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Der Krieg ging weiter

 
     
 
Am 28. Juni jährt es sich zum 80. Male, daß der erste Abschnitt des – um eine Diktion der britischen Premierminister Winston Churchill und John Majo aufzugreifen – "Dreißigjährigen Krieges" gegen Deutschland mit de Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrages abgeschlossen wurde.

Im Spiegelsaal des Schlosses zu Versailles, den die Sieger ausgesucht hatten als historischen Ort, an dem 1871 das Deutsche Reich
proklamiert worden war, mußte Reichsaußenminister Hermann Müller (SPD) und Reichsjustizminister Johannes Bel (Zentrumspartei) den Vertrag unterschreiben, der, da es keinerlei Verhandlung gab, sonder die Deutschen nur zum Befehlsempfang antreten durften, gemeinhin und korrekt als "Diktat" bezeichnet werden muß.

Die Bedingungen, welche die Alliierten in 440 Artikeln bis ins Penibelste festgeleg hatten, waren teilweise von absurder Rigorosität, ja Brutalität. Daß der Vertra keineswegs gedacht war als Beendigung des Krieges, mag auch daraus hervorgehen, daß die Bundesrepublik Deutschland, was kaum jemand weiß, noch immer indirekt Reparationen an die damaligen Siegerstaaten zahlen muß. Dabei geht es um Anleihen, die Deutschland in de Zeit der Weimarer Republik im Ausland aufnehmen mußte, um die fälligen Reparationen a die Sieger überhaupt aufbringen zu können. Man hatte die daraus entstandene Zinsrückstände im Londoner Schuldenabkommen 1953 mit Rücksicht auf die Gebietsverlust Deutschlands bis zur Wiedervereinigung zurückgestellt. Mit dem 3. Oktober fiel die Rückstellung fort, so daß die Bundesrepublik nun zahlen muß.

Das Friedensdiktat von Versailles war in damaliger Zeit einmalig. Dergleiche Friedensverträge hatte es jedenfalls in der Neuzeit noch nie gegeben. Im Mittelpunkt un von den Deutschen als besonders schimpflich empfunden stand die Behauptung der Sieger (un auf der Siegerseite fanden sich nicht nur die USA, Großbritannien, Frankreich, Japan Italien, sondern noch weitere 23 Staaten wie Guatemala, Haiti, Honduras, die, wie ander kleinere Staaten, von den Westmächten gezwungen worden waren, Deutschland den Krieg zu erklären), daß allein Deutschland und seine Verbündeten für den Krieg verantwortlic seien und daß sie daher "für alle Schäden und Verluste verantwortlich sind, die die Verbandsmächte und ihre Staatsangehörigen infolge des Krieges, der ihnen durch de Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungen wurde, erlitten haben" eine These, die heute von keinem ernstzunehmenden Historiker auf der ganzen Welt meh vertreten wird, die damals aber das Deutsche Reich, das die Waffen bereits niedergeleg hatte, unterschreiben mußte. Auf dieser "Kriegsschuldlüge" beruhten all Bestimmungen des Vertrages über die Wiedergutmachungsverpflichtungen des Deutsche Reiches.

Deutschland mußte, ohne daß die Bevölkerung in Volksabstimmungen befragt wurde Elsaß-Lothringen (an Frankreich), den Großteil der Provinzen Posen und Westpreuße sowie kleinere Teile Ostdeutschlands und Mittelschlesiens (an Polen), das Weichseldelta mi Danzig (als eigenständiger Freistaat unter dem Schutz des Völkerbundes) und Ostpreuße nördlich der Memel (wird an die alliierten Hauptmächte abgetreten und 192 vertragswidrig von Litauen annektiert) abtreten. Die gesamten deutschen Kolonien wurde dem Völkerbund übergeben, der sie weiterreichte an die Hauptsiegermächte. Da Saargebiet wurde ebenso abgetrennt und dem Völkerbund unterstellt; nach Ablauf von 1 Jahren sollte die Bevölkerung entscheiden, zu welchem Staat sie gehören will (193 bekannte sie sich mit überwältigender Mehrheit zu Deutschland).

Das Eigentum an den Kohlengruben des Saarbeckens wurde an Frankreich gegeben. Die Kreise Eupen und Malmedy gelangen nach Scheinabstimmungen an Belgien. Obwohl sich über 6 Prozent der Bevölkerung Oberschlesiens für den Verbleib bei Deutschland aussprechen wird der Osten mit den größeren und wertvolleren Teilen der Erz- und Kohlelager zu Pole geschlagen. Nordschleswig entscheidet sich mehrheitlich für Dänemark, während die Bevölkerung Mittelschleswigs mit dem Zentrum Flensburg mit großer Mehrheit fü Deutschland stimmt. In Teilen Ost- und Westpreußens stimmt ebenfalls ein überwältigende Mehrheit für den Verbleib bei Deutschland.

Dem Deutschen Reich und Österreich wurde verboten, sich zusammenzuschließen, obwoh sich die Parlamente beider Länder für eine Vereinigung aussprachen.

Eine feste Größe der von Deutschland zu zahlenden Reparationen wird nicht festgelegt Eine Reparationskommission aus den wichtigsten Siegermächten sollte die Höhe und de Tilgungsplan der Zahlungen anordnen und die Leistungsfähigkeit Deutschlands dauern überwachen. Ohne Anrechnung auf das Reparationskonto sollten Kriegszerstörungen alle Art von Deutschland bezahlt werden. Besonders infam war die Forderung, Deutschland soll 140 000 Milchkühe ausliefern in einer Zeit, in der Großbritannien die Hungerblockade über Deutschland aufrechterhielt. Die deutsche Handelsflotte mußte fas ganz den Siegermächten ausgeliefert werden. Privates deutsches Vermögen im Gebiet de bisherigen Feindmächte wurde als verfallen erklärt. Die Flüsse Elbe, Oder, Memel, Dona und Rhein wurden für international erklärt und europäischen Ausschüssen unterstellt.

Deutschland mußte abrüsten. Ganz und gar verboten wurden Flugzeuge, Panzer, U-Boot und schwere Artillerie. Die Stärke des deutschen Heeres durfte künftig 100 000 Man nicht überschreiten. Die Höchstzahl der Mannschaften für die Kriegsmarine betru 15 000 Mann. Luftstreitkräfte wurden Deutschland überhaupt verboten. Die allgemein Wehrpflicht wurde Deutschland untersagt, der Generalstab mußte aufgelöst werden Befestigungen der deutschen Grenzen wurden verboten; in weiten Gebieten an der Grenze zu Frankreich durfte (in Deutschland!) kein deutsches Militär stehen, so beispielsweis nicht in Köln und Frankfurt am Main. Die von den Feindmächten verlangte Auslieferung de "Kriegsverbrecher" – das war fast die gesamte deutsche Führung, angefange beim Kaiser – konnte nicht durchgesetzt werden; Deutschland war sich in der Ablehnun einig.

Zwar unterbreitete die Reichsregierung den in Versailles versammel- ten Siegermächte Gegenvorschläge, doch gab es keinerlei Verhandlungsspielraum. Sie wurden vom Tisc gewischt. Deutschland wurde eine kurze Frist gesetzt, um den Vertrag unverändert zu unterschreiben. Andernfalls wurden schärfste Strafmaßnahmen angedroht.

Als der Inhalt des Versailler Vertrages in Deutschland bekannt wird, schlagen die Wellen der Erregung hoch, und zwar in allen politischen Lagern, von ganz links bis gan rechts. Die einzige Ausnahme: die Unabhängige Sozialdemokratische Partei, ein linksextreme Abspaltung der SPD, die nur minimale Wahlerfolge haben sollte und später zu Teil in der SPD, zum Teil in der KPD aufgeht. Alle anderen sind sich einig: Dieser Vertra ist der Untergang Deutschlands. Er darf nicht unterschrieben werden!

Im Mai 1919 finden in Berlin sozialistische Massendemonstrationen als Protest gegen da Diktat statt, das von Rednern als "Frieden gegen den deutschen Sozialismus" bezeichnet wird. Der damals führende Sozialdemokrat Friedrich Ebert in seiner Rede "Wir wären würde- und ehrlos, wenn wir das unterschreiben würden; es wäre ein Versündigung an der deutschen Arbeiterschaft, deren Entwicklung dadurch um Jahrhundert zurückgeworfen werden würde. Wir lehnen darum ab, komme was da kommen mag."

Die Deutsche Nationalversammlung trat am 12. Mai 1919 zu einer besonderen Sitzun zusammen, um mit einer einmütigen Kundgebung aller Parteien, also auch der linken, gege die "Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln", als die sie das Versaille Diktat ansahen, in schärfster Form zu protestieren. Sie wies die Zumutung, dem Dikta freiwillig zuzustimmen, als "feige und ehrlos" zurück. Und Gustav Scheideman (SPD), erster Ministerpräsident der Weimarer Republik, erklärte namens de Reichsregierung: "Der schauerlichste und mörderische Hexenhammer, mit dem eine großen Volk das Bekenntnis der eigenen Unwürdigkeit, das Einverständnis mit Versklavun und Helotentum abgepreßt und erpreßt werden soll, dieses Buch (der Friedensvertrag) dar nicht zum Gesetzbuch der Zukunft werden. ... Welche Hand müßte nicht verdorren, die sic und uns in diese Fesseln legt. ... Dieser Vertrag ist nach Auffassung der Regierun unannehmbar." Das Protokoll verzeichnet: "Minutenlanger brausender Beifall in Haus und auf den Tribünen; die Versammlung erhebt sich; erneutes stürmisches Bravo un Händeklatschen." Der liberale Abgeordnete Hausmann rief: "Dieser Vertrag is eine neue Form langsamer Folterung eines ganzen Volkes." Der Zentrumspolitike Fehrenbach sagte am Ende der Sitzung: "Der heutige Tag ist eine machtvolle einheitliche, geschlossene Kundgebung der ganzen deutschen Volksvertretung gegen de Gewaltfrieden, den man uns diktieren will. ... Den Frieden können wir nich annehmen!" Und er prophezeite hellsichtig, würde das Deutsche Reich gezwungen, de Vertrag zu unterschreiben, dann werden "unsere Kinder mit dem Willen erzogen werden nicht nur die Hand zur Faust zu ballen, sondern die Sklavenketten zu brechen, die Schmac abzuwaschen".

Tatsächlich waren sich die Siegermächte nicht sicher, ob Deutschland de unglaublichen Vertrag unterzeichnen würde. Es gab zunehmend Stimmen, die intern zu Zugeständnissen bereit gewesen wären.

In Deutschland aber breitete sich Zaghaftigkeit aus. Man fürchtete, daß die Siegermächte die Kampfhandlungen wieder aufnehmen würden; Deutschland aber wäre dan kaum zum Widerstand in der Lage gewesen, da man im vorhinein die Waffen niedergelegt hatt und da zudem die kommunistischen Revolutionsversuche das Land lähmten.

Die Reichsregierung unter dem Sozialdemokraten Scheidemann trat aus Protest zurück Die neu gewählte Regierung aber sah sich gezwungen, die Unterschrift zu leisten.

Das änderte nichts daran, daß sich in Deutschland alle politischen Kräfte in de Abwehr der Vertragsbedingungen einig waren. Vor allem de "Kriegsschuldparagraph" stieß auf wütende Ablehnung.

Am 25. Oktober 1923 sagte in Hagen der zur nationalliberalen Deutschen Volksparte (DVP) gehörende Reichskanzler Stresemann: "Wenn man aus klar erkennbaren Gründen in Frankreich immer wieder den Versuch macht, Deutschland allein die Schuld am Weltkrie aufzubürden, so weise ich diese Kriegsschuldlüge mit aller Entschiedenhei zurück." 1925 schrieb im "Kalender des Arbeitsausschusses deutscher Verbänd für Freiheit und Ehre" Reichspräsident Ebert (SPD): "Nur zur Verteidigun unserer bei-der deutschen Heimat hat Deutschland vor zehn Jahren die Waffen ergriffen. I diesem Bewußtsein haben wir den langen Krieg geführt ..." Am 29. August 192 widerrief die deutsche Reichsregierung die erzwungene Kriegsschuld-Anerkennung. Am 30 Januar 1925 erklärte der liberale Reichskanzler Hans Luther: "Die wahr Verständigung und Versöhnung zwischen den Völkern kann nicht vollendet werden, solang ein einzelnes Land zum Verbrecher an der Menschheit gestempelt wird und sich nicht da ganze Ausland von der Unrichtigkeit der Anklagen überzeugt, das deutsche Volk habe durc seinen Angriff den Weltkrieg entfesselt."

Die Reihe solcher Stimmen ließe sich beliebig verlängern; alle deutschen Regierungen alle Parteien waren sich einig in der Ablehnung. Weil aber Deutschland politisch un militärisch ohnmächtig war, konnte niemand die Revision des Vertrages durchsetzen.

Die Reichsregierungen unterstützten Bestrebungen der Wissenschaft, die Behauptung vo der deutschen Alleinschuld zu widerlegen. Damals hatte man erkannt, daß die Beschuldigungen des kaiserlichen Deutschlands genau so die Deutschen trafen, die sic nunmehr eine demokratische Staatsform geschaffen hatten.

Diese Demokratie brach schließlich nicht zuletzt unter der Last der Reparationen un der permanenten Beschuldigungen zusammen.

Inzwischen ist es Allgemeingut bei allen Klarsichtigen geworden, daß es ohne de Versailler Vertrag in dieser Form keinen Zweiten Weltkrieg gegeben hätte
 
     
     
 
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