|  | Die     Anfänge für die Planung eines "Tannenberg- Nationaldenkmals" gehen zurück auf     eine Feier zum 5. Jahrestag der Tannenberg-Schlacht (31. August 1919), die der Ostdeutsche     Heimatdienst auf dem Feld von Sauden bei Hohenstein organisierte ("Die     Grundsteinlegung für das Tannenberg-Nationaldenkmal und die Gründung des     Tannenberg-Nationaldenkmal-Vereins"). Die Teilnehmer äußerten danach den Wunsch zur     Errichtung eines Denkmals, was zur Berufung eines Denkmal-Ausschusses führte. Der     Vorsitzende des Provinzial-Kriegerverbandes, Generalmajor a. D. Kahns (der übrigens kein     Tannenberg-Veteran war), übernahm den Vorsitz. 1925 wandelte man den Ausschuß in den     Tannenberg-Nationaldenkmal-Verein (TNDV) um. Bemerkenswert ist, daß der Ausschuß zum 10.     Jahrestag der Schlacht die Grundsteinlegung für ein Denkmal in Sauden durchführte, ohne     eine Vorstellung über Form, Größe, Umfang und Kosten zu haben  und das alles ein     knappes Jahr nach Ende der verheerenden Inflation. Diesem Mangel half der TNDV durch     Ausschreibung  eines Wettbewerbs ab. Dieser Wettbewerb ist denn auch Gegenstand einer     eingehenden Untersuchung, angefangen von der Zusammensetzung des Preisgerichts, den     Wettbewerbsbedingungen, über die eingereichten Entwürfe und Urteile der Jury, der     detailreichen Beschreibung des preisgekrönten Entwurfs der Berliner Brüder Krüger, bis     hin zu den Angriffen auf den Wettbewerb selbst, die geradezu in eine Kampagne in der     Architektenzeitschrift "Stadtbaukunst in alter und neuer Zeit" ausartete und     schließlich 1926 vor einem Ehrengericht des Bundes Deutscher Architekten (BDA) landete.     Der Streit, der dann nicht nur um den Wettbewerb ging, sondern sich auch auf die Brüder     Walter und Johannes Krüger ausweitete, endete erst 1929 durch den Schriftleiter jener     Zeitschrift, den Berliner Architekten Möhring. Viele Abbildungen der preisgekrönten     Entwürfe geben eine gute Vorstellung der unterschiedlichen Intentionen der     Denkmalsarchitektur jener Zeit. 
 Das Preisgericht hatte 1925 über 389 Beiträge von 352 Bewerbern zu entscheiden, wozu     man die Halle I der Königsberger Ostmesse (nicht "Ostseemesse", wie der Autor     Seite 33 behauptet) benutzte.
 
 Buchstäblich ein Kapitel für sich war die "Finanzierung" des Projekts. Zwar     war die Grundstücks- und damit die Standortfrage durch die großzügige Schenkung von     Grund und Boden der Stadt Hohenstein an den TNDV gelöst, aber keineswegs die     Baufinanzierung. Bei weitem reichten die Spenden aus den Reihen der ostdeutschen     Veteranen dafür nicht aus. Der Plan für eine öffentliche Sammlung in Preußen wurde mit     Hinweis auf die angespannte allgemeine wirtschaftliche Lage vom zuständigen Ministerium     abgelehnt, dagegen ein Jahr später genehmigt, wie auch sämtliche deutschen     Länderregierungen sowie der deutsche Städtetag sich damit einverstanden erklärten. Ohne     Angabe einer Quelle vermutet Tietz eine direkte oder indirekte Einflußnahme des     Ehrenvorsitzenden des TNDV, Reichspräsident v. Hindenburg, die diesen Sinneswandel     hervorgerufen hätte (S. 45). Daß diese Mutmaßung ohne Substanz ist, läßt sich an     Hindenburgs Haltung in der Reichsehrenmal-Frage leicht ablesen, in der er  trotz     Bewerbung des TNDV für Hohenstein  sich für den Standort Bad Berka entschieden     hatte, wie auch an der Tatsache, daß die politische Unterstützung der preußischen     Staatsregierung durch die Verweigerung der Unterschrift des Ministerpräsidenten Otto     Braun unter den Sammlungsaufruf und auch die Zuwendung größerer finanzieller Mittel für     das Bauvorhaben von seiner Seite ausblieben.
 
 Das Spendenaufkommen ergab eine stattliche Summe, so daß man nicht nur einen Turm,     sondern alle weiteren sieben Türme mit den Umfassungsmauern erstellen konnte. Klar     überschritten waren längst jene im Wettbewerb auf 250 000 Reichsmark begrenzten     Kosten. In der Folgezeit nahmen Spenden, staatliche Zuwendungen, Eintrittsgelder durch die     sich verschlechternde Wirtschaft spürbar ab, so daß der weitere Ausbau langsamer     voranging. Trotzdem war das Interesse am Denkmal nach wie vor deutlich: 1929 waren es     70 000 Besucher gewesen, die in der kurzen Reisesaison von Mai bis September das     Bauwerk anschauten.
 
 Die Einweihungsfeier hatte der TNDV 1926 für den 2. Oktober 1927, den 80. Geburtstag     des Reichspräsidenten (und nicht für den 2. August, wie angegeben. Das war Hindenburgs     Sterbetag 1934), geplant. Durch den guten Zufluß der Geldmittel konnte der Rohbau des     Denkmals schneller ausgeführt werden, so daß die Einweihung auf den 18. September     festgelegt wurde. Die Terminwahl war also nicht "in unmittelbarem Zusammenhang mit     dem 80. Geburtstag des ,Tannenbergsiegers" zu sehen, sondern auch wohl im     Hinblick auf die in Ostdeutschland oft schon früh einsetzenden Frosteinbrüche, die die     Bautätigkeit nicht nur für Tage, sondern im ungünstigsten Fall auch Wochen, im Winter     ohnehin, unterbrechen konnten. Den Höhepunkt der Einweihungsfeierlichkeiten bildete die     Rede Hindenburgs, in der er sich gegen die im Versailler Vertrag verankerte     Alleinkriegsschuld Deutschlands wandte.  Die vielen, meist noch unveröffentlichten     Fotos, durchweg in guter Qualität, vermitteln übrigens einen lebendigen Eindruck in die     damalige Bautechnik: Pferdewagen für den Materialtransport, Holzgerüste, große     Sandsiebe, viele Maurer, aber auch schon ein Motormörtelmischer und für die     Erdbewegungen Kipploren auf Feldbahngleisen.
 
 Die Planung für die Einweihungsfeierlichkeiten war nicht reibungslos verlaufen. Unter     anderem war die Nichtzulassung der Ansprache eines Rabbiners als Vertreter des jüdischen     Frontkämpferverbandes mit "schlecht verhülltem Antisemitismus" und die     Begründung dazu als fadenscheiniges Argument eingestuft (S. 54). Die Akten sagen dazu     etwas anderes aus.
 
 Die Fortführung des Baus, die Sinnstiftung der zentral orientierten Denkmalsanlage mit     ihren Ehrenhallen und Türmen, Vergleiche mit anderen Denkmälern aus dem gleichen     Zeitraum werden in diesem Kapitel erläutert, woraus hervorgeht, wie die Anlage und die     Bedeutung im Laufe der Zeit wechselnde Zuordnungen erfahren. Hier muß man im Zusammenhang     mit dem Fahnenturm, in dem die Fahnennachbildungen der an der Tannenberg-Schlacht     beteiligten Regimenter aufgehängt wurden, einflechten, daß Regimentsfahnen keineswegs     eine kaiserliche, sondern eine alte militärische Tradition haben und das Denkmal kaum dem     "monarchistischen Selbstverständnis der Denkmalgründer" diente, wie es der     Autor behauptete. Spätestens seit der Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten als     Nachfolger Eberts hat das zu einem anderen Verständnis geführt, wenn jene     Denkmalsgründer sich an der "Kultfigur" ihres Denkmals orientierten.     Hindenburgs Verfassungstreue ist erwiesen, ohne dabei seine persönliche Treue zum Kaiser     aufzugeben. An dieser Treue zur Reichsverfassung hatte sich bekanntermaßen auch der     Konflikt zwischen ihm und Ludendorff entzündet (der so weit ging, daß Ludendorff die     Zustimmung zur Aufstellung seiner Büste zusammen mit denen aller kommandierenen Generäle     im Feldherrnturm bis zu seinem Tode verweigerte). Hindenburg wollte die Republik bewahren,     Ludendorff sie stürzen.
 
 Im Kapitel "Castel del Monte oder Stonehenge: motivgeschichtliche Untersuchungen     zum Tannenberg-Nationaldenkmal" werden Vergleiche mit anderen architektonischen     Vorbildern analysiert, die auch andere Denkmäler beeinflußt haben und setzt sich mit den     Intentionen der Architektenbrüder Krüger auseinander.
 
 Ein über 60 Seiten langer Abschnitt befaßt sich mit der "Umgestaltung des     Tannenberg-Nationaldenkmals 1934/35 und ergänzende(n) Baumaßnahmen im Denkmalsbereich     bis 1945". Es ist denn auch wohl mit der wichtigste Teil in der Denkmalsgeschichte     mit der Überführung Hindenburgs 1934, seiner Beisetzung in die Gruft 1935 und den daraus     folgenden Umbauten. Auch hier ist wieder die penible Detailarbeit hervorzuheben, die     jedoch bei historischen und militärischen Einzelheiten erneut ins Schwimmen gerät, bei     politischen Reflexionen mehrfach spekulativ bleiben.
 
 Gerade die Umwidmung des Denkmals zur Grablege für Hindenburg, der auf seine Rolle als     Feldherr "reduziert" worden sei, hat wohl mindestens Bestrebungen behindert,     wenn nicht sogar verhindert, das Monument NS-ideologisch zu okkupieren (S. 85, 125).     Selbst später teilverwirklichte Planungen wie im Ostdeutschlandturm sind noch kein Beweis     für diese Annahmen, zumal der Krieg ohnehin jeden weiteren Fortgang von Vorhaben     behindert hat. Ein weiteres Indiz sind die Flaggen, die 1934 und 1935 den Sarg bedeckten:     war es 1934 bei der Überführung von Neudeck ins Denkmal die Kriegsflagge der Republik,     so 1935 die Kriegsflagge des kaiserlichen Heeres. Warum? Weil zu der Zeit die Kriegsflagge     des Dritten Reichs bereits mit einem Hakenkreuz versehen war
 
 Die Umwidmung des Denkmals vom vereinseigenen Bauwerk solcher Größe und Bedeutung zum     Reichsehrenmal hatte durchaus auch Vorteile. Der TNDV war seine inzwischen doch permanent     gewordenen finanziellen Sorgen los, da das Reich in alle Verbindlichkeiten und Folgekosten     eintrat; die ohnehin immer noch schwebende Reichsehrenmalfrage mit Berka in Thüringen     löste sich auf elegante Weise, die hierfür aufgelaufenen Gelder des Fonds konnten für     Tannenberg verwendet werden. Ob von Hitler die Umwidmung in ein Reichsehrenmal als eine     Drohgebärde nach Osten gedacht wurde, wie Tietz ausführt (S. 127), muß auf dem     Hintergrund des kurz vorher abgeschlossenen Nichtangriffspakts mit Polen und den sich     damit entspannteren Beziehungen (Göring in der Bialowieska zur Jagd!) zwischen beiden     Staaten bezweifelt werden.
 
 "Das  Tannenberg-Nationaldenkmal im Umfeld nachfolgender Memorialbauten     und Repräsentationsarchitekturen" wird im folgenden Kapitel beschrieben, wobei     besonders die Ehrenmäler des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge (VDK), das     Marine-Ehrenmal bei Laboe, die Wettbewerber für ein Reichsehrenmal für die Gefallenen     des Ersten Weltkriegs untersucht werden. Alle diese Objekte zeigen mehr oder minder starke     Einflüsse des  Tannenberg-Denkmals,  die schließlich sogar in der     Architektur von Profan- und Repräsentationsbauten der dreißiger Jahre wie auch in den     NS-Ordensburgen manifestiert sind (S. 176).
 
 Aber außer dem Tannenberg-Denkmal gab es noch "weitere Denkmalsbauten der Brüder     Walter und Johannes Krüger". So beteiligten sie sich erfolgreich an verschiedenen     Wettbewerben und bauten den Braunschweiger Dom um mit einer Gruft für Heinrich den     Löwen. Hier finden sich wieder bis ins einzelne gehende Beschreibungen und Wertungen. Am     Rande sei vermerkt, daß Johannes Krüger für den Entwurf eines Denkmals für Kemal     Atatürk den 1. Preis errang. Ein Rückgriff auf "Tannenberg" sei unverkennbar.
 
 "Das Ende des Tannenberg-Nationaldenkmals und sein ,Nachleben, Nachwort und     Anhang" beschließen die umfangreiche Arbeit. Wie wir durch Gert Sailer wissen,     wurden am 21. Januar 1945 Eingangs- und Gruftturm von deutschen Truppen gesprengt, nachdem     die Hindenburg-Särge geborgen waren. Den Rest sprengten polnische Pioniere nach und nach,     das anfallende Material wurde wiederverwendet.  Doch damit ist die Geschichte nicht     beendet. So seien in den Kriegsgräberstätten, die der VDK in den fünfziger Jahren in     Tobruk und El Alamein errichtete, überkommene Formen und Materialsprache tradiert      ein Reflex auf das Tannenberg-Denkmal; was als das "Erschreckende, das auch El     Alamein (Ägypten) auszeichnet" bezeichnet wird (S. 204). Weit schlimmer sei jedoch      so der Autor  der Bau eines 1995 eingeweihten Ehrenmals für die Gefallenen     und Vermißten zweier Weltkriege aus den Verbänden Heer  Luftwaffe  Marine     der Provinzen Ost- und Westpreußen in Oberschleißheim, dem eine fünffache Verkleinerung     des Tannenberg-Denkmals zugrunde liegt. die Ursache, ein solches Denkmal überhaupt zu     bauen, wird verschwiegen. Sie lag an den ständig zunehmenden, organisierten Störungen     der Trauerfeiern am Volkstrauertag im Rosengarten in Göttingen durch autonome Gruppen,     die auch bei den ausländischen Teilnehmern Unverständnis und Befremden hervorriefen.     Eine anschließende Vandalisierung der Blumen und Kränze komplettierte die Aktionen. Auf     diesem Hintergrund und der völlig anderen Einstellung der ost-westpreußischen     Vertriebenen- und soldatischen ost-westpreußischen Traditionsverbände zum     Tannenberg-Denkmal, das in deren Augen weder ein nationalistisches noch     "braunes" Monument gewesen ist, entstand das "kleine     Tannenberg-Denkmal". Deshalb sind einige Bemerkungen wie: "
an die Stelle     der Traditionspflege tritt hier der Verdacht des Revanchismus" (S. 206), nur als     völlig unqualifiziert zu bezeichnen. Der Autor könnte wissen, daß es seit dem 5. August     1950 so etwas wie eine Charta der deutschen Heimatvertriebenen gibt, die es mindestens zu     lesen lohnt.
 
 Bei aller angemerkten Kritik bleibt die Feststellung, daß es sich bei dem Buch um eine     große Arbeit handelt, die das bedeutende Denkmal noch einmal in das Bewußtsein der     Gegenwart rückt. Erich Vogelsang
 
 Jürgen Tietz, Das Tannenberg-Nationaldenkmal. Architektur, Geschichte, Kontext, Verlag     Bauwesen, Berlin 1999, 260 Seiten, 154 Abbildungen, geb., 78 Mark
 
 
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