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Gedanken für Intellektuelle

 
     
 
Ab heute schnurrt der Tod!" raunte die "Bild"-Zeitung, nachdem die erste Katze an der Vogelgrippe verendet war. Auf Seite 1 starrte uns eine Mietze mit schreckgeweiteten Augen an. Die sah aus, als hätte sie den alarmierenden Beitrag gerade selber gelesen - versteinert vor Entsetzen.

In deutschen Familien breitet sich ein ungutes Gefühl aus: Schmuggelt uns der seit Jahrtausende
n geliebte kleine Hausfreund hinterrücks den Sensenmann über die Schwelle? Das ist der Stoff, aus dem Boulevardtitel sprießen, die ihre Wirkung nicht verfehlen. In Österreich ist die Beklemmung bereits in offene Panik umgeschlagen. Aus dem Grazer Tierheim "Arche Noah" haben die Pfleger 170 Katzen in die Quarantänestation des kleinen Grenzorts Nickelsdorf verbracht, um sie dort auf den gefürchteten Erreger zu überprüfen. In der 1600-Einwohner-Gemeinde ist seit Bekanntwerden des Transfers der Teufel los, als habe man ein Rudel Löwen auf der Dorfstraße freigelassen. Für Bürgermeister Gerhard Zapfl kommt die Verlegung der Tierchen einer "Vergewaltigung der Bevölkerung" gleich. Man sieht es vor sich, wie die angstbleichen Nickelsdorfer von liebestollen H5N1-Katern durch die Gassen gescheucht werden.

Wie gefährlich die Mäusefänger auch für uns Menschen sein können, hat schon der Blödelkomödiant Helge Schneider erfahren müssen. Seit er mit dem sagenhaft platten Lied vom "Katzenklo" einen Erfolgshit gelandet hat, stimmt mit dem Mann etwas nicht mehr. Ob er sich beim Kontakt mit den besungenen Klobenutzern was weggeholt hat? Daß Schneider trotz "Katzenklo" noch frei herumläuft, ist jedenfalls eher seiner verständnisvollen Umwelt geschuldet als dem Befund, daß er sich mental wieder gefangen hätte.

Solche Toleranz ist eine Zierde der aufgeklärten Gesellschaft, sicher. Sie kann aber auch böse nach hinten losgehen. Berlin-Touristen stolperten vergangenen Montag im Lustgarten unversehens in eine ziemlich bizarre Szene: Hunderte junge Leute standen da herum und brüllten voller Begeisterung "Heil Hitler!", "Sieg Heil!" und ähnliche Sentenzen, die in unserem Lande seit geraumer Zeit außer Gebrauch sind und von aufrechten Demokraten spontan mit simulierten Herzrhythmusstörungen quittiert werden. Vorn auf einem Podest über den jubelnden Kostümnazis thront Helge Schneider, der als Adolf Hitler verkleidet die Huldigungen der berauschten Masse entgegen nimmt. Jetzt wissen wir, wohin der allzu intime Kontakt zu Katzen und ihren Entleerungsstätten führen kann: Direkt in den Führerwahn.

Aber mal halblang: Helge Schneider plant weder das Vierte Reich noch die Machtergreifung. So schlimm ist es nicht. Es ist schlimmer: Schneider dreht einen Film. Vielmehr, der Schweizer Regisseur Dani Levy macht das und Schneider spielt darin die Hauptrolle. "Mein Führer - die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler" wird der angestrengte Streifen heißen, wenn er im Herbst über unsere Kinos kommt. Bislang war die Produktion streng unter der Decke gehalten worden, keiner sollte etwas merken, Geheime Reichssache sozusagen.

Seit diesem Montag ist die ganze deutsche Öffentlichkeit dabei. Das heißt: seitdem weiß sie davon. Denn "dabei" war sie schon vorher - mit ihrem Geld. Eine halbe Million Euro hat die steuerfinanzierte Filmförderungsanstalt Berlin in den Film gesteckt, weitere 450000 sprudelten aus den Quellen des "Medienboard Berlin-Brandenburg" in die Produktion.

Der Film will mehr sein als ein bloßer Klamauk: Der "wahre Hitler" entlarve den "Führer" als Würstchen, das ohne die Hilfe des jüdischen Schauspielers Adolf Grünbaum in einem Dreckloch versauert wäre. Das verspricht die WDR-Fernsehfilmredaktion, die offenbar Einblick nehmen konnte in das Drehbuch, welches der Regisseur selber geschrieben hat. Aber was will uns der Autor damit sagen? Also ein Jude erst habe Hilter auf die Sprünge geholfen? Manchmal erschrickt man doch: Seit Jahren klopfen wir jeden Nebensatz in Partygesprächen und nachbarlichen U-Bahn-Plaudereien daraufhin ab, ob sich etwas Verdächtiges herauslauschen läßt, das wir melden könnten. Wir haben die hohe Kunst entwickelt, jeden unbedachten Rülpser so gekonnt zu synchronisieren, daß der wahre, böse Faschismus aus ihm hervorquillt. Wozu das alles, wenn da nun ein hergelaufener Schweizer ungestraft einen Juden zum Mentor Adolf Hitlers machen darf, ohne dessen fachliche Beratung der kleine Fatzke nie zum "Größten Feldherrn aller Zeiten", vulgo "Gröfaz", gereift wäre?

Und überhaupt: Wer sagt uns eigentlich, was die 500 Komparsen im Berliner Lustgarten wirklich empfunden haben, als sie da emphatisch "Heil Hitler!" brüllten? Was, wenn sich anschließend herausstellt, daß eine der Komparsen einen kleinen Bruder hat, der mit einem Nachbarsjungen befreundet ist, dessen Dackel auf den Namen "Blondie" hört? "Nazis mißbrauchen Filmaufnahmen!" werden wir dann an jener Stelle lesen müssen, von der aus uns neulich die zu Tode erschreckte Katze anstierte.

Wenigstens befreit uns der "wahre Hitler" endgültig vom Herrenmenschendünkel der Nazis. Wenn schon der "Führer" ein solches Weichei war, kann es um den Rest ja auch nicht gerade glänzend bestellt gewesen sein. Wo die echten Übermenschen vor 61 Jahren zu finden waren, hat uns der Film "Dresden" enhüllt: Der britische Held der Geschichte kassiert einen Durchschuß durch den Bauch. Für den gewöhnlichen deutschen Landser war damit zumeist nicht bloß der Krieg zuende, sondern alles. Nicht so für den Heroen von Seiner Majestät Bomberflotte. Der Mann marschiert noch kilometerlang mit einem Flüchtlingstreck mit, entkommt im Schweinsgalopp der Wehrmachtsstreife, hieft sich über Dächer, erscheint in deutscher Uniform auf der Verlobungsfeier seiner neuen deutschen Freundin und erörtert mit ihr beim Tanzen ganz nebenbei noch gleich die Kriegsschuldfrage. Donnerlittchen! Wie soll man einen Krieg gewinnen gegen solche Titanen?

Katzen spielten in "Dresden" übrigens gar keine Rolle, obschon man nach der überirdischen Darstellung des Briten vermuten möchte, daß der Drehbuchautor welche zu Hause hat. Oder sogar Hühner.

Kaum einer weiß bislang, wie man die Vogelgrippe aufhalten könnte. Es reicht ja nicht, einfach die Straßen zu sperren. (Niedersachsen hat den Import von Hühnerkot aus den Niederlanden gestoppt, wird gemeldet. Ganz nebenbei kommt so heraus, was wir uns von unseren Nachbarn alles andrehen lassen.) Sonst könnten wir die Sache den Ver.di-Leuten überlassen und dem nächsten Schneegestöber.

Die Gewerkschaft ist hochmotiviert. Es geht ja nicht um irgendwas sondern um 18 Minuten und den sozialen Besitzstand. Und das Ziel ist nahe: Nach dem Kompromiß von Hamburg werden bald noch mehr ältere Arbeitnehmer nicht bloß genausoviel freie Zeit genießen können wie bisher, sondern mehr. Wenn sie bei gleicher Bezahlung weniger arbeiten müssen als Jüngere, wird die Bereitschaft, sie noch früher als bisher in den verdienten Hartz-IV-Ruhestand zu schicken gewiß wachsen bei den öffentlichen Haushältern mit ihren knappen Kassen.

Für Franz Müntefering ist das indes keine gute Nachricht. Der will ja, daß alle bis 67 arbeiten. Der Arbeitsminister hat auch herausgefunden, wie er die Entscheidung den Betroffenen schmackhaft machen kann: Wir wissen jetzt, daß uns ohnehin kaum noch eine Rente erwartet - und ist das "Renteneintrittsalter" nicht schnuppe, wenn es den "Eintritt" in eine Falltür bedeutet? Um uns zur Weiterarbeit zu motivieren, hat Münte überdies auch die Betriebsrenten zur Keulung freigegeben. Die "Rente" entpuppt sich nach und nach als pathetisches Versprechen von der Gattung "Endsieg".

Helge Schneider macht den "Führer" und 500 junge Leute brüllen in Berlin begeistert "Sieg Heil!"

"Verzeihung, Herr Arbeitsminister ... wirklich eine schöne Torte!"
 
     
     
 
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