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Macht bricht Recht

 
     
 
Es ist eine Farce, das potemkinsche Dorf vom Rechtsstaat Rußland. Präsident Putin weiß es, und alle am Prozeß gegen den Ölkonzern Yukos Beteiligten wissen es auch. Und sie wissen, daß hier ein altes ungeschriebenes Gesetz, eine allgemeine Erkenntnis wieder Anwendung findet: Macht bricht Recht. In seinem philosophischen Entwurf "zum ewigen Frieden" hat Kant das so ausgedrückt: "Es ist nicht zu erwarten, daß Recht vor der Macht komme. Es sollte so sein, aber es ist nicht so." Die Lösung wäre die Machtteilung, wie etwa Montesquieu, Locke, Hobbes und andere Staatsdenker es forderten. Dieses als Gewaltenteilung in die Geschichte eingegangene und in Europa und Amerika praktizierte Prinzip kennt das größte Land der Erde, Rußland, nur in Ansätzen. Hier herrschte fast immer die Macht des Einzelnen oder einer Clique. So ist es auch beim Geheimdienstler Putin und man kann sogar konstatieren, daß das Riesenreich unter Jelzin der Demokratie näher war als unter dem jetzigen Herrscher aus den Kellern des KGB.

Der Yukos-Konzern ist am Boden. Es kümmert Putin nicht, daß rund 100.000 Menschen Arbeit und somit ihr Einkommen verlieren. Er will die Struktur und das Geld. Richter und Geschworene sind Büttel der Exekutive. Wie zu Sowjetzeiten wird die Telefonjustiz ausgeübt, man sagt dem Richter, wie das Urteil auszusehen hat. Am anderen Ende der Leitung sitzt jemand im Kreml oder in der Zentrale des Geheimdienstes. Es gibt eine ganze Reihe von Beispielen, die belegen, daß die Willkür in Putins Reich um sich greift. Anwälte, Industrielle, Wissenschaftler - wer sich nicht beugt, verschwindet in Haft. Manche müssen für 15 Jahre in verschärfte Lagerhaft, wie der Medienfachmann Sutjagin, dem man Spion
age vorwarf. Der Archipel GULag taucht aus Putins Nebel wieder auf.

Die Skrupellosigkeit des Regimes Putin wird schon seit Jahren in Tschetschenien sichtbar. Aber der Westen schweigt. Europa schweigt auch zum Fall Yukos. Zum ersten Mord an einem ausländischen Journalisten, dem Chef der russischen Ausgabe von Forbes, Paul Klebnikow, ergeht man sich sogar in mafiösen Spekulationen. Niemand weiß, in wessen Auftrag Klebnikow erschossen wurde. Irgendwann wird der russische Geheimdienst einen Täter präsentieren, der Justiz zuführen und damit Rechtsstaatlichkeit demonstrieren. Das wird die Investoren im Westen dann beruhigen.

Bundeskanzler Schröder hingegen scheint beruhigt. Er hat bei seinem jüngsten Besuch das deutsch-russische Projekt einer Gaspipeline bis zur deutschen Ostseeküste unter Dach und Fach gebracht. Partner der Deutschen ist der halbstaatliche Energieriese Gazprom. Ferner sind enge russisch-deutsche Kooperationen in den Bereichen Luft- und Raumfahrt, Automobil- und Informationstechnologie geplant. Mit Putin läuft das Geschäft, da gibt es keine lästigen Gremien oder widerborstige Manager. Und wenn doch, dann verschwinden sie nach einer Weile. Daß Europa sich mit dieser Haltung selber verrät, das kann nur dem einsichtig sein, der an das Primat des Rechts und den Segen der Gewaltenteilung glaubt. Schröders Haltung läßt da Zweifel aufkommen.

 

Im Polizeigewahrsam: Dem ehemaligen Yukoschef und Putinkritiker Chodorkowski wird der Prozeß gemacht.

 
     
     
 
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