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Höchstgebot für eine alte Schachtel

 
     
 
Das eBay-Fieber greift um sich. Das Internet-Auktionsportal ist in aller Munde und in jüngster Zeit sehr in Mode gekommen. Davon lasse ich mich doch nicht anstecken, sagte ich mir, als ich mich als Neuling auf dieses Terrain begab.

Lange schon war ich auf der Suche nach Zubehör für meine inzwischen über 20 Jahre alte Spiegelreflexkamera. So richtig ernst war es mir allerdings nie damit, sonst hätte ich mir wohl die Mühe gemacht, durch die Fotoläden unserer Großstadt zu laufen, um in den Abteilungen für Gebrauchtobjektive zu stöbern. Hier und da hatte ich schon mal einen Blick auf die spärlichen Angebote geworfen, aber entweder waren die gebrauchten Objektive zu teuer, oder es handelte sich um Fremdobjektive, mit denen ich bereits schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Es mußte also auch ein Objektiv vom früheren Originalhersteller sein!

Ein Freund brachte mich schließlich auf die Idee. "Warum schaust du nicht mal bei eBay rein?" Ja, warum eigentlich nicht? Viel hatte ich ja schon gehört von der Internet-Auktionsbörse, auf der Freunde und Bekannte schon so manches Schnäppchen ersteigern konnten. Und viel Zeit kostet es ja auch nicht. Dachte ich!

An einem Sonntag wollte ich mich dann bei eBay registrieren lassen, denn ohne Registrierung geht nichts. Nachdem Name, Anschrift und E-Mail-Adresse eingegeben waren, sollte ein eBay-Mitgliedsname gewählt werden. Gut, kein Problem, oder? Bei jeder nur erdenklichen Variante meines Namens erhielt ich die Meldung "Der von Ihnen gewählte Mitgliedsname existiert bereits. Bitte wählen Sie einen anderen." Nach vier Versuchen gelang es mir, einen gültigen Mitgliedernamen zu finden, der zwar unsinnig ist, aber funktioniert.

Damit waren die ersten Hürden geschafft, und ich konnte gleich loslegen. Recht bald fand ich die gewünschten Angebote, da die Seiten sehr logisch und übersichtlich
aufgebaut sind. Da ich zu der Spezies der eher vorsichtigen Internet-Anwender gehöre, wollte ich das Geschehen erst einmal beobachten, stets die Ratschläge des Freundes in Ohren: "Du mußt dir ein Preislimit setzen" und "Nutze den Bietassistenten, damit der Preis nicht ins Uferlose wächst".

Erfreut stellte ich fest, daß von dem Zoom-Objektiv, das mir vorschwebte, sogar mehrere angeboten wurden. Ich setzte mir also ein Limit von zunächst 30 Euro, wohlmeinend, daß dies für ein Gebrauchtes ausreichend sei. Ich wurde von allen Mitbietern überboten. So ging es über zwei Wochen meiner Beobachtungsphase.

Nun schon etwas sicherer und mutiger geworden, hatte ich mir eine Strategie zugelegt. Ich beobachtete die Ablaufzeit der Angebote, stellte mir eine Beobachtungsliste zusammen und gab mein Gebot erst kurz vor Ende der Versteigerung ab. Wieder nichts. Die hatten mich doch tatsächlich schon wieder alle überboten, ganz kurz vor Gebotsende! Also liegst du mit deinen 30 Euro wohl zu niedrig, sagte ich mir. In der kommenden Woche erhöhst du halt auf 40 Euro, das absolute Limit muß bei 50 Euro liegen - und Schluß.

In den darauffolgenden Tagen verbrachte ich, ohne es zu merken, immer mehr Zeit bei eBay, um neue Angebote aufzuspüren. Eines Abends hatte ich über 15 Zoom-Objektive aufgespürt, alle original. Ganz zuletzt, meine Augen wurden schon müde, gab ich dann mein persönliches Höchstgebot auf einen ganz tollen Artikel ab, den ich unbedingt haben mußte. O weh, das Fieber hatte mich erwischt!

Die Artikelzeile begann mit "Original Zoom 28-135 mm Canon Verpackung". Ich klickte die Zeile an, las die Beschreibung durch ("keine Gebrauchsspuren, unbenutzt, neu") und gab mein Höchstgebot ab - 50 Euro. Zufrieden beendete ich für diesen Abend meine Computersitzung und legte mich schlafen. In dieser Zufriedenheit wiegte ich mich auch den nächsten Tag.

Plötzlich in der Nacht kamen mir allerdings Zweifel. Moment mal, es war aber doch gar kein Objektiv abgebildet, sondern nur die Originalverpackung. Es wird doch wohl niemand ... Am nächsten Tag beeilte ich mich, den Computer hochzufahren und ... doch tatsächlich, da hatte jemand eine leere Originalverpackung angeboten! Und ich Esel! 50 Euro! Für eine leere Schachtel. Ich war geschockt.

Wie macht man solch einen Irrtum rückgängig? Ich las mir erst jetzt die Richtlinien von eBay gründlich durch und stellte fest, daß schon zu viel Zeit verstrichen war, um mein Gebot zurückzuziehen. Außerdem würde ich eine negative Bewertung erhalten. Also gut, sagte ich mir, ist zwar ärgerlich, wenn du das Ding nun ersteigerst, aber dann mußt du eben Lehrgeld zahlen. Hättest ja vorher richtig lesen können.

Zugleich hegte ich noch ein wenig Hoffnung, daß es vielleicht jemandem genauso gehen könnte wie mir, der sich durch mein Gebot möglicherweise animiert fühlte, noch mehr zu bieten.

Zwei Tage hielt mein Zustand zwischen Hoffen und Bangen an. Dann kam endlich die Erlösung. Überboten! Ich konnte es nicht fassen, da wollte tatsächlich jemand die Verpackung für 51 Euro kaufen, und ich war somit überboten. Gott sei Dank! Was für eine Erleichterung!

Nun konnte ich mich erneut auf die Suche nach meinem Objektiv begeben. Kurze Zeit später hat es dann auch geklappt, und ich wurde für 41,50 Euro Besitzerin eines Originalobjektivs für meine alte Spiegelreflex. Interessiert hat mich aber doch, für wieviel die Verpackung weggegangen ist: Es waren sage und schreibe 83 Euro für eine alte Schachtel! Welcher Esel bietet bloß so viel Geld für eine leere Hülle?

 
     
     
 
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