|  | Wie schnell das geht:     Eben noch galt "Gastarbeiter" als ausländerdiskriminierendes Unwort. Der     "Mitbürger" war längst an seine Stelle getreten, womit alle rechtlichen     Unterschiede zwischen Staatsbürgern und Nichtstaatsbürgern sprachlich eingeebnet werden     sollten.
 Nun aber ist der Gastarbeiter jäh der semantischen Gruft entstiegen. Nicht nur das      er kommt auch mit der gleichen Illusion befrachtet daher wie einst in den 50ern.
 
 30 000 Computerfachleute fehlen, und die sollen jetzt aus dem Ausland herbeigeschafft     werden. Als "Gastarbeiter", nur auf Zeit also und nicht als Dauereinwanderer, so     wird versichert. Und nach vier oder fünf Jahren werden sie dann alle friedlich ihr     Bündelchen schnüren und zurückgehen nach Indien, Lateinamerika oder sonstwohin und dort     bereitwillig für einen (mit ihrem deutschen Gehalt verglichen) Kümmerlohn ihr Dasein     fristen.
 
 So wird es gehen, nicht wahr? Von wegen. Nach fünf Jahren werden die angepeilten 30     000 alles in die Wege leiten, um bleiben zu können  aus ganz legitim
   em     Eigeninteresse. Und sie werden Unterstützung erhalten: Von der Multikulturlobby, von den     Medien und nicht zuletzt  von ihren Arbeitgebern. Wer läßt schon gern einen     gründlich eingearbeiteten Fachmann ziehen, um an seiner Statt einen Neuling ganz von vorn     einweisen zu dürfen? Noch dazu in einer hochspezialisierten Branche wie der     Hochtechnologie? 
 Kurzum, es wird sich (respektive uns) ebenso in die Tasche gelogen wie vor 40 Jahren:     Erst "Gastarbeiter", dann Dauerarbeitsgenehmigung, Familienzusammenführung bis     ins x-te Glied und schlußendlich Doppelpaß.
 
 Der eigentliche Skandal aber liegt natürlich viel tiefer. Wie konnte es kommen, daß     ein Land wie Deutschland nicht mehr genügend Computerfachleute ausbildet? Die ganze     Misere einer verfehlten Bildungspolitik konnte kaum drastischer zutage treten. Von den     offenbar zu wenigen, die sich hierzulande für die Hochtechnologie begeistern, geht     überdies ein erheblicher Teil ins Ausland, besonders in die USA.
 
 Nach der Ursache für den Aderlaß befragt, fällt deutschen Jungunternehmern der     Branche die Geschichte des reichsten Mannes der Erde, des Gründers des Software-Giganten     Microsoft, Bill Gates, ein. Hätte der das Pech gehabt, Deutscher zu sein, wäre seine     sagenhafte Karriere womöglich im Keim erstickt worden  vom Gewerbeaufsichtsamt.
 
 Gates legte den Grundstein für sein Imperium einst in einer kleinen Garage. Den Laden     hätten ihm die deutschen Beamten umgehend dichtgemacht: Erstens baulich für ein Gewerbe     gar nicht zugelassen und überdies in einem Wohngebiet gelegen, Schluß.
 
 Mittelfristig sollen deutsche Hochtechnologieexperten ausgebildet werden, um die Lücke     in fünf Jahren vielleicht wieder mit eigenen Kräften schließen zu können. Wir werden     sehen. Dabei ist allerdings nicht nur die Frage zu stellen, ob die Stellen dann nicht     längst dauerhaft besetzt sind von jenen "Gastarbeitern", sondern auch, ob unser     seit Jahrzehnten in die falsche Richtung reformiertes Bildungssystem die entsprechenden     Voraussetzungen vorweist für jenen großen Sprung. Gerade nach dem niederschmetternden     Schicksal des Transrapid möchte man bezweifeln, daß die Herrschaft der Technologiefeinde     und Reichsbedenkenträger in so kurzer Zeit gebrochen werden kann.
 
 An der Jugend wird es nicht liegen. Sie erbringt angesichts eines zerschundenen     Schulsystems und überregulierten Gesetzesdschungels beachtliche Leistungen. An der     Politik, an Parteien, Verbänden und Verwaltungsapparat könnte indes sogar das     sprichwörtliche Volk der Tüftler und Erfinder noch scheitern. Elisa Wachtner
 
 
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