|  | Mord und Totschlag verkaufen sich     hervorragend. Diese Formel scheint insbesondere auf die Medienwelt zuzutreffen.     Zeitungslesern, Radiohörern und Fernsehzuschauern muß sich angesichts der jüngsten     Darstellungen abweichenden Verhaltens in den Medien der Magen umdrehen.
 Unter aufklärerischem Deckmantel und nach dem Motto "Laß uns alle Tabus     brechen!" nimmt der moralische Zerfall der Medien Formen an, die sich der erste     Zeitungsverleger Julius Adolph von Söhne Anfang des 17. Jahrhunderts in seinen wildesten     Träumen niemals hätte vorstellen können. Es war der Sender RTL, der Ronny Rieken um     einer guten Quote willen Sendezeit für ein Interview einräumte und somit jenem Mann ein     öffentliches Forum bot, der den Sexualmord an der elfjährigen Christina Nytsch und an     der 13jährigen Ulrike Everts gestanden hat.
 
 Nahezu zeitgleich zum Prozeßauftakt gegen Rieken, der übrigens wegen eines     juristischen Formfehlers auf freiem Fuß war, präsentierte Anfang diesen Monats Werner     Glogauer, Augsburger Professor für Schulpädagogik, das Ergebnis seiner Untersuchung zum     Thema "Medieninduzierung von Sexualdelikten Jugendlicher". Ergebnis: "Von     achtzehn in Einzelfallanalysen auf den Zusammenhang zwischen Nutzung von     Sexmedien/Pornographie und ihren Sexualdelikten untersuchten Jugendlichen war bei jedem     zweiten die Straftat direkt durch die Medien beeinflußt. Diese Jugendlichen hatten über     Jahre hinweg zusätzlich Gewaltmedien (Horrorfilme, harte Aktionsfilme und ähnliche     Segnungen aus Übersee) konsumiert. Bei ungünstigen sozialen und psychische
   n Bedingungen     führt die Doppeldosis von Sex/Pornographie- und Gewaltmedien nahezu zwangsläufig zu     gewalttätigen Sexualdelikten." Die Jugendlichen identifizierten sich mit den     Darstellern und wollten in den Medien gesehene Sex-Praktiken in der Realität wiederholen.     "Alle erfaßten Sexualtäter hatten Sexmedien und/oder Pornographie genutzt", so     Glogauer, der betont: "Die verurteilten Sexualtäter hatten in der Regel bereits in     frühem Alter Zugang zu diesen Medien. Erfolgt der Einstieg mit perversen und     gewalttätigen Sexdarstellungen, ist die Gefahr, zum Sexualtäter zu werden, besonders     groß." Angesichts dieser fremdbestimmten Sexualität drängen sich zwei Fragen     besonders auf: Warum vernachlässigen Erziehungsberechtigte die Kontrolle der Medien? Und     warum sind Sexualdelikte immer häufiger Thema im Alltagsgeschäft der Publizistik? Zum     ersten ist zu konstatieren, daß niemand sein Kind 24 Stunden am Tag kontrollieren kann.     Aber genau dies wäre derzeitig notwendig, wollte man verhindern, daß es Gewalt zu sehen     bekommt. Die zweite Frage läßt sich nur durch den Kampf um Zuschauer-Quoten erklären.     Die Medien locken mit Berichten über Mord und Totschlag die Zuschauer, doch diese     stumpfen ab, so daß die Dosis ständig erhöht werden muß. Diesen Kreislauf zu     durchbrechen wäre eigentlich Aufgabe der Politik. 
 
 
 
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