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Gerechtigkeit und die Illusion davon

 
     
 
Es war im August vor 60 Jahren als die Verlierer des Zweiten Weltkrieges erfuhren, daß die Alliierten auf der Londoner Konferenz beschlossen hatten, den politischen Führern des Dritten Reiches den Prozeß zu machen.

Der Deutsche Taschenbuch Verlag hat nun die aus seiner Sicht wichtigsten Dokumente mit einem Vorwort von Jörg Friedrich
("Der Brand") herausgegeben, damit der Interessierte nachlesen kann, wessen man die 24 hochrangigen nationalsozialistischen Politiker und Militärs beschuldigte.

In seinem Vorwort geht Friedrich sehr kompakt auf die Vor-, aber auch Nachteile des von den Alliierten durchgeführten Strafprozesses ein. So weist er darauf hin, daß es durchaus schwierig war, der deutschen Bevölkerung zu erklären, daß man ihre politische und militärische Elite rück-wirkend für Verbrechen richtete, die nach deutschem Gesetz zur Zeit der Straftat nicht als Verbrechen galten.

Auch waren die Nürnberger Prozesse für viele der Verlierer nichts anderes als willkürliche Siegerjustiz, zumal nur die Deutschen für ihre von den Alliierten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichneten Taten gerichtet wurden, obwohl die Alliierten im Krieg bekanntlich ja auch nicht ohne Schuld geblieben waren - man denke hier nur an die Methoden im Luftkrieg.

"Das Nürnberger Urteil verfremdet das Dritte Reich zu einem Schurkenstück. Mit dem Verdikt sollte den Deutschen der Nationalsozialismus ausgetrieben werden", so Friedrich. Der deutsche Terrorstaat wurde mit den Urteilen personalisiert.

Die Beschuldigten wurden mit vier Anklagepunkten konfrontiert: 1. Verschwörung zur Führung eines Angriffskrieges; 2. Führung eines Angriffskrieges; 3. Kriegsverbrechen und 4. Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Allerdings wurde nicht jeder von ihnen aller vier Verbrechen beschuldigt, und selbst wenn, nicht immer auch gleich schuldig gesprochen.

Am Ende seiner Ausführungen lobt der Autor die Leistung der Nürnberger Juristen und weist durchaus auf die Ironie hin, die in den Nürnberger Prozessen steckt, denn schließlich saßen hier die "Herren des GULag über die Herren von Auschwitz wegen Unmenschlichkeit zu Gericht".

Doch auch wenn es zu Recht heiße, daß nur Recht sein könne, was für alle gelte, so hätten die Prozesse ein Zeichen gesetzt: Hier wurden Menschen gerichtet, die Abscheuliches getan oder haben tun lassen.

Das erfreulich differenzierte Fazit des Autors: Das Nürnberger Urteil zeugt von Gerechtigkeit und von der Illusion der Gerechtigkeit in einem. Fritz Hegelmann

Jörg Friedrich (Vorwort): "Das Urteil von Nürnberg", dtv, München 2005, broschiert, 308 Seiten, 8,50 Euro
 
     
     
 
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