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Nahostkonflikt erreicht Kreuzberg

 
     
 
Die Täter waren zu fünft. Der 22jährige war alleine. Mitten in Kreuzberg überfielen vor einer Woche morgens ausländische Jugendliche einen uniformierten Bundeswehrsoldaten. Der junge Deutsche wurde geschlagen, getreten und beleidigt. In der Pressemitteilung der Polizei hieß es weiter: "Die Täter zogen ihr Opfer in einen nahegel
egenen Hausflur und setzten dort ihre Mißhandlungen fort." Der Soldat konnte schließlich fliehen.

Warum überfallen Ausländer in Kreuzberg einen Bundeswehrsoldaten? Es war keine Schlägerei unter Jugendlichen. Es ging nicht um Geld. Die Täter hatten vielmehr offenbar gezielt einen Soldaten angreifen wollen. Schwappt der Konflikt aus dem Libanon, aus Palästina, aus Afghanistan langsam in deutsche Städte hinüber?

Deutsche Anwohner des Tatorts Prinzen- Ecke Wassertorstraße teilen die Vermutung, daß es sich bei dem Angriff um mehr handelte als nur um eine "normale" Schlägerei. "Das ist alles wegen dem Krieg da, im Nahen Osten", sagt Klaus Schaar. Er sitzt am frühen Nachmittag beim Bier in seiner Stammkneipe, dem Prinzeneck, und redet freimütig über die Probleme im Viertel.

Der 56jährige ist der Prototyp des übriggebliebenen Deutschen hier in der Gegend. Immerhin rund die Hälfte der Namen an den Klingelschildern in der Straße klingen noch deutsch. Doch es sind vor allem die Alten und die Gestrauchelten, die es nicht mehr über sich bringen, aus ihrer Heimat fortzugehen. Sie nehmen lieber die Konflikte in Kauf. Die Jungen in der Straße sind dem Anschein nach allesamt nichtdeutscher Herkunft.

"Letztens wollte ich an der Tankstelle einen ausgeben, da kam so ein junger Türke oder Araber und greift mir in die Geldbörse." 70 Euro weg. Ein harter Schlag für den Hartz-IV-Empfänger Schaar. Die Jugendlichen seien einfach weggerannt, er schlicht zu langsam, um sie noch zu verfolgen.

Wegrennen tun die einen. Üblicherweise demonstrieren die Zuwandererkinder aber ihre Stärke, statt Reißaus zu nehmen. "In der Gruppe fühlen die sich richtig stark." Insofern wundert ihn der Übergriff auf den Bundeswehrsoldaten nicht. "Fünf gegen einen - das ist typisch für die."

Schaar weiter: "Wenn das wenigstens Christen - wie die Polen, Jugoslawen oder Russen - wären, dann wären die Probleme nicht so gravierend. Aber wir sind ja ‚Unreine für die."

So ähnlich sieht das eine Kioskbesitzerin in der Wasserturmstraße. Zunächst reagiert sie freundlich und gelassen auf Fragen nach dem Zusammenleben im Viertel: "Nein Probleme mit Ausländern haben wir nicht. Wir haben nichts gegen Ausländer." Es klingt wie auswendig gelernt. Angesprochen auf den Zwischenfall mit dem Bundeswehrsoldaten, von dem sie nichts weiß, sprudelt es dann aber sofort aus der Frau heraus: Daß sie sich das gut vorstellen kann, daß es hier viele Überfälle gibt.

Von ganz alleine äußert sie sofort die Vermutung: "Wenn die einen Bundeswehrsoldaten überfallen, dann bestimmt wegen dem Krieg da - im Irak oder im Libanon." Meinen Sie, daß die Konflikte im Nahen Osten die Zuwanderer hier stark beschäftigen? "Auf jeden Fall!"

Sie selbst war auch schon das Opfer von Überfällen, dabei ging es aber "nur" um Geld: "Ja, ständig passiert mir ditt." Von wem? "Natürlich von Ausländern. Und die Kinder von denen kommen und klauen." Sie habe Angst, offen darüber zu reden. "Was habe ich davon? Sie machen Ihren Artikel, und mir schlagen sie dann die Scheiben ein."

Dieses Klima der Angst kennt auch eine 14jährige Jüdin, die an einer Kreuzberger Schule gedemütigt und erniedrigt wurde. Die Schülerin berichtete in der ARD-Sendung "Kontraste" in der vergangenen Woche über ihre arabischstämmigen Mitschüler: "Die sehen, daß da [im Libanon, Anm. d. Verf.] getötet wird und kriegen einen Haß auf mich."

Erst wurde sie nur beschimpft, dann lauerten ihr Jungs auf ("Wer ist hier die Jüdin?"). "Ich scheiß auf euch Juden", bekundeten die Nachwuchsmachos. Sie mußte fliehen, ihr wurden Flaschen hinterhergeworfen. Und der Direktor des Mädchens räumte verständnisvoll ein: "Viele unserer Schüler haben Verwandte dort. Das belastet das Verhältnis."

Belastet ist auch das Verhältnis zwischen Deutschen und Ausländern in der Wassertorstraße. Am Tag vier nach dem Übergriff auf den Soldaten kommen zwei Ausländer vorsichtig, aber bestimmt aus der Deckung. Ein Kurde und ein Türke sprechen offen aus, was die meisten Zuwanderer hier insgeheim dächten.

Der 31jährige Kurde Achmed J. ist sauer, weil "jeden Tag Bomben explodieren" und "unschuldige Menschen getötet" werden. "Deutschland und die USA", findet J., "teilen sich die Welt gerade wieder neu auf und nehmen alles für sich."

Suleiman, der Türke, wird deutlicher: "Da werden im Irak Kinder getötet und Frauen vergewaltigt. Das ist nicht richtig, was passiert. Daß deutsche Soldaten sich daran beteiligen, ist nicht richtig. Abu Ghreib war ein Verbrechen. Und wir haben auch nicht vergessen, was mit den Schädeln unserer Glaubensbrüder in Afghanistan geschehen ist." Die Nachricht, daß es sich bei den Totenschädeln, mit welchen übermütige deutschen Soldaten posiert hatten, vermutlich um Überreste russischer Soldaten handelte, hat Suleiman nie erreicht.

Zum Abschied gibt er sich seiner Sache sicher: "Ich bin überzeugt, daß die Mehrheit meiner Glaubensbrüder so denkt wie ich."
 
     
     
 
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