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Er baute als erster die selbsttragende Karosserie

 
     
 
Vincenzo Lancia kam am 24. August 1881 in dem kleinen Bergdorf Fobello im piemontesischen Sesia-Tal zur Welt. Sein Vater besaß eine Suppenkonservenfabrik in der Landeshauptstadt Turin, und so sollte der Sohn standesgemäß studieren, und zwar Jura. Die schulischen Leistungen reichten jedoch für ein Universitätsstudium nicht aus, und so sollte es nun eine Buchhalterlehre sein. Schon früh entdeckte der Junge jedoch sein Herz für die Technik. Im Hofe des Turiner Wintersitzes der Familie, dem Corso Vittorio Emanuele Nr. 9, betrieb Giovanni Ceirano eine Werkstatt und einen kleinen Importbetrieb für Fahrräder
aus Großbritannien. Lancia war sein Leben lang begeisterter Radfahrer, reparierte die Fahrräder seiner Freunde und überredete seinen Vater, wenn schon eine Buchhalterlehre, dann diese dort machen zu dürfen. Lancias Arbeitgeber erlebte einen bemerkenswerten Aufschwung. Aus dem Fahrradimporteur wurde ein Fahrradproduzent. Da Räder aus Großbritannien einen guten Ruf genossen, fiel die Entscheidung auf einen englisch klingenden Markennamen: „Welleyes“. Doch begnügte man sich längerfristig nicht mit dem Bau von Fahrrädern. 1899 wurde ein kleines Auto vorgestellt, der Welleyes 3.5HP. Die Qualitäten dieses Fahrzeuges wurden beim Rennen Turin- Pinerolo-Avigliano-Turin offenkundig, als der immerhin zweite Platz errungen wurde. Für eine industrielle Automobilproduktion fehlte allerdings das nötige Kapital. Hier nun fand sich ein Konsortium Turiner Geschäftsleute, das nach einer guten Anlagemöglichkeit für Kapital Ausschau hielt. Diese „Societa Italiana per la Construzione e il Commerzio delle Automobili Torino“, zu der schließlich auch Giovanni Agnelli stieß, gefiel der Wagen, und so gründete sie mit Ceirano die „Fabbrica Italiana Automobili Torino“, wobei Ceirano mit 6 000 Lire zum Starkapital von 800000 beitrug. 

So wurde aus dem Welleyes der erste „Fiat“ und aus Lancia ein „Fiat“-Mitarbeiter. Bei seinem neuen Arbeitgeber stieg Lancia zum Chefinspekteur, Testfahrer und schließlich auch Werksfahrer bei Autorennen auf. Noch als Angestellter von „Fiat“ gründete er am 29. November 1906, also diesen Herbst vor 100 Jahren, zusammen mit seinem Freund und Kollegen bei „Fiat“ Claudio Fogolin, der wie er 50000 Lire einbrachte, die Firma „Lancia & C. Fabbrica Automobili“. Und noch ein wichtiges Ereignis für die Firma Lancia fällt in dieses Jahr. „Lancia“ lernte seinen späteren Karosseriebauer Pininfarina kennen. Produkte des Sitzherstellers „Stabilimenri Farina“ wurden auch in Lancias Rennwagen eingebaut, und bei einem Besuch der Firma lernte Lancia den 13jährigen Bruder von Giovanni Farina, Battista, kennen und schätzen. Er machte den Jungen später zu seinem Karosseriebauer. Und der Junge ließ später den Spitznamen, den er von Lancia erhalten hatte, „Pinin“, zum Bestandteil seines Nachnamens machen. Die beiden entwickelten sich zu Freunden fürs Leben. 

Lancia war Italiens seinerzeit schnellster Rennfahrer, und so durfte er trotz der Gründung eines eigenen Automobilunternehmens weiterhin für „Fiat“ fahren. Zum einen war es für ihn als Patrioten ein Herzensanliegen, sein Land bei Rennen zu vertreten, zum anderen konnte er das Geld von „Fiat“ gut gebrauchen, denn kaum, daß die eigene Fabrik in der Via Petrarca aufgebaut war, brannte sie bis auf die Grundmauern nieder. Im Jahre 1910 fuhr Lancia sein letztes Rennen, aber bis dahin hatte er als „Fiat“-Fahrer genug verdient, um den Rückschlag überwinden zu können. Lancia hatte als Rennfahrer mit Spitzenprodukten der Automobilproduktion zu tun, an deren Verbesserung er als Technikbesessener regen Anteil nahm. Insofern verwundert es nicht, daß „Lancia“ bald als „Marke der Ingenieure“ galt. Die schnellen und nicht zuletzt wegen Pininfarina eleganten Sportwagen machten durch viele Innovationen von sich reden. Zur Legende wurde der 1922 vorgestellte „Lambda“, zu dessen diversen technischen Leckerbissen nicht zuletzt die erste selbsttragende Karosserie gehörte. Bei alldem war Lancia, der nichts mehr haßte als „unchristliche Arroganz“, ein sehr sozial eingestellter Arbeitgeber. So gründete er als erster Industrieller einen Erholungsort extra für seine Betriebsangehörigen. Des weiteren ließ der gläubige Katholik für seine Mitarbeiter Wohnhäuser und Kultureinrichtungen bauen. Für Frischvermählte gab es eine Heiratsprämie und für Familienväter Kindergeld. Diese Kombination aus nationaler und sozialer Gesinnung brachte den Italiener in Kontakt mit dem Faschismus. Zu dem großen Freundeskreis des als sehr umgänglich geschilderten Mannes, der sich ebenso unter Arbeitern wie in der High Society zu bewegen wußte, gehörte auch Benito Mussolini. Dessen Ende wie auch das Ende des italienischen Faschismus erlebte Vincenzo Lancia nicht mehr. Er starb am 15. Februar 1937 nicht einmal 56 Jahre alt an einem Herzinfarkt. 1969/1970 verlor sein Unternehmen die Eigenständigkeit an seinen einstigen Arbeitgeber „Fiat“. Die Marke gibt es jedoch bis zum heutigen Tag - und ein Ende ist nicht in Sicht. M. R.
 
     
     
 
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