|  | Sie sollen keinen Pfennig erhalten, die Opfer der Vertreibun     aus der Tschechei. Nicht einmal eine symbolische Entschädigung von 4000 Mark für kau     2000 Härtefälle will der Verwaltungsrat des "Deutsch-Tschechische     Zukunftsfonds" zulassen. Ein entsprechender Vorstoß der Sudetendeutsche     Freundeskreis (SL) wurde von acht der zehn Verwaltungsratsmitglieder barsc     abgeschmettert.
 Die SL wollte mit dem symbolischen Akt Menschen entschädigt sehen, die besonders har     unter tschechisch
   er Gewalt gelitten haben. Etwa die Arbeitssklaven, deren Gesundheit in     Uranabbau systematisch zerstört worden ist. Nicht von tschechischer Seite sollte die     Geste erfolgen, sondern von dem Fonds, der als Folge der "deutsch-tschechische     Erklärung" vom Januar 1997 noch im Dezember desselben Jahres eingerichtet worde     war. Der deutsche Anteil beträgt 140 Millionen Mark, der tschechische 15 Millionen. 
 Einige sudetendeutsche Opfer von NS-Verfolgung sollen zwar auch aus diesem Top     versorgt werden, doch auf keinen Fall Opfer tschechischer Gewalt. Dies widerspreche massi     "deutschen Interessen", so Außenminister Fischer (Grüne).
 
 BdV-Präsidentin Erika Steinbach stellte sich ebenso wie die CSU hinter das Anliege     der Sudetendeutschen. Der "Welt am Sonntag" sagte sie: "Opfer ist Opfe      ob das ein Tscheche war, dem Unrecht widerfahren ist, oder ein Deutscher. Es mu     gleichwertig mit Opfern umgegangen werden."
 
 So sieht es offenbar auch der an der Prager Karls-Universität lehrende Politolog     Bohumil Dolezal. Er hatte sich ebenfalls für eine symbolische Entschädigungsgest     gegenüber den Vertriebenen ausgesprochen und dafür laute Kritik aus Tschechiens Politi     und Medien geerntet.
 
 Angesichts dieser beschämenden Vorgänge läßt sich erschließen, was Gerhar     Schröder und Vaclav Havel gemeint haben können: Beim jüngsten Staatsbesuch de     tschechischen Präsidenten gaben sie die neue Losung aus, die Benesch-Dekrete (welche die     in Rede stehenden Verbrechen rechtfertigten) seien "erloschen", obschon sie nac     wie vor gültiges tschechisches Recht sind. Offenbar schwebte den beiden vor, daß nich     die Dekrete, wohl aber jede Erinnerung, jede Rücksichtnahme und jeder gerechte Umgang mi     ihren Opfern zu verlöschen habe. Dann  so die kaltschnäuzige Logik      erübrigt sich natürlich alles weitere Erörtern der berüchtigten Dekrete.
 
 In dem berühmten Kino-Film "Quo Vadis" läßt der Drehbuchautor eine     Berater den debilen römischen Kaiser Nero fragen, ob er sich nicht um seinen Nachruh     sorge, wenn er die Christen umbringen läßt. "Wenn ich mit diesen Christen ers     fertig bin, wird niemand mehr wissen, daß sie je existiert haben!" raunzt de     verrückte Imperator zurück. Was Hollywood hier an Zynismus in die Antike pflanzte, ha     offenkundig Zukunftswert. Mache die Opfer vergessen, und die Taten, hier die     Benesch-Dekrete, "erlöschen" wie von selbst.
 
 In Thüringen ist man mit den Löscharbeiten bereits soweit, daß selbst ein     realitätsnahe Darstellung der Vertreibungsverbrechen zu drastischen Sanktionen führt. A     den sitzungsfreien Tagen stellt der Erfurter Landtag seine Kantine für sogenannt     "Parlamentarische Abende" zur Verfügung. Hier haben Vereine, Verbände     Frauengruppen, Kirchen und andere die Möglichkeit, mit den Abgeordneten persönlich in     Gespräch zu kommen. Am 17. Mai wollte diese Möglichkeit auch der Bund der Vertriebene     nutzen. Doch daraus wurde nichts. Kurz vor der Veranstaltung warf ihn der Ältestenra     hinaus.
 
 Die Begründung lieferte die "Silbertaler Erklärung" der fün     mitteldeutschen BdV-Landesverbände vom 19. Februar und ein vom thüringische     BdV-Landesvorsitzenden Paul Latussek im Oktober 1999 veröffentlichtes Memorandum unte     dem Titel "Was jeder Deutsche wissen sollte". Latusseks Denkschrift war de     Parlamentariern bereits im November zugegangen, ohne Reaktionen auszulösen. Der BdV-Che     listet hier nüchtern die begangenen Vertreibungsverbrechen auf. In der Silbertale     Erklärung werden Maßnahmen in Sachen Bewältigung des Vertriebenenschicksals gefordert     wie sie angesichts anderer Opfergruppen des 20. Jahrhunderts als moralisches Mindestma     angesehen werden.
 
 Scheinbar sind Exemplare beider Schriften ohne Zutun des BdV kurz vor de     "Parlamentarischen Abend" im Landtag aufgetaucht. Noch am selben Tag trat de     Ältestenrat auf Antrag von PDS und SPD zu einer Sondersitzung zusammen. Ergebnis: Die     fünf CDU- und je zwei PDS- und SPD-Parlamentarier forderten den BdV-Landesvorsitzende     ultimativ auf, sich binnen 57 Minuten von beiden Papieren zu distanzieren und sich fü     ihren Inhalt öffentlich zu entschuldigen. Paul Latussek wie es diese     "Erpressungsversuch" empört zurück.
 
 Man möchte innehalten: Mit der Mehrheit der regierenden CDU ist es also de     federführenden PDS gelungen, das Auftauchen von Darstellungen der Vertreibungsverbreche     an Deutschen zum Anlaß zu nehmen, die Überlebenden dieses Jahrhundertverbrechens aus de     Räumen des Landtags zu werfen. Und Berlin sieht in Entschädigungsgesten fü     Vertreibungsopfer einen Verstoß gegen "deutsche Interessen". Einen Arzt, bitte.
 
 
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