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          Euro-Gelb      Von Radermacher
       Nur wenige Wochen nach den letzten Weichenstellungen für die Abenteuerfahrt ins     Euro-Land schrillen in Brüssel und Frankfurt am Main bereits die Alarmglocken. Hart und     stabil wie die Deutsche Mark werde die neue Gemeinschaftswährung sein, prophezeiten     deutsche Spitzenpolitiker, Wirtschafts   kapitäne und Banker. In europäischen Hauptstädten     ernteten sie Applaus  in einigen lauten, in einigen leisen, aber immerhin Applaus,     mußten doch die skeptischen deutschen Bürger gewonnen werden, denn ohne Deutschland     wäre jede gemeinsame Währung europäischer Staaten von vornherein zum Scheitern     verurteilt.
       Nur wenige der elf Euro-Kandidaten erfüllten ohne kreative Zahlenakrobatik die     Voraussetzungen für die Aufnahme in die Europäische Währungsunion. Bei Belgien und     Italien gar mußte Gnade vor Recht ergehen, denn die roten Bilanzen dieser europäischen     Schuldenmeister waren doppelt so schlimm wie gerade noch zulässig. Aber auch sie schworen     wie alle anderen Kandidaten für die Zukunft Haushaltsdisziplin und Schuldenabbau.
       Die Euro-Skeptiker mochten diesen Schwüren nicht Glauben schenken, zumal bereits bei     der Besetzung des Präsidentenpostens der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am     Main das ausgabenfreudige Paris mit aller Macht dem holländischen Vorkämpfer für     Geldwertstabilität, Wim Duisenberg, den Weg zu verstellen versuchte. Hier deutete sich     schon im Euro-Vorfeld an, daß nicht alle Euro-Staaten einen gestrengen Währungshüter     herbeisehnten und nach genommener Beitrittshürde schwurtreue Haushaltspolitik einplanten.     Genau diese Entwicklung kündigt sich nun ein halbes Jahr vor Einführung des Euro an      und zwar für Kenner der Materie in einem offenkundig so erschreckenden Maße, daß     Brüssel und Frankfurt gegenüber den europäischen Finanzministern jede diplomatische     Behutsamkeit ablegen und für jedermann verständlichen Klartext reden:
       Otmar Issing, das deutsche Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank, warnt     vor weiteren Aufweichungserscheinungen bei den Haushaltssanierungen. Bundesbankpräsident     Hans Tietmeyer fordert die Länder mit hohen Schuldenständen auf, endlich damit zu     beginnen, ihre Finanzen in Ordnung zu bringen.
       EU-Kommissionspräsident Jacques Santer verlangt von den Finanzministern, die gute     konjunkturelle Situation zum Abbau der Haushaltsdefizite und der Gesamtverschuldung zu     nutzen, statt die Ausgaben zu steigern.
       EU-Währungskommissar Yves-Thibault de Silguy nimmt sich konkret Belgien und Italien     vor, die offenkundig entschlossen scheinen, ihre Schuldenpolitik munter fortzusetzen.     Statt der angekündigten Reduzierung seines Haushaltsdefizits auf 52 Milliarden DM     vergrößert z. B. Rom das italienische Haushaltsloch auf 60 Milliarden. In Frankreich,     Portugal und Österreich, so der EU-Kommissar, ist ebenfalls kein Abbau der     Haushaltsdefizite zu erkennen.
       EZB-Präsident Wim Duisenberg schließlich droht offen mit "einer harten     geldpolitischen Gangart", falls die gute Konjunktur nicht zur Konsolidierung der     öffentlichen Finanzen genutzt werde. Duisenberg wörtlich: "Ich habe den     Finanzministern die Gelbe Karte gezeigt."
       Daß Deutschland von der Kritik verschont wurde, ist gewiß ein Lob für Waigels     Konsolidierungspolitik, jedoch kann uns dies nicht beruhigen, denn das waghalsige     Währungsexperiment hat nur dann eine Chance zu gelingen, wenn alle Mitgliedsstaaten der     Währungsunion konsequent auf Stabilitätskurs fahren und diesen Kurs auch künftig     halten.
       Duisenberg kann erst 1999 in seine geldpolitische Waffenkammer greifen. Ob seine Waffen     wirksam genug sind, die Euro-Staaten auf Stabilitätskurs zu zwingen, ist völlig     ungewiß. Sollte der Euro scheitern, zahlt Deutschland die größte Zeche. Unser     nationales Interesse gebietet es daher, Duisenberg mit aller Kraft zu stützen und für     ihn Bündnispartner zu mobilisieren, auch wenn das an der Seine und am Tiber Ärger     einbringen sollte.
        
 
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