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Flug mit der Lufthansa

 
     
 
In Berlin gelandet, frage ich die Stewardeß ob ich dem Piloten einen freundlichen Hinweis geben könnte. Sie erlaubt es, und so strecke ich meinen Kopf in das Cockpit. Mein Gefühl hatte nicht getrogen: Der nette junge deutsche Pilot hatte tatsächlich noch nie etwas von Eger gehört. Ich frage ihn, ob er nicht künftig vielleicht bei dem Hinweis auf Cheb hinzufügen könne, daß dies die alte deutsche Reichsstadt Eger sei? Verlegen antwortet er: "Oje, dann bekäme ich sicher jede Menge Post." Kritische, meinte er wohl, Beschwerde
briefe. Ein deutscher Flugkapitän fürchtet also, daß die schiere Nennung des deutschen Stadtnamens Eger, der ihm bis dato auch gar nicht bekannt war, "politisch nicht korrekt" sein und er deshalb Schwierigkeiten bekommen könnte.

Beim Abendessen in Berlin erzähle ich zwei Gremienmitgliedern eines großen deutschen öffentlich-rechtlichen Senders von dem kleinen Erlebnis. Der eine, ein Gerichtspräsident, gesteht mir, daß er auch nicht gewußt hätte, daß Cheb die Stadt Eger sei, von der er im übrigen auch nichts wisse. Der andere, ein Hochschullehrer übertrifft ihn noch: Er sei kürzlich sogar dienstlich in "Cheb" gewesen, aber daß das Eger gewesen sei, habe er nicht gewußt.

Zunächst leicht aus der Fassung gebracht, murmele ich höflich etwas von Wallenstein, den man 1634 in Eger ermordet habe, davon, daß Eger eine alte deutsche Reichsstadt gewesen sei (seit 1277) und man 1945 die Deutschen aus der Stadt und dem sogenannten Egerland vertrieben habe. Dabei bin ich etwas darum bemüht, nicht als ein deutscher Nationalist zu erscheinen, ein Verdacht, der gegenüber einem Vertreter des Bundes der Vertriebenen ja sozusagen automatisch in der Luft zu liegen scheint.

Was lehrt die kleine Episode? Erstens, daß sich die Vertriebenen nicht wundern dürfen, wenn sie politisch wenig oder keine Unterstützung erfahren. Man weiß vielfach buchstäblich nicht, woher sie kommen. Und für ein Kulturerbe, von dem man nichts weiß, kann auch kein Verständnis erwartet werden.

Daraus folgt, zweitens, daß die Vertriebenen ihre Kulturarbeit noch viel mehr verstärken müßten – und dafür natürlich viel mehr – und nicht weniger, wie derzeit angekündigt – Unterstützung seitens des Bundes, der Länder, der Kultusministerien, der Schulen bedürfen.

Es müßte tatsächlich eine öffentliche Debatte darüber geführt werden: Was bedeutet nach der Vereinigung der Staatsgebiete von Bundesrepublik (West) und DDR das jahrhundertealte deutsche kulturelle Erbe im Osten (jenseits der neu vereinigten Bundesrepublik) noch für die deutsche Kulturnation? Eine solche Debatte anzuregen und positiv mitzugestalten stünde gerade einem (Bundes-)Staatsminister für kulturelle Angelegenheiten gut zu Gesicht.

Das deutsche Kulturerbe im Osten, auch außerhalb der alten Reichsgrenzen in Ländern wie Tschechien, Rumänien oder Ungarn ist viel zu wichtig, als daß man dessen "Pflege" nur den Vertriebenenverbänden und ihren letztlich geringen Kräften überlassen dürfte. Es geht alle Deutschen an und betrifft unser kulturelles Selbstverständnis als Nation. Vielleicht darf man es sogar eine Frage der nationalen kulturellen Würde nennen, wie man mit dem jahrhundertealten Erbe deutsch geprägter Landschaften und den Kulturgütern des eigenen Volkes umgeht.

Jene Tschechen und Polen, die sich heute darum bemühen, finden fast keine kompetenten Ansprechpartner mehr auf deutscher Seite. Doch wird hierüber in Deutschland noch jemals eine öffentlichkeitswirksame Debatte geführt werden? Vielleicht kommt sie in vielen Jahren. Aber dann würde die "Erlebnisgeneration" mit ihren unersetzlichen Kenntnissen verschwunden sein.

 

 
     
     
 
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