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Höflichkeit wieder im Trend

 
     
 
Kaum einer beneidet heutzutage einen Lehrer um seinen Job. Denn alle finanziellen und urlaubstechnischen Vorteile des Berufs werden von der Arbeit mit den aufsässigen Kindern von heute aufgefressen. Jahrzehnte der seit den 70er Jahren propagierten „antiautoritären Erziehung“ haben dafür gesorgt, daß den Schülern der Gegenwart der nötige Respekt vor Erwachsenen fehlt.

Glaubt man einer vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beim „Institut Allensbach“ in Auftrag gegebenen Studie wird bei der nun heranwachsenden Jugend alles besser. Allensbach hat nämlich Eltern nach ihrer Einstellung zur Erziehung befragt und wollte wissen, wo sie ihre Prioritäten
setzt. Die Studie, die ähnlich schon einmal 1991 durchgeführt wurde, offenbart, zumindest bei der Wahrnehmung der Erziehung und der Zielsetzungen der Eltern eine aus konservativer Sicht positive Entwicklung. Denn während die Eltern 1991 am meisten Wert darauf legten, ihren Sprößlingen beizubringen, wie man sich durchsetzt, sprachen sich jetzt eindeutig mehr dafür aus, darauf zu achten, daß der Nachwuchs Höflichkeit und gutes Benehmen erlernt. Auch Gewissenhaftigkeit und Hilfsbereitschaft kamen noch vor dem Spitzenwert von 1991. Wissensdurst und Toleranz sind für mehr als die Hälfte der 2006 befragten Eltern ebenfalls ein hohes Erziehungsziel. Auch fällt auf, daß sich die Eltern der Gegenwart offenbar bewußt sind, daß harte Zeiten auf die Kinder zukommen beziehungsweise schon da sind: So gaben 69 Prozent von ihnen an, die Kinder zur Sparsamkeit zu erziehen. Anfang der satten 90er Jahre sprachen sich nur 44 Prozent dafür aus.

Sehr auffällig ist allerdings, daß Interesse für Religionsfragen und religiöse Bindung ganz unten auf der Prioritätenliste rangieren. So sind nur noch 25 Prozent der Meinung, daß Kinder in ihrem Elternhaus eine feste religiöse Bindung erfahren sollten.

Jene Eltern, die Wert auf die religiöse Erziehung ihrer Kinder legen, sprechen sich sogar noch mehr als der Durchschnitt für Tugenden wie Höflichkeit und gutes Benehmen (92 Prozent gegenüber 82 Prozent) und Hilfsbereitschaft (86 Prozent gegenüber 74 Prozent) aus. Auch fällt auf, daß sie häufig mehr Kinder haben als der Durchschnitt. So haben 13 Prozent der Eltern dieser Gruppe drei oder mehr Kinder. Bei den übrigen Befragten hingegen haben nur vier Prozent drei oder mehr Kinder.

Im allgemeinen fällt auf, daß der Kreis derer, die Wert auf eine religiöse Erziehung legen, seit 1991 gestiegen ist. Während damals nur zehn Prozent ihre Kinder im Glauben erziehen wollten, so war es jetzt ein Viertel der Befragten.

Daß Eltern in Sachen Erziehung offenbar anders handeln als sie reden, läßt sich daraus erahnen, daß zwar alle angeben, mehr auf traditionelle Werte zu setzen, gleichzeitig aber im Kontakt mit anderen Kinder immer wieder erleben, daß das nicht der Fall ist. Sind es nur Erziehungsfehler der anderen, oder sind Absicht und Realität zu weit auseinander? Da fast alle Eltern mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen, zahlreiche Studien aber erwiesen haben, daß Eltern aufgrund von Beruf und Freizeitaktivitäten immer weniger Zeit für ihren Nachwuchs haben, kann man davon ausgehen, daß gleiches auch für die Wertevermittlung gilt. Auch zeigt sich schon bei einer anderen Frage ein deutlicher Widerspruch. So halten fast alle jungen Eltern (96 Prozent) die Beeinflussung des Verhaltens und der Ehrlichkeit durch pädagogische Maßnahmen für wichtig. Gleichzeitig gaben sie aber an, ihren Sprößlingen freie Hand bei der Wahl ihrer Vorbilder sowie politischen und religiösen Ausrichtung zu lassen. Auch bei der Lektüre, der Verwendung des Taschengeldes, dem Kleidungsstil und der Gestaltung der Freizeit sehen die Erwachsenen keinen Anlaß, den Nachkömmlingen Vorschriften zu machen. Hier sollte man jedoch darauf hinweisen, daß die Frage das Alter der Kinder nicht festlegte. So ist es etwas ganz anderes, einem Grundschüler ein paar gute Bücher ans Herz zu legen als einem 16jährigen Jugendlichen, der inzwischen ja schon eigene Erfahrungen gesammelt hat, eine Lektüre zu bestimmen. Wenn Eltern schon in Kleinkindtagen bei Vorbildern, Hobbies, Interessen und Werten prägen, dann wachsen die Wurzeln des Aufwachsenden in diesem Boden. Nimmt er dies nicht auf, können die Eltern ihn nicht dazu zwingen; wer seinen Kindern jedoch keinen Untergrund gibt, nimmt ihnen auch die Orientierungsmöglichkeit. Der Mangel an positiver Autorität und Beschäftigung mit dem Kind endet so mit der völligen Unlenkbarkeit.
 
     
     
 
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