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Faule und Dumme

 
     
 
Oft als elektronische Großmutter belächelt und als seichte Unterhaltung für Faule, Dumme, Blinde und Kinder abgetan, hat sich die moderne Literatur-CD oder -Kassette in jüngster Zeit zu einem beliebten Medium gemausert. Umsätze in beachtlicher Höhe (1996 waren es 209 Millionen Mark) lassen für die Zukunft hoffen. Ein großer Teil (1996 mehr als 70 Prozent) entfällt dabei allerdings noch auf Kassetten für Kinder. Doch "Benjamin Blümchen" erhält immer mehr Konkurrenz
. Wortkassetten und CDs mit ernsthafter Literatur, besprochen von beliebten Schauspielern, finden bei alt und jung gleichermaßen Interesse.

So neu ist die Idee, Literatur auf Tonträgern zu präsentieren, nicht. Bereits 1954 brachte die Deutsche Grammophon "Faust I" mit Gustaf Gründgens auf einer Langspielplatte heraus. Die Spieldauer (58 Minuten) war allerdings begrenzt und somit auf die Möglichkeit, Literatur in voller Länge anzubieten. Erst mit der Entwicklung von Kassetten und CDs begannen auch ernsthafte Verlage, dieses Medium zu nutzen. Während die einen sich weiterhin nur für hohe Literatur einsetzen (Deutsche Grammophon: "Wir bleiben dabei, Weltliteratur in ungekürzten Lesungen von erstklassigen Sprechern vortragen zu lassen, die vorführen, wie ein Sprachkunstwerk zum Sprechkunstwerk werden kann"), haben andere Verlage ihr Programm wesentlich erweitert.

Der 1995 gegründete Hörverlag (ein Zusammenschluß von Suhrkamp, Hanser, Kiepenheuer & Witsch, Klett-Cotta, Schott Musik International, Österreichischer Bundesverlag, Stefani Hunzinger und Verlag der Autoren) mit Sitz in München bietet seinen Kunden ein weitgefächertes Programm: Klassiker und moderne Literatur neben Kriminalhörspielen, Science-fiction und Kinderhörbüchern. Aktuelle Neuerscheinungen stehen neben Bestsellern wie Umberto Eccos "Der Name der Rose" oder Minette Walters "Die Bildhauerin"; Gedichte von Ingeborg Bachmann neben Rosamunde Pilchers "September". Märchen sind nach wie vor beliebt. So gibt es im Hörverlag Text und Kommentar zu Leben und Werk der Gebrüder Grimm (gesprochen von Ingeborg Schöner und Horst Sachtleben. 2 MC, Laufzeit ca. 190 Minuten, 32 DM), aber auch Drei Wünsche und andere Märchen, zusammengestellt und gelesen von Bernd Herzsprung, bekannt aus zahlreichen Fernsehproduktionen (1 MC, Laufzeit ca. 73 Minuten, 25,90 DM). Zur Literatur fürs Ohr der besonderen Art mag man das Hörbuch Der Hausbesuch des Königsbergers Rudolf Borchardt (1877–1945) in der Inszenierung der Schaubühne am Lehniner Platz Berlin (mit Edith Clever und Jutta Lampe. 1 MC, Laufzeit ca. 104 Minuten, 24,90 DM) zählen. Die Geschichte einer jungen Frau, die ihren ungeliebten Mann betrügt, erschien 1929 und gehört zu den wohl gelungensten Prosadichtungen des Königsbergers. – Gewiß, Hörbücher werden keine gigantischen Auflagen erleben; dennoch sind sie eine Chance für die Literatur, sprechen sie doch vor allem diejenigen an, die eher zur Elektronik greifen als zu einem Buch mit vielen Seiten.

 

 
     
     
 
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