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Gleichstellung mit NS-Opfern

 
     
 
Kaum als sich das SED-Regime im Rahmen einer von Bonn angeregten Anerkennungskampagne der milden Gnadensonne europäischer Nachbarstaaten erfreuen konnte, klopften auch schon Firmen aus Westdeutschland und dem Ausland an, ob sich nicht Arbeitsprozesse in das devisenarme Billiglohnland DDR verlegen ließen. Die SED-Führung griff diese Angebote auf und alsbald ließen Firmen gesundheitsschädliche oder einfach nur handarbeitlich aufwendige und kostenintensive Montagearbeiten in der DDR ausführen. Es war bei der bekannten Rückkoppelung mit der Stasi daher nur eine Frage der Zeit, wann diese angenommenen Aufträge in den Haftanstalt
en der DDR auch von politischen Häftlingen ausgeführt werden mußten. Die politischen Gefangenen erhielten für diese Arbeit in aller Regel zehn bis zwanzig DDR-Mark monatlich, die sie dann für den persönlichen Bedarf in den Haftanstalten ausgeben konnten. Den Devisengewinn strich der Staat ein.

Nach dem Zusammenbruch wurde diese Angelegenheiten vornehm übergangen. Wohl auch deswegen, weil man von seiten der DDR-Bürgerrechtsbewegung der Meinung war, diese Ungerechtigkeiten würden von der Regierung angemessen reguliert werden. Erst im Zuge der aufwendigen Zahlungen an NS-Verfolgte kam im Gefolge der Gleichbehandlung aller Geschädigten die nicht unbillige Forderung nach Entschädigungszahlungen auf. Weit über eine Million deutscher Kinder, Frauen und Männer wurden zwischen 1944 und 1949 verschleppt und zu brutalster Zwangsarbeit genötigt, und weit über 250 000 politische Häftlin- ge des SED-Regimes mußten Zwangsarbeit im Schichtsystem bei unzureichender Ernährung leisten, für die bis zum heutigen Tag keine Entschädigung gezahlt wurde. Zwar erhalten politische Häftlinge aus der DDR, deren Urteil von westdeutschen Gerichten wegen Unzulässigkeit aufgehoben wurde, pauschale Haftentschädigung, aber keine Leistung für die Zwangsarbeit. Ähnlich gilt dies selbstverständlich auch für Vertriebene, die jahrelang unter der erbarmungslosen Fuchtel der Vertreiberstaaten Polen, Tschechei oder Sowjetunion standen.

Die in Berlin tätige „Hilfsorganisation für die Opfer politischer Gewalt in Europa HELP e. V.“ durchbrach mit einem Appell an Bundestag, Regierung und die deutsche Wirtschaft dieses Schweigen und forderte die Schaffung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ für die Zwangarbeiter und Geschädigten kommunistischer Gewaltherrschaft. Dabei beruft sich die Organisation nicht nur mit Hinblick auf die Entschädigungsleistungen für NS-Opfer auf das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes, sondern verweist auf einen auf Initiative der SPD eingebrachten Beschluß des Bundestages von 1959, nach welchem die kommunistisch Verfolgten mit den NS-Verfolgten gleichzustellen seien. Eine solche Gleichstellung und Installation einer Stiftung entspräche zudem dem Beschluß (12/1608) von CDU/CSU/ FDP von 1991.

Dabei verhehlt die Hilfsorganisation allerdings nicht, daß trotz des bereits verstrichenen Zeitraumes und angesichts der unzureichenden Regelungen aus dem sogenannten 1. und 2. SED-Unrechtbereinigungsgesetz es in Zukunft nicht auszuschließen sei, daß es angesichts der Zahlungen an NS-Opfer bei fortgesetzter Verweigerung der rechtlichen und damit finanziellen Gleichstellung zu „Opfern erster, zweiter und dritter Klasse kommen“ werde, was in Hinblick auf das Grundgesetz schlechterdings nicht zulässig sei. Ob dies die Bundesregierung und Politiker aus den Reihen der Opposition und das Bundesverfassungsgericht riskieren wollen, bleibt abzuwarten. Müller

 
     
     
 
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