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NDR-Vergangenheitsbewältigung

 
     
 
Am 13. Januar 2002 wurde nicht etwa eine Gegendarstellung von Hess im NDR gesendet, sondern ein neuer Beitrag über U 995. Von den aufgenommenen 40 Gesprächsminuten mit Hess blieben nicht mehr als eineinhalb Minuten übrig. Alle anderen Schilderungen fehlten. Statt dessen wurde ein Historiker der Universität Kiel, der sich intensiv mit dem Seekrieg beschäftigt hatte, mit einem einzigen Satz gezeigt, in dem er von einem „Kartell des Schweigens“ spricht.

Nur diese nichtssagende Sentenz hielt der NDR für sendewürdig, was verständlich wird, wenn man erfährt, daß der Historiker hundert Minuten lang vom Fernseh-Team des NDR befragt worden ist und dabei zu dem eindeutigen Schluß kam, daß man keineswegs von einem Kriegsverbrechen beim Fall Brachmann sprechen könne. Das paßte den NDR-Machern nicht in den Kram, und so fiel es weg.

Statt dessen zitierten sie einen früheren U-Boot-Kommandanten
namens Lange, der später in der Bundesmarine Karriere gemacht hatte und sich nun wohl verpflichtet fühlte, seinen damaligen Kameraden dadurch herabzusetzen, daß er zu dem Vorfall selbst überhaupt nichts sagen konnte, dafür aber Hess und einem an- deren U-Boot-Kommandanten nachsagte, auf ihren Booten hätten „NS-Allüren“ geherrscht, was immer das sein mag.

Auch in der zweiten Sendung brachte der NDR keinerlei Beweis für seine Behauptung, jener Maat sei ermordet worden. Wieder wird ein angeblicher Zeuge zitiert, wieder ohne seinen Namen zu nennen. Verschwiegen wird vom NDR, daß es eine gerichtliche Untersuchung des Falles gegeben hat, aus der klipp und klar hervorging, daß es sich keineswegs um Mord gehandelt habe. Trotzdem blieb der NDR dabei, es gebe zwei Darstellungen des Ereignisses; die Angelegenheit sei ungeklärt.

Genau das ist sie nicht. Es gibt auf der einen Seite eine korrekte, den Tatsachen entsprechende Darstellung, hinter der der Kommandant mit seinem Namen ebenso steht wie das Ergebnis der gerichtlichen Untersuchung, und auf der anderen Seite eine vom NDR behauptete, in vielen Tatsachenbehauptungen erwiesenermaßen falsche Darstellung eines anonymen Zeugen.

Damit ist für den NDR die Angelegenheit offenbar erledigt. Der Kommandant, Oberleutnant z. S. a. D. Hess, bleibt zumindest im Zwielicht. Wollte er noch eine Gegendarstellung durchsetzen, müßte er sich auf langwierige Gerichtsverfahren einlassen.

Auch das Kontrollgremium des NDR, der Rundfunkrat Schleswig-Holstein des Norddeutschen Rundfunks, wies die Beschwerde von Hess zurück. Sein Vorwurf, man hätte auch ihn vor der ersten Sendung befragen müssen, wird mit der fadenscheinigen Behauptung entschuldigt, der NDR habe gedacht, Hess würde sich „mit unbekanntem Wohnsitz in den Vereinigten Staaten aufhalten“. Seit Jahrzehnten ist er, der zeitweise Geschäftsführer einer Industrie- und Handelskammer war, mit seiner Anwaltskanzlei nicht einmal 200 Kilometer vom Sitz des NDR-Justitiariats ansässig und war jederzeit über die Telefonauskunft erreichbar.

 
     
     
 
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