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Ich will Deutsche nur vor dem Tresen

 
     
 
Brandenburgs Innenminister Schönbohm, Bayerns Ministerpräsident Stoiber, Tirols Arbeiterkammerpräsident Dinkhauser und Österreichs Bundeskanzler Schüssel haben etwas gemeinsam: Alle vier sorgten jüngst mit einer einzelnen Aussage, vielleicht sogar mit nur einem Satz oder einem Wort, für große "Aufregung", in Deutschland wie in Österreich.

Der Verdacht liegt nahe, daß eine linkslastige Journaille bei der Erregung nachgeholfen haben könnte, denn in beiden Ländern steht ein heißer Wahlherbst vor der Tür. Aber hatten nicht auch Münteferings "Heuschrecke
n" und Lafontaines "Fremdarbeiter" hohe Wellen geschlagen? Man muß also schon etwas näher hinsehen: Wurden wieder einmal - wie in den "Fällen" Hohmann oder Kardinal Meisner - einzelne Sätze böswillig aus dem Zusammenhang gerissen? Oder sind die Aussagen inhaltlich falsch? Oder geht es bloß um die Wortwahl?

Wenn man Schönbohm nachliest, findet man eine zutreffende und nicht einmal überzogene Diagnose des DDR-Systems. Schönbohms Fehler war es, dies mit einem einzelnen Kriminalfall zu verknüpfen. Denn ein derart außergewöhnliches Verbrechen kann eben nicht als "Paradebeispiel" dienen. Doch ist nicht genau diese Technik des Verallgemeinerns gängige Praxis in der gesamten politischen Kaste? Der Einzelfall wird zum Anlaßfall, und heraus kommt Anlaßgesetzgebung! Alle leben in der Angst, "das Volk" könnte ihnen Untätigkeit vorwerfen - selbst wenn des Volkes Stimme längst nicht mehr Gottes Stimme ist, sondern nur die der veröffentlichen Meinung.

Stoibers Problem wiederum ist der Stilbruch, der ihm zuweilen widerfährt. Manche seiner "inkriminierten" Aussagen hätten zur bulligen Deftigkeit eines Franz Joseph Strauß durchaus gepaßt. Bei ihm aber wirken sie als Entgleisungen, und dann geht auch die Aussage unter. Was nämlich Stoiber im konkreten Fall sagte, ist nur das, was die meisten denken: Der Empfänger soll nicht über das Schicksal

des Zahlers bestimmen. Und eben darin liegt auch ein Grund für den EU-Frust in Deutschland und Österreich: Bei der Stimmengewichtung in der EU wird die Nettozahlerposition nicht einmal ansatzweise berücksichtigt! Ein System, das ein Mehr an Leistung nicht honoriert, führt aber unweigerlich in die Pleite.

Nun zu Dinkhauser, dem ruppigen Tiroler: Er wäre kaum angeeckt mit dem einen Teil seiner Aussage, nämlich daß er die Deutschen lieber vor als hinter der Theke sehen möchte. Völlig deplaziert aber war es, die deutschen Gastarbeiter "Feinde" zu nennen. "Konkurrenten" hätte genügt, denn in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit trifft dies auf ausländische Arbeitskräfte, egal welcher Nationalität, zweifellos zu. Was Dinkhauser verschweigt, ist der für den Fremdenverkehr typische Sozialmißbrauch, den Arbeitgeber und Arbeitnehmer im besten Einvernehmen begehen: In der Hauptsaison macht man massenweise Überstunden und danach kassiert man Arbeitslosengeld, obwohl es eine Zusage zur Wiedereinstellung in der nächsten Saison gibt.

Schüssels Aussage schließlich - nur ein Satz in einem langen Interview mit der FAZ - wurde als Behauptung verstanden, daß deutsche Arbeitslose massenhaft nach Österreich strömen. Doch Schüssel ist ein durchtriebener Formulierer: Er sagte nur, daß die verschärfte Lage in Österreich auch mit Hartz IV zusammenhänge. Es sei "sehr viel attraktiver geworden, bei uns Arbeitslosenunterstützung zu bekommen". Attraktiver als vorher - nicht unbedingt attraktiver als in Deutschland. Und die absoluten Zahlen sind einstweilen marginal. Hinter Schüssels Doppeldeutigkeit steckt aber ein reales Problem, das er verschweigt: Wer in einem EU-Land Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, muß nur einen Tag in Österreich arbeiten, um in Österreich anspruchsberechtigt zu sein. Wenn sich das vor Ablauf der Sperrfrist für Osteuropäer nicht ändert, wird für sehr viele die Arbeitslosigkeit in Österreich sehr viel attraktiver sein als daheim!

Dinkhauser und Lafontaine sprachen ein und dasselbe Problem an. Nur daß "Deutschenfeindlichkeit" für Gutmenschen keine "Fremdenfeindlichkeit" ist - höchst interessant! Ebenso, daß Hartz-IV-Flüchtlinge für sie keine "Migranten" und daher keine "Bereicherung" sind. Aber auch Müntefering und Schüssel - wenn sie s nur zugeben würden - beziehen sich auf Auswüchse ein und desselben Übels: Es ist die entnationalisierte Marktwirtschaft, bei der zwangsläufig das Soziale auf der Strecke bleibt - und letztlich auch der Markt. Die "Eine Welt" eben. Prof. Dr. Küssner

 Deutscher Kellner in Salzburg? Wenn man den Worten des Tiroler Arbeiterkammerpräsidenten Dinkhauser Glauben schenken möchte, nehmen die Deutschen den Österreichern allmählich die Arbeit weg. Vor allem im Gastronomiebereich würden sich die "Feinde" - insgesamt 50.000 deutsche Gastarbeiter - immer mehr breit machen.
 
     
     
 
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