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Euro: Von der Währungs- zur Transfer-Union

 
     
 
Durch die Beschlüsse des Europäischen Gipfels vom ersten Mai-Wochenende sind die letzten Barrieren zur Einführung der gemeinsamen Europäischen Währung gefallen. Nun kommt der Euro definitiv; allenfalls ist er nur noch durch ein Ereignis wie am "Schwarzen Freitag", dem 24. Oktober 1929, zu verhindern. Niemand kann das wünschen.

Das unwürdige Postengeschachere um den ersten Präsidenten der Europäischen Zentralbank hat erneut klargemacht, was für Kenner der europäischen Szene immer klar war:

1. "Nichts außer den nackten national
en Interessen ist in der EU von Bedeutung", so formulierte eindrucksvoll am vergangenen Montag die Londoner Zeitung "Times".

2. Die Maastricht-Kriterien zur Stabilität der gemeinsamen europäischen Währung sind fast zur Beliebigkeit verkommen, denn wie sonst erklärt sich das "Euro-Wunder", daß nämlich Ende 1996 nur ein europäischer Staat – Luxemburg – die Maastricht-Kriterien erfüllt. Ein gutes Jahr später erfüllen aber 13 Staaten diese Kriterien und sind somit beitrittsfähig.

3. Der erste Präsident der Europäischen Zentralbank, der Niederländer Wim Duisenberg, wird nicht die im Vertrag der EWU vorgesehene Amtszeit von acht Jahren erfüllen. Im Laufe des Jahres 2002 wird ein Franzose als Nachfolger an die Spitze der EZB rücken. Diese Regelung ist ein Bruch des Maastricht-Vertrages, wie der SPD-Kanzler-Kandidat Schröder zutreffend konstatiert hat. Es ist die relativ lange Amtszeit von acht Jahren, die den EZB-Präsidenten in seiner Unabhängigkeit stärkt und gegen Druck aus den einzelnen Mitgliedsstaaten der Währungsunion gefeit sein läßt.

Professor Hax – der Vorsitzende des Wirtschaftssachverständigenrates – stellt nüchtern fest, daß mit der Halbierung der Amtszeit Duisenbergs die Unabhängigkeit der EZB untergraben wurde.

Man hat in den vergangenen sechs Jahren immer wieder die Risiken der überhasteten Einführung einer Währungsunion aufgezeigt. Mittlerweile dämmert es auch euphorischen Euro-Befürwortern, daß mit Einführung der gemeinsamen Währung keine paradiesischen Zustände im Euro-Land ausbrechen werden. Kennzeichnend dafür ist die Feststellung des Bundeskanzlers , daß nach Einführung des Euro nicht gleich mehr Beschäftigung und Arbeitsplätze vorhanden sein werden.

Ganz sicherlich sind positive Beschäftigungsaspekte durch den Euro nicht dort zu erwarten, wo die Arbeitskosten relativ hoch sind. Wenn sich dann später die hohe Erwartung an die gemeinsame Währung als Illusion erweist, wird man ein anonymes Euro-Management verantwortlich machen. Bundeskanzler Kohl hat dann längst einem Nachfolger Platz gemacht.

Mehr denn je muß nach dem letzten Wochenende klar sein, daß der Euro nicht die Stabilität der D-Mark haben wird. Nach einer Schonfrist, die vor allem der Beruhigung der Finanzmärkte dienen soll, wird die Stabilität des Euro mehr und mehr arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Zielen untergeordnet werden.

Die EU wird allen Beteuerungen zum Trotz sich immer mehr zu einer Transfer-Union entwickeln und in den wohlhabenderen Staaten zu einem steigenden Steuerdruck führen. Die EU ist ja bereits heute über die diversen Kohäsions- und Regionalfonds eine Transfer-Union, die zu gewaltiger Geldverschwendung Anlaß gibt. Diese Entwicklung ist unausweichlich, weil nur so die sozialen Spannungen unter Kontrolle gehalten werden können, die in einer Reihe von Ländern durch Wettbewerbsdruck, Rationalisierung und äußere Schocks mit der Folge von Arbeitslosigkeit und Sozialabbau ausgelöst werden.

Das Statut der EZB zwingt die Teilnehmerländer in ein grundsätzlich nicht mehr (weil nur einstimmig) änderbares Geldordnungskorsett. Darin liegt ein Grundwiderspruch zum Wesen von Politik überhaupt. Politik bedeutet Flexibilität und situationsgerechtes Setzen von Prioritäten entsprechend den nationalen Bedürfnissen und Gegebenheiten. Wegen dieses Grundwiderspruchs muß die EWU scheitern zumindest im Sinne eines dem Wohlstand und der Völkerverständigung dienenden Projekts.

Hinsichtlich der deutschen Perspektive bezüglich der Währungsunion ist nüchtern und realistisch zu prognostizieren: Die Deutschen werden zahlen. Das erwarten die Partnerländer der Währungsunion. Es ist keine Bundesregierung in Sicht, die sich diesem Erwartungsdruck erfolgreich widersetzen wird.

Abschließend eine Stimme, die die Empfindungen einer großen Anzahl politisch interessierter Menschen in der Bundesrepublik widerspiegelt: "Mit einer fortwährend verlängerten Kette von Halbwahrheiten und Unwahrheiten, Tricksereien und phrasenhaften Verheißungen haben der ökonomische Dilettantismus und die Unglaubwürdigkeit der deutschen Europapolitik einen traurigen Tiefpunkt erreicht" (Prof. Karl-Heinz Kleps, langjähriger Ordinarius für Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft an den Universitäten Linz und Lüneburg).

 
 
     
     
 
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