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Neue Linkspartei - alte linke Strategie

 
     
 
Ein Gespenst geht um in Deutschland: Es ist das Gespenst einer neuen "Linkspartei". Käme sie, wäre sie die Folge der Politik der Schröder-Fischer-Regierung. Die Realitäten des Arbeitsmarktes, die Überforderung der öffentlichen Finanzen, die Staatsverschuldung und die Einschnitte in das soziale Netz stehen im schroffen Gegensatz zu den ideologischen Grundüberzeugungen von Sozialdemokraten, Sozialist
en und Alt-68ern. Die Proteste gegen diese Politik reichen bis tief in das Lager der rot-grünen Stammwähler, insbesondere der SPD, und artikulieren sich unübersehbar in dieser Partei selbst.

In dieser Lage ist die rot-grüne Furcht vor dem Machtverlust bei der nächsten Bundestagswahl begründet. Diese Furcht trifft sich mit der Hoffnung der Kommunisten, endlich auch im Bund mitregieren zu können. Zur Vermeidung dieses Machtverlustes ist es kein Wunder, daß eine Neuaufstellung des linken Lagers mit dem Ziel des gemeinsamen Erhalts der Regierungsmacht angepeilt wird.

Vertraut man der Medienberichterstattung, dann stößt des Projekt einer "Gegen-SPD" kurz vor dem Ende der ersten Halbzeit der Wahlperiode des 2002 gewählten Bundestages auf große Gegenliebe, und zwar aus sehr unterschiedlichen Motiven und Zielen. Die alte politische Weisheit "Auf den Kanzler kommt es an!" regt zu Strategien an, die auf die Diversifikation der linken politischen Kräfte zielen und auf die "Einheit in der Vielfalt" hinauslaufen, also auf: "Getrennt kämpfen - sogar gegeneinander - und vereint siegen."

Mit Massenprotesten gegen die Politik der Bundesregierung lassen die Gewerkschaften Dampf ab und wenden sich dabei unübersehbar auch gegen CDU und CSU, die ohnehin über den Bundesrat in die Mithaftung genommen sind. Als Wahrer der Interessen der "kleinen Leute" erscheinen allein die Gewerkschaften, aus deren Reihen die Mehrzahl der Initiatoren einer "neuen Linkspartei" kommt.

Eine dieser sich abzeichnenden linken Strategie entsprechende Diversifikation haben auf der anderen Seite CDU und CSU für ihren Weg zur Rückgewinnung der politischen Macht bisher stets verworfen und dem linken Lager damit einen großen Gefallen getan.

Sie folgen damit der von der bayerischen Sondersituation inspirierten "Strauß-Doktrin", nach der es rechts von den Unionsparteien keine demokratisch wählbare Partei geben darf. Sie verzichten damit bewußt auf eine Politik der Vielfalt, das heißt, auf eine Strategie der Tolerierung und Zusammenarbeit mit einem ausschließlich auf die Union ausgerichteten und damit auf sie angewiesenen politischen Partner.

Statt dessen haben die Unionsparteien im Verein mit den Massenmedien und großen Verlagshäusern seit langem jeden Ansatzpunkt konservativer Gruppierungen zu einer systematischen und dauerhaften Parteibildung zerstört, zuletzt im Fall der Hamburger Schill-Partei.

Die Union hat sich bisher der Einsicht verschlossen, daß nur durch die Strategie der Vielfalt bundesweit auch die sogenannten Protestwähler erreicht werden können, die ideologisch nicht festgelegt sind oder sich milieumäßig oder aus Gewohnheit dem linken Lager zurechnen und bisher entsprechend gewählt haben. Für die Union gilt "alles oder nichts", und das ist auf Bundesebene eine risikoreiche Strategie. Belegen doch zahlreiche Untersuchungen den starken Rückgang fester Parteibindung der Wähler und die daraus rührende Bereitschaft zu Protestwahlen.

Diesem demokratisch völlig legitimen Wahlverhalten wird vom sogenannten bürgerlichen Lager kein vielfältiges Angebot im Sinne politischer Diversifikation gemacht. Die Bereitschaft, direkt für die Union zu votieren, ist in vielen Fällen aus unterschiedlichen Gründen nicht gegeben - und sei es nur, weil von nicht wenigen Bürgern eine absolute Mehrheit grundsätzlich abgelehnt wird. Hingegen wäre eine Partei im rechten demokratischen Spektrum für diese Bürger wählbar - und zwar entweder aus grundsätzlichen Erwägungen oder als Ausdruck eines Protests.

Wegen ihres Alleinvertretungsan-spruchs für eine demokratische, nichtsozialistische Politik sind CDU und CSU auf die absolute Mehrheit oder ausschließlich auf die Liberalen als Koalitionspartner angewiesen. Die FDP jedoch könnte jederzeit auch mit dem rot-grünen Lager koalieren und würde das, den jeweiligen Gegebenheiten folgend, auch tun, wenn es in ihrem Interesse liegt.

Im Gegensatz zu dieser Haltung der CDU/CSU begibt sich das linke Lager sichtbar auf den Weg der Diversifikation, auf dem die Gewerkschaften ihre wichtige Rolle spielen. Unter gegenwärtiger Perspektive bietet die "neue Linkspartei" eine reale Chance für einen von der SPD gestellten Bundeskanzler. Diese Partei, die nicht mit der CDU/CSU, sondern nur mit der SPD koalieren könnte, hätte zum Ziel, die Stimmen unzufriedener bisheriger SPD-Wähler wieder einzusammeln. Obendrein könnte sie Stimmen von Protestwählern gegen den derzeitigen Regierungskurs erhalten. So gesehen hat diese neue Linkspartei die Aufgabe einer "linken Schill-Partei". Unter diesen Gesichtspunkten ist es logisch, daß diese neue Partei im linken Lager nach außen hin den Widerspruch der SPD-Führung und der Gewerkschaften finden muß, um glaubwürdig operieren zu können. Der angedrohte Ausschluß der "Abtrünnigen" aus der SPD wird ihre Glaubwürdigkeit vor den Wählern erhöhen.

Nach der Bundestagswahl 2006, wenn im Bundestag der Kanzler gewählt werden wird, "auf den es ankommt", werden die Stimmen der heute "Abtrünnigen" jedoch mit Sicherheit bei dem SPD-Kandidaten für dieses Amt landen, und nicht bei dem der Unionsparteien. Die SPD, die heute aus dem Kreis der Abtrünnigen als "Hauptakteurin des Sozialabbaus und der Umverteilung von unten nach oben" genannt wird, würde sich nicht genieren, mit deren Stimmen weiterzuregieren. Den Abgeordneten der "Neuen Linken" wiederum würde ihr Gewissen vorschreiben, eher für den Sozialdemokraten zu stimmen als für den Klassenfeind von der Union.

Die in PDS umbenannten SED-Genossen sehen diese Entwicklung in der SPD nicht ungern und schließen ein Aufgehen in einer "Neuen Linken" nicht aus. Aus deren Grün-dungskreis tönt ein PDS-Philosoph, zu vier Fünftel gingen die jüngsten Wahlverluste der SPD auf das Konto der Nichtwähler. Bei der PDS sehe es ähnlich aus. Schlußfolgerung: "Diese Leute kann man wieder in die Politik hineinholen."

Die neue Links-partei solle "den sozial Benachteiligten eine Stimme geben" und, so heißt es weiter mit Blick auf SPD und PDS, "nichts wäre verheerender, als wenn die einzig Leidtragenden unseres Versuches die mehr oder weniger linken Parteien wären".

Darum darf dieser Genosse auch weiter Mitglied in der PDS bleiben, deren Vorsitzender Lothar Bisky sagt: "Die PDS ist kein Selbstzweck. Das Wichtigste ist, die Grundlage des Sozialstaats zu erhalten ..." Gregor Gysi selbst, der im Bundesland Berlin bereits mit Klaus Wowereit zusammen regiert, meint zu der neuen Linkspartei: "Wenn sich etwas entwickelt, dann muß man dem Rechnung tragen ..."

Die neue Partei kann demnach auch die Aufgabe übernehmen, dafür zu sorgen, daß die Kommunisten auf Bundesebene "hoffähig" werden, indem sie sich in das Linksbündnis einbringen und ein SPD-Kanzler sich nicht genieren muß, mit ihren Stimmen gewählt zu werden.

"Vermehrung durch Spaltung" - in der Tat eine Strategie, die große Aufmerksamkeit verdient.

 
     
     
 
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