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Jetzt geht s los - oder?

 
     
 
Natürlich gab es, wie an Wahltagen in Deutschland so üblich, (fast) nur Sieger: Die SPD feierte Kurt Beck mit seiner absoluten Mehrheit in Mainz und ließ auch Verliererin Ute Vogt in Stuttgart fröhlich mitjubeln. Die sich Linkspartei nennende PDS fiel in Magdeburg in wahre Begeisterungstaumel und vergaß darüber die Schlappen im Westen. Die Grünen schwankten zwischen schlichtem Ignorieren der Wahlergebnisse und der kühnen Fehlinterpretation, das Wählervotum weise irgendwie auch auf die Wichtigkeit grüner Themen hin. Schwerer taten sich die Liberalen. Sie mußten schon tief in ihre Parteigeschichte abtauchen, um Vergleichszahlen zu finden, die schlecht genug waren, um über das Ausscheiden aus zwei Landesregierungen hinwegzutrösten. Die CDU schließlich konnte sich gleich mehrfach freuen: Ihre beiden Ministerpräsidenten wurden mit passablen Mehrheiten im Amt bestätigt, die Stimmzettel wurden nicht zum Strafzettel für Angela Merkel
, und Christoph Böhr zeigte Charakterstärke, indem er ohne Umschweife seine Niederlage eingestand, die alleinige Verantwortung übernahm und durch sofortigen Rücktritt seiner Partei quälende Personaldiskussionen ersparte. Ein Politiker, der unmittelbar nach den ersten zuverlässigen Ergebnissen sich selbst zum Verlierer erklärt und gar nicht erst versucht, noch irgendetwas schönzureden - wann hat man das in Deutschland zuletzt erlebt?

Seit diesem letzten Märzsonntag gilt auch nicht mehr die bequeme Ausrede, man könne wegen der Wahlen die heißen Reformeisen noch nicht anpacken. Nein: Jetzt gehts los, heißt die Devise. Kanzlerin und Gesundheitsministerin signalisierten: Wir haben verstanden! Und packten unverzüglich das besonders heiße Eisen Gesundheitsreform an. Die Zeit wird zeigen, wer sich möglicherweise daran die Finger verbrannt hat und das Projekt nach kurzem, aber heftigem Reformeifer wieder aufs Eis legt.

Bis auf weiteres aber herrscht eitel Freude in der Republik. Es rührt sich was an der Reformfront, die Wahlen sind vorbei, und viele fühlen sich als Sieger. Wenn da nicht die Wahlbeteiligung wäre. Im Westen lagen die beiden traditionellen Volksparteien gerade mal halbwegs gleichauf mit der neuen "Volkspartei" der Nichtwähler. In Sachsen-Anhalt gab es gar einen gesamtdeutschen Negativ-Rekord; nicht einmal jeder Zweite wollte von seinem Wahlrecht Gebrauch machen.

Ist es wirklich erst 16 Jahre her, daß in den Städten der DDR, auch in Magdeburg, mutige Menschen auf die Straße gingen und "Freie Wahlen" forderten? Es wäre zu billig, diesen 57 Prozent Nichtwählern Undankbarkeit vorzuwerfen gegenüber den "Wessies", die sie 1990 mit Einheit und "Freiheit" beglückt hatten. Stattdessen sollten alle - nicht nur die Politiker - intensiv darüber nachdenken, wie groß wohl die Enttäuschung über die vielen leeren Versprechungen, aber auch über die vielen unerfüllbaren, weil utopischen Erwartungen sein muß. Juliane Meier

So hat man den Palast der Republik noch nie gesehen, und so wird man ihn auch nie mehr sehen: Das sozialistische Architekturmonstrum im Herzen der Hauptstadt fällt in diesen Tagen der Abrißbirne zum Opfer. Doch allen, die sich für den Erhalt des Trakts mit dem Volkskammersaal engagieren, können wir Hoffnung machen: Laut bauamtlicher Beschilderung erleben wir hier keinen Abriß, sondern nur einen "selektiven Rückbau". Leider hat uns bislang niemand verraten, was sich hinter dem Begriff "selektiv" verbergen könnte - ein Rest von Geschichtsbewußtsein oder doch nur ein neuer Versuch in Richtung "DDR-Nostalgie"
 
     
     
 
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