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Lehrer sind Päderasten

 
     
 
Trifft man eine Aussage für alle Elemente einer Menge, so gilt diese Aussage für jedes einzelne Element der betrachteten Menge. Wenn man sagt: Quadrate haben vier gleich lange Seiten, dann meint man: Jedes einzelne Quadrat – egal ob groß oder klein – vier gleich lange Seiten. Man meint: Ein Viereck mit unterschiedlich langen Seiten ist kein Quadrat. Wenn man sagt: Die Insassen des Flugzeuges kamen beim Absturz ums Leben, so meint man: Jeder einzelne ist tot. Man meint den einzelnen, indem man die Allgemeinheit nennt, in der er sich befindet.

Dies sind grundlegende Eigenschaften der Aussagelogik, auf denen jede menschliche Sprache – insbesondere auch die juristische – seit Anbeginn ruht. Die individuelle Deckungsfähigkeit des abstrakten Sachverhalts kannte man schon zur Zeit des Königs Hammurabi im Zweistromland und nutzte sie aus. Die Aussage "Mord ist strafbar" in heutigen Strafgesetzbüchern meint jeden einzelnen Mord.

Das Bundesverfassungsgericht
, eine menschheitsgeschichtlich junge Einrichtung, nahm Abschied von diesem Grundgesetz der Aussagelogik. Mit dem Satz "Soldaten sind Mörder" sei nicht der einzelne Soldat bezichtigt. Dies ist die Prämisse, noch weitere kommen hinzu, und man schließt aus ihnen insgesamt: Diese Behauptung müsse straflos bleiben, sofern nicht aus weiteren Gesichtspunkten eine Strafbarkeit abgleitet werden könne.

Im nun angebrochenen Zeitalter der Geltung neuer aussagelogischer Sachverhalte darf dann wohl auch mit Fug und Recht behauptet werden: "Journalisten sind Hehler", "Lehrer sind Päderasten", "Pfarrer sind Erbschleicher", "Kunden sind Ladendiebe" – und was immer einem an generalisierenden Schmähungen einfällt. Man beleidigt damit ja nicht den einzelnen Journalisten, Lehrer, Pfarrer oder Ladenkunden. Aber – viel weitgehender – gilt: Auch der abstrakte Rechtstatbestand selbst kann dann auf den konkreten Einzelfall wohl kaum angewendet werden. Mit Begriffen wie "Diebstahl" oder "Raub" im Gesetz kann dann schwerlich die einzelne, konkrete Tat gemeint sein. Das ist endlich die Generalabsolution, das Nirwana der Berufsverbrecher.

Diese verheerende Wirkung können die Richter von Karlsruhe kaum gewollt haben. Vielleicht haben auch sie damit nur den Einzelfall gemeint – also der Spruch "Soldaten sind Mörder" ist zulässig, analoge Unterstellungen krimineller Taten aber, bezogen auf andere Berufsgruppen, wären unzulässig.

In einem solchen Freispruch steckt allerdings dann der ganze zur Lebensart geronnene Haß auf jedweden deutschen Staat. Dann erklärt sich auch ein Spezialgesetz zum Schutz der Bundeswehr, das der Deutsche Bundestag in die Ausschüsse verwiesen hatte. Und es erklärt sich, daß sich in der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs einige Volksvertreter an schneidender Geringschätzung des Soldaten schlechthin überboten. Wenn man annimmt, daß dem Soldaten in einer von Liberalität und Wertbeliebigkeit geprägten Zeit die Aufgabe zukommt, den als schmerzlich empfundenen Mangel an Feindbildern abzudecken, dann leuchtet es allerdings ein, wenn der Wunsch entsteht, ausgerechnet der Staat selbst möge dafür sorgen, daß seine Soldaten – und zwar jeder einzelne, gescheit oder dumm, Deutscher oder Ausländer, Koch oder Pilot – zum Mörder erklärt werden kann. Es leuchtet ein, wenn das Gericht die Gesetze der Aussagenlogik in diesem Fall in gottgleicher Weise für ein einziges Mal als ungültig erklärt.

Jedoch: Nicht jedem wird dieser Spruch als ein flammendes Bekenntnis zur Liberalität erscheinen. Eher drängt sich der Verdacht auf, daß hier der Altersschwachsinn einer zu lange von außen behüteten Demokratie am Werk ist.

 

(Vor den Bundestagswahlen räumt die Redaktion Mitgliedern von Parteien die Möglichkeit zu politischen Stellung- nahmen ein. Der Autor Arnold Vaatz (CDU) ist seit 1992 sächsischer Umweltminister.)

 

 

 
     
     
 
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