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Im Laboratorium brodelte es

 
     
 
Von dem trutzig blickenden Alten mit dem goldenen Helm mußten sich Rembrandtfreunde Mitte der 80er Jahre verabschieden - er war nicht "echt", hatte die Berliner Gemäldegalerie mit Bedauern feststellen müssen. (Ist er darum weniger schön?) Nicht der Meister selbst hatte ihn geschaffen, sondern wohl einer seiner Schüler. Und davon hatte Rembrandt viele, man schätzt die Zahl auf etwa 50. Diese Schüler waren keineswegs unbeschriebene Blätter; Rembrandt beschäftigte sie nur, wenn sie eine Ausbildung bei anderen Meistern bereits abgeschlossen hatten.

Der Kunstmarkt war schon zu damaliger Zeit hart umkämpft, schließlich schätzen Experten, daß in der Zeit zwischen 1600 und 1700 in den Niederlanden nicht weniger als fünf Millionen Gemälde entstanden. Ein Bild war zur Ware geworden, galt als Statussymbol des reichen Bürgertums und wurde von Sammlern begehrt. Die Signatur "Rembrandt" wurde als Markenzeichen besonders geschätzt, galt sie doch als ein den Preis steigerndes Qualitätssiegel. Das ging schließlich soweit, daß sogar "Selbstporträts" nicht von Rembrandts Hand geschaffen wurden.

Seit 1968 arbeitet eine unter dem Namen Rembrandt Research Project (RRP) zusammengeschlossene Expertengruppe daran, die Spreu vom Weizen zu trennen, sprich echte Rembrandts von denen aus seiner Werkstatt zu unterscheiden. Gemeinsam mit dem Museum Het Rembrandthuis in Amsterdam und der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin hat RRP nun eine Ausstellung konzipiert, die als die größte Schau gewertet wird, die dem Maler im Jubiläumsjahr gewidmet ist. Nachdem sie in kleinerem Umfang bereits in Amsterdam gezeigt wurde, ist sie nun in Berlin zu sehen.

Rund 80 Gemälde aus aller Welt zeigen den Schaffensreichtum des vor 400 Jahren geborenen Malers Rembrandt Harmensz van Rijn. Neben weltbekannten Meisterwerke
n finden sich auch weniger bekannte oder bislang unzugängliche Werke, die in Berlin erstmals präsentiert werden. Als Neuentdeckung gilt ein von entstellender Übermalung befreites Porträt einer einfachen Frau, ein Studienkopf, bei dem der Künstler offensichtlich die Wirkung der Beleuchtung erproben wollte. Auch dieses Werk trägt dazu bei, Rembrandts Arbeitsweise kennenzulernen, zu der es gehörte, daß er Prototypen für seine Lehrlinge anfertigte, die diese als Vorlagen verwendeten. Prototypen und "Satelliten" werden in der Ausstellung einander gegenübergestellt und erhellen so die Zusammenarbeit im Atelier.

"Rembrandts Schaffen ist das Ergebnis einer stetigen, rastlosen künstlerischen Suche", so der Direktor der Gemäldegalerie Prof. Dr. Bernd Wolfgang Lindemann, der das Ziel der Ausstellung vor allem darin sieht, dem Publikum diese Suche vor Augen zu führen. "Dem Besucher wird gleichsam ein Blick in das ,Laboratorium Rembrandt eröffnet, in dem es unter dessen ebenso animierender wie inspirierender Leitung vor Schöpferkraft geradezu brodelte."

Zeitgleich mit der Ausstellung der Gemäldegalerie zeigt das Kupferstichkabinett aus seinen einzigartigen Beständen zwei Ausstellungen mit Druckgraphik und 55 Zeichungen des großen Meisters. Experten zählen Rembrandts Arbeiten auf Papier zum Großartigsten, was die Geschichte der Zeichenkunst zu bieten hat. Mit wenigen Strichen der Feder oder des Kreidestifts gelang es ihm, das Wesentliche einzufangen. Bewegung und Ausdruck lagen ihm besonders am Herzen, und so fertigte er Skizzen und Vorbilder an, auf die er und seine Mitarbeiter jederzeit zurückgreifen konnten. Beeindruckend sind zwei Blätter, die einmal den privaten Rembrandt offenbaren, zum anderen einen dem Leben verhafteten Künstler zeigen. Das eine Blatt zeigt Saskia als junge Braut mit einem handschriftlichen Vermerk Rembrandts die Verlobung der beiden betreffend. Das andere ist eine lavierte Federzeichnung eines in der Luft strampelnden Jungen, der von seiner Mutter nur mühevoll gebändigt wird. Eine alte Frau mahnt den "ungezogenen Jungen", so auch der Titel des Blatts, während zwei kleine Kinder schadenfroh das Geschehen aus dem Hintergrund beobachten. Von Rembrandt korrigierte Schülerzeichnungen stehen in dieser Ausstellung neben Arbeiten, die lange als Werke des Meisters galten, nun aber als Zeichnungen seiner Schüler vorgestellt werden.

International berühmt wurde Rembrandt schließlich durch seine Radierungen und Kaltnadelarbeiten, die er als eigenständige künstlerische Ausdrucksform betrachtete. Die über 100 Blätter mit biblischen Themen, Porträts, aber auch Landschaften, die in der Malerei nicht zu finden sind, zeigen ebenso wie die zeichnerischen Arbeiten die Vielfalt in Rembrandts Schaffen. "Ich treibe mich überhaupt jetzt viel auf dem Kupferstichkabinett herum, genieße die Radirungen der Niederländer, vor allem Rembrandt, der doch unter allen hierin der Solitär ist und bleibt. Je öfter man ihn durchsieht, desto mehr Ehrfurcht kriegt man vor ihm", äußerte sich Kollege Adolph Menzel 1844, "gar nicht etwa nur seiner Beleuchtungseffekte wegen, auch seine Komposition, seine Naturkenntnis, sein Formensinn!" Eine Ehrfurcht, der man sich auch heute nicht entziehen kann. Peter van Lohuizen

Die Ausstellung "Rembrandt. Genie auf der Suche" ist in den Sonderausstellungshallen am Kulturforum, Matthäikirchplatz 4, zu sehen, dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr, am Wochenende von 11 bis 18 Uhr.

Die Ausstellung "Rembrandt der Zeichner" wird im Kupferstichkabinett, Matthäikirchplatz 8, gezeigt, dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr, am Wochenende von 11 bis 18 Uhr.

"Rembrandt. Ein Virtuose der Druckgraphik" ist in der Gemäldegalerie, Matthäikirchplatz 8, zu sehen, dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 22 Uhr.

Alle Ausstellungen sind bis zum 5. November geöffnet.
 
     
     
 
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