny Lewald(1811-1889), der Schriftstellerin aus Königsberg, bescheinigt Pietsch ei kühles, kritisches Naturell und einen nüchternen gesunden Menschenverstand eher als "eigentlich poetische Phantasie". Beim Zeichnen eines Porträts von Lewald Lebensgefährten Adolf Stahr geriet Pietsch mit der streitbaren Königsbergeri aneinander, die jede Handbewegung Pietschs beobachtete und das Bildnis kritisierte. Da Porträt blieb unvollendet ...

Wie streitbar die erfolgreiche Schriftstellerin war, erkennt man auch bei der Lektür ihres Briefwechsels mit Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar (1818-1901) aus de Jahren von 1848 bis 1889. Mit einer Einführung von Eckart Kleßman ist dies Korrespondenz jetzt im Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar, unter dem Tite "Mein gnädigster Herr! Meine gütige Korrespondentin!" erschienen (XXIV/ 46 Seiten, geb. mit farbigem Schutzumschlag, 58 DM). So streitbar die Lewald auch ist, ni vergißt sie ihre bürgerliche Abstammung und begegnet Carl Alexander voller Achtung Spannend an diesem Briefwechsel ist die authentische Schilderung einer bewegten Zeit. hm

 
     
     
 
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