INSTINKTE UND INSTITUTIONEN

Im kulturell geformten menschlichen Verhalten sind eine Reihe von Instinktresten zu erkennen, u. a. in den sexuellen Beziehungen, im Mutter-Kind Verhalten, in Dominanz-Subordinations-Beziehungen und in einem allgemeinen Ausdrucks- und Darstellungsdrang, der auch das Sprechen umfaßt. Die Instinkte bestimmen aber nur das Maß der Energie und die allgemeine Richtung des Verhaltens, nicht dagegen wie bei den Instinkttieren einzelne, festgelegte Verhaltensabläufe. Statt dessen nimmt jede Kultur aus der Vielzahl der möglichen menschlichen Verhaltensweisen bestimmte Varianten heraus und erhebt sie zu gesellschaftlich sanktionierten V e r h a l t e n s m u s t e r 11, die für alle Glieder der Gruppe verbindlich sind. Solche kulturellen Verhaltensmuster oder I n -s t i t u t i o n e n bedeuten für das Individuum eine Entlastung von allzu vielen Entscheidungen, einen Wegweiser durch die Fülle von Eindrücken und Reizen, von denen der weltoffene Mensch überflutet wird, und damit eine relative Umweltbindung. Die Institutionen funktionieren jedoch nicht mit der gleichen Zuverlässigkeit wie die Instinkte. Bei diesen sind die auslösenden Schlüsselreize und die entsprechenden Reaktionen präzise aufeinander abgestimmt, wenn nicht, wie vielfach bei domestizierten Tieren, Instinktstörungen auftreten. »Das Tier hält sich an die Spielregeln, der Mensch kann sich daran halten, tut es aber nicht stets ... es sieht beinahe so aus, als wüsste die Kultur um diese ihre Unvollkommenheit und sei sie eben deshalb bemüht, besonders zahlreiche Sicherungen einzubauen« (M ü h l m a n n). Strenge Gesetze, die auf göttliche Satzungen zurückgeführt werden, und die Androhung harter Strafen bis zur ewigen Verdammnis müssen beim Menschen die Einhaltung der kulturellen Spielregeln erzwingen, die bei den instinktiven Verhaltensweisen von selbst funktionieren.