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Konjunkturen

 
     
 
Friedrich der Große meinte am Ende seines wechselvollen staatsmännischen Wirkens sarkastisch: "Die Welt ehrt nur die Bastarde de Midas." Gemeint war jener sagenhafte phrygische König, dem bekanntlich Eselsohre wuchsen, weil er den Gesang des Apollo verschmähte. Natürlich wußte dieser lebensklug Preuße über die doppelbödige Praxis politischer Ehrungen bestens Bescheid. Wer immer in politischen Europa ausgezeichnet wurde, mußte keinesfalls die Ehrung verdient haben, e konnte augenblicklichen Konstellationen und Konjunkturen dienen. Als bekannt wurde, da Günter Grass
den Nobelpreis für Literatur erhält, schrieb Tilmann Krause in de "Welt" anderntags: "Es trifft den Falschen." Dies festzustellen hieß zugleich auch den Richtigen zu kennen, zumindest der Meßlatte nachzuspüren, die au Autoren Zelebritäten macht.

Gilt also das künstlerische Element bei solchen Entscheidungen, oder eher da politische? Ein Vergleich legt die Vermutung nahe, daß das Politisch-Volkspädagogisch bestimmend zu sein scheint. Blicken wir 27 Jahre zurück auf den Preisträger Böll: Wer Hand aufs Herz, holt heutigentags noch die "Ansichten eines Clowns" aus de Bücherschrank? Allzusehr roch Bölls Schaffen nach karger politischer Taglöhnerei, ni nach künstlerischem Enthusiasmus.

Gilt dies auch für Grass? Nein. Kein Zweifel, der gebürtige Danziger schuf mit de Helden seiner "Blechtrommel", Oskar Matzerath, eine Figur, die alle Chance besitzt, beliebige künstlerische Ebenen zu betreten. Wie erinnerlich, weigert sich Oska angesichts der Zustände dieser Welt weiterzuwachsen; er entwickelt seine Perspektive "von unten", indem er auf das Treiben der da "oben" , der Erwachsenen schaut. Eingebettet in dessen Sicht rückt im Fortgang des Romans die Entwicklung de unter der unsicheren Kuratel des Völkerbundes stehenden Stadt Danzig bis hin zu einer de größten Katastrophen unseres Volkes: der Vertreibung und Zerstörung des deutsche Ostens. Stoff für himmelstürzende Werke, Chronisten und Zeitgenossenschaft, auch fü Nobelpreise.

Doch als es 1959 trommelte, blieb Grass ein breiteres Echo gerade auch von den Vertriebenen weithin versagt. Dies lag nicht daran, daß gleichsa "positive" polnische Figuren auf seine "Blechtrommel" schlugen, die konnten selbstverständlich auch Vertriebene nachvollziehen, sondern daß das Geschehe nicht authentisch erschien. Nun muß Kunst keineswegs die Maßstäbe der Histori erfüllen, also "beschreiben wie es war" (Leopold v. Ranke). Sie kann de Phantasie breitesten Raum geben, ja ihn ganz ausfüllen, aber sie darf nicht mi politischen Ansprüchen daherkommen. Tut sie dies, so erweckt sie sofort den Anschei politischer Propaganda, bei der das Beiwerk zur bloßen Dekoration für praktisch Zielsetzungen verkommt.

In der Tat wurde die "Blechtrommel" seinerzeit gelegentlich der Pornographi bezichtigt, die in prüder Adenauerzeit nur magnetische Funktion für trübe politisch Absichten zu erfüllen gehabt hätte. Friedrich Sieburg wollte in der Prosa von Grass nu "Unappetitlichkeiten" erkennen. Bedeutsamer als dies aber bleibt freilich die Wirkung von Literatur im Sinne dichterischer Phantasie auf die politische Wirklichkeit.

Der unlängst verstorbene Publizist Johannes Gross warf in den siebziger Jahren de deutschen Volk vor, angesichts der fortdauernden Teilung nicht einmal einen Phantomschmer gelten zu lassen; er wurde im Trommelfeuer der Propaganda übertönt. Und es war das Wer der moralisch politisierenden Literatur und der "künstlerisch" daherkommende Filme, die diese Narkotisierung mit kaltem Verstand und Sinn für falsches Gefüh vornahmen. Diese Wirkung ins Politische traf um so nachhaltiger, je mehr Kenntnisse übe historische Sachverhalte durch plakative Sichten von "unten" und insbesonder von "außen" ersetzt wurden.

Man weiß bis heute nicht genau, warum Grass 1957, in eisige Kalte-Kriegs-Zeit, zudem noch ein Herr Nemo und ohne Reverenzen (oder doch?) ausgerechnet nach Warschau fuhr, um dort über Danzig zu recherchieren. Aber denkwürdi genug, er traf dort auf den Kapitän des polnischen Geheimdienstes Marcelli Reich, der un Gegenwärtigen besser als Literaturkritiker Reich-Ranicki bekannt geworden ist. Arnul Baring schrieb darüber, daß Reich-Ranicki Grass damals eher wie "ein bulgarische Agent" vorkam.

Im großen Orchester der Nachkriegszeit klang ohnehin nur das Tremolo eine "magischen Realismus" auf, das moralisch zum Zuhören nötigte, ohne j Erwartungen einzulösen. Die Magie der vermeintlichen Erneuerung erwies sich als da uralte Würfelspiel von der Macht
 
     
     
 
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