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Mit Erhard gekommen von Kohl genommen

 
     
 
„Mit Erhard war sie gekommen - von Kohl wurde sie genommen.“ Dieser ein wenig hintersinnige Satz umschreibt die Geschichte einer Erfolgswährung, der nun verschredderten Deutschen Mark.

Kein anderer als Exkanzler Helmut Kohl selbst hat das dieser Tage unterstrichen. Teilte er doch im Nachrichtensender „n-tv“ mit, er sei bis 1998 Kanzler geblieben, „um den Euro zu retten“. Eigentlich hätte er Ende 1996 oder Anfang 1997 aus dem Amt scheiden sollen. Aber es habe damals in Deutschland keine Mehrheit für die „Gemeinschaftswährung“ gegeben. „Hätte ich das zu diesem Zeitpunkt wirklich gemacht, wäre der Euro nie gekommen.“

Es verrät eine bemerkenswerte Dreistigkeit, wenn sich der Exkanzler beim Stricken seiner persönlichen Legende mit der Verachtung des Volkswillens brüstet. Die Unionsparteien würden sich bei ihm kaum bedanken, denn Kohls „Geständnis“ bedeutet nichts anderes, als daß es ihm wichtiger war, gegen den Willen der Deutschen den Euro einzuführen, als einen von der Union selbst bestimmten Kanzlerwechsel rechtzeitig vor der Bundestagswahl 1998 zu vollziehen. Mit anderen Worten: Kohl hat seinerzeit lieber Rot-Grün
riskiert, als die Deutsche Mark zu behalten, was dem Willen der Mehrheit der Deutschen entsprochen hätte.

Diese Mehrheit gab es unverändert bis zum Zwangsumtausch der DM in den Euro, in den sich die Deutschen zu fügen hatten, als sie systematisch über den Tisch gezogen wurden. Vorher über Mark oder Euro abstimmen durften sie nicht - doch wenn Meinungsforschungsinstitute Befragungen durchführten, blieb es konstant beim Nein der Deutschen.

Dennoch wurden die vollendeten Tatsachen bereits mit der Währungsunion am 1. Januar 1999 erschaffen. Seitdem wurde, wie Dagmar Deckstein von der Süddeutschen Zeitung feststellte, „ein psychologischer Stimmungsaufbau und mentales Massagesystem flächendeckend installiert“. Seitdem hätten die Deutschen die „ziemlich häßlichen Kursentwicklungen unserer soeben erstandenen Aktien nur noch in Euro nachlesen dürfen“, denn die gute D-Mark sei „eigentlich nur noch eine virtuelle Währung gewesen“. Diese große Abzockerei lief ab, bevor der konkrete Euro den Alltag erreichte.

Als dann der Euro auch die Bankschalter, Ladenkassen und Geldbörsen erreichte, wurde jede und jeder, die wohl oder übel ihr Geld umtauschten, von den Medien zu „EuroFans“ hochgejubelt:

„Wollt Ihr den totalen Euro?“ - „Wollt ihr ihn, unumkehrbar, unwiderruflich, von jetzt an bis in alle Ewigkeit?“ Und das Echo kam prompt: „Jaahh!“ skandierte die in den Medien allgegenwärtige Pseudoelite, diese Mixtur aus Bankprofis, Börsenprofiteuren und Berufseuropäern samt ihren jeweiligen Domestiken. Glückselig berauschten sich alle miteinander an den goldenen Sternschnuppen, die sie höchstpersönlich oder durch die Hände der jungen Pioniere des profitablen Bankgeschäfts in den blauen Himmel schossen. Das „flächendeckende Massagesystem“ feierte sich selbst bis zum Exzeß.

Als „emotionale Revolution von unten“ verkannte Volker Carsten in der Welt am Sonntag den Medienrummel. Das neue Geld sei uns „ans Herz gewachsen“, hieß es da. „Und wir, die Europhoriker, haben es tatsächlich genossen, die gute alte Mark gegen quasi jungfräuliche Scheine und Münzen einzutauschen.“ - Jubel, Jubel.

In TED-Umfragen auf den Texttafeln einiger Fernsehstationen hingegen durfte sich kanalisierter Unmut äußern: Gut zwei Drittel derer, die sich dort meldeten, wollten, daß wenigstens die deutsche Aussprache „Zent“ statt des anglizistischen „Ssent“ für die Münzen verwendet werden solle. Gar 82 Prozent meinten, daß sie der Mark nachtrauerten. Schneller als sonst verschwand diese Umfrage vom Bildschirm.

Und sogar bei der Welt dämmert Einsicht. Michael Middel stellt kommentierend fest, „daß sich die europapolitische Begeisterung nach der Einführung des Euro in vielen Hauptstädten merklich abkühlt“. Die Rückkehr des Nationalen werde „quer durch Europa gefeiert“. Na klar doch: Die Deutsche Mark ist weg - und nicht einmal Helmut Kohl braucht noch Bundeskanzler zu sein.

 
     
     
 
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