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Kampf gegen Frau Gicht

 
     
 
Einen Kurschatten wird er kaum gehabt haben, der junge König, der im Mai/Juni 1744 und 1746 in Bad Pyrmont weilte. Die Annehmlichkeiten eines Kurbades aber hat Friedrich der Große (1712-1786) weidlich genossen. Relativ zurückgezogen wohnte der König im Gartenhaus des sogenannten Orthgies schen Hauses in der Brunnenstraße. Begleitet wurde er beim ersten Mal von etwa 40 Personen - Freunde, Beamte
und Musiker. Bei der zweiten Reise waren in seiner Begleitung schon über 100 Mitglieder des Hofstaates. Unter der Obhut des angesehenen Pyrmonter Brunnenarztes Johann Philipp Seip wollte Friedrich vor allem seine schmerzhaften Gichtanfälle und eine weitere Stoffwechselkrankheit, die Porphyrie, lindern. Fett- und eiweißreiche Ernährung führten zu immer wieder auftretenden Koliken und Anfällen. Auch wird die besonders scharfe Kost ("so hitzig und so würzhaft, daß es schien, als sei sie in der Hölle gebacken"), die der König überaus schätzte, nicht zur Heilung beigetragen haben. 1759 klagte er schließlich: "Frau Gicht ist nach und nach durch meinen Körper gewandert ... Nur mein Kopf ist verschont geblieben."

Pyrmonter Brunnen war bei den Hohenzollern bereits seit dem Großen Kurfürsten ein Begriff. Und schon 1740 schrieb Friedrich an den Philosophen Voltaire, mit dem ihn eine Freundschaft verband: "Ich stehe um 4 Uhr auf, trinke bis 8 Uhr Pyrmonter Brunnen, schreibe bis 10 Uhr, lasse bis Mittag Regimenter exerzieren, schreibe bis 17 Uhr und erhole mich des Abends bei guter Gesellschaft." Allein diese wenigen Zeilen lassen erkennen, wie sehr der König im Spannungsfeld zwischen Pflicht und Neigung lebte. Ein Konflikt, mit dem er sich schon zur Jugendzeit auseinandersetzen mußte, man denke nur an die "Affäre Katte". Wie Friedrich der Große den Tag in Bad Pyrmont verbrachte, erfährt man durch äußerst interessante Spitzelberichte der hannoverschen Regierung, die auf Anweisung der Londoner Regierung täglich über die Aktivitäten des prominenten Badegastes informierten, schließlich befand man sich mitten im zweiten Schlesischen Krieg.

Unerhörte Disziplin und Selbstbeherrschung prägten den Charakter Friedrichs. Von Schonung war auch im Alter keine Rede: "Meine Methode, mich einzurichten, bleibt immer dieselbe. Je mehr man sich verwöhnt, desto schwächer und empfindlicher wird der Körper. Mein Metier verlangt Arbeit und Tätigkeit. Mein Körper und Geist müssen sich ihrer Pflicht anbequemen. Es ist nicht nötig, daß ich lebe, aber wohl, daß ich handle, dabei habe ich mich immer sehr wohl befunden." Und: "Ich will bis zum letzten Moment meine Pflicht als König tun!"

Hier der erste Diener seines Staates, da der Flötenspieler von Sanssouci. Eine Ausstellung im Schloß Bad Pyrmont, Schloßstraße 13, 31812 Bad Pyrmont, zeichnet noch bis zum 5. September das Lebensbild des Preußenkönigs zwischen Pflicht und Neigung nach (dienstags bis sonntags 10-17 Uhr, Eintritt 5 Euro). In der ehemaligen barocken Sommerresidenz der Fürsten zu Waldeck und Pyrmont wird nach Zar Peter dem Großen und der Königin Luise nun mit Friedrich dem Großen eines dritten prominenten Kurgastes gedacht. In allen drei Etagen des Schlosses findet man kostbare Exponate aus öffentlichen und privaten Sammlungen, die Einblicke in das private und das öffentliche Leben des Preußenkönigs gestatten. So ist der "Salon des Fürsten" der Familie und der Erziehung zum Regenten gewidmet, während im "Tischbeinsaal" der Freundeskreis vorgestellt und Friedrichs Vorliebe für Philosophie und die Künste hervorgehoben wird.

In einem Kabinett schließlich wird seine Liebe zur Flötenmusik thematisiert. Auch Friedrich als Bauherrn begegnet man, nicht zuletzt durch Architekturskizzen aus seiner Hand. Kostbare Gläser und Porzellane, Silbergeschirr, Tabakdosen und Tabatieren lassen den Lebensstil am Hof erahnen. Natürlich widmet sich ein Raum auch ganz dem Gesundheitszustand des prominenten Kurgastes und dokumentiert seine Krankheiten und seine Beziehung zu den Ärzten. In der dritten Etage schließlich wird das Nachleben des großen Preußenkönigs gewürdigt. Auch hier wird deutlich, wie sehr Friedrich zwischen Pflicht und Neigung gelebt hat.

Zur Ausstellung ist im Rahmen der Monumente-Publikationen der Deutschen Stiftung Denkmalschutz ein Aufsatzband (176 Seiten, zahlreiche zumeist farbige Abbildungen, gebunden, 17,40 Euro) erschienen, in dem versierte Historiker Themen der Ausstellung aufarbeiten. Autoren des äußerst geschmackvoll gestalteten Begleitbandes sind Rainer Falk, Hermann Engel, Hans-Joachim Giersberg, Titus Malms, Arndt Jubal Mehring, Martina Weinland, Jürgen Ziechmann. Eine Fundgrube für alle Freunde der preußischen Geschichte. Peter van Lohuizen

Muster an Selbstdisziplin: Auch bei seiner Kur stand der König schon um vier Uhr morgens auf. /font>

 
     
     
 
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