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Nicht verfolgt aber geduldet

 
     
 
Ab sofort gilt: Geduldete Ausländer, die sich seit acht Jahren in Deutschland aufhalten - Familien schon ab sechs Jahren - können eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen, wenn sie bis zum 30. September 2007 Arbeit haben - so daß der Lebensunterhalt "auch in Zukunft gesichert ist" -, ausreichend die deutsche Sprache beherrschen und nicht im größeren Stil straffällig geworden sind oder extremistischen Gruppen angehören. So lautet der zwischen den Innenministern der Bundesländer geschlossene Kompromiß zum sogenannten Bleiberecht. Die Regelung bleibt bis zu einer bundesgesetzlichen Regelung gültig. Davon betroffen sind 2,8 Prozent der 6,8 Millionen Ausländer in Deutschland, also eine verschwindend geringe Zahl.

Die Regelungen zum Aufenthaltsrecht: Wenn man den Grad der Erlaubnis zum Aufenthalt einteilte, so stünden die Geduldeten auf der untersten Stufe: Sie werden dafür, daß sie sich unerlaubt in Deutschland aufhalten, nicht bestraft. Das Aufenthaltsgesetz kennt 45 Gründe für eine wenigstens sechsmonatige Aufenthaltserlaubnis, darunter beispielsweise das Asylrecht, das Studium an einer deutschen Hochschule, den Ehegattenstatus oder die Anstellung
eines Hochqualifizierten - wir erinnern uns an die Debatte um die "Greencard"-Inder. Asylberechtigte haben nach 36 Monaten einen Anspruch auf eine unbefristete Niederlassungserlaubnis. Mehr als diese berechtigt nur noch die Einbürgerung zum Aufenthalt in Deutschland. Allerdings erlebt dies nur ein verschwindend geringer Teil der Asyl begehrenden Ausländer.

So verlautete vor zwei Wochen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), im Oktober sei über 2118 Asylanträge entschieden worden. Nur acht Antragstellern wurde Asyl gemäß Artikel 16a des Grundgesetzes wegen politischer Verfolgung und in Folge dessen eine Aufenthaltserlaubnis gewährt.

1254 Anträge seien abgelehnt worden, 767 Anträge seien zurückgezogen worden oder hätten sich auf sonstigem Wege erledigt und für 89 Personen gelte der sogenannte Abschiebeschutz nach Paragraph 60 des Aufenthaltsgesetzes.

Abschiebeschutz ist dem Asylrecht ähnlich und führt gleichfalls zur Aufenthaltserlaubnis. Davon sind Personen betroffen, denen aufgrund ihrer Religion, Rasse oder ihres Geschlechts Gefahr für Leib und Leben droht. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob eine staatliche Verfolgung vorliegt, denn auch die Verfolgung durch eine Partei, eine Organisation oder Gruppe, die das Heimatland in "wesentlichen Teilen" beherrscht, genügt. Das gilt aber auch für Ausländer, die in ihrer Heimat durch Strafverfolgung mit dem Tod rechnen müssen, was beispielsweise auf Muslime aus Ländern, in denen der muslimische Rechtskodex Scharia gilt, zutrifft, die zum Christentum konvertieren. Den Glaubenswechsel könnte auch ein bereits unmittelbar vor der Abschiebung stehender Muslim vollziehen (wenn er es denn glaubhaft machen kann).

Dieses "kleine Asylrecht" resultiert aus den völkerrechtlichen Normen der Genfer Flüchtlingskonvention.

Bei den Herkunftsländern, aber auch bei den sonstigen "humanitären Gründen" im Sinne des kleinen Asyls wird am meisten gelogen. Ein Leipziger Justizbeamter schildert die Verhältnisse sehr deutlich: "Als Verwaltungsrichter hatte ich viel nach dem Aufenthaltsgesetz zu entscheiden. In keinem einzigen Fall konnte ich ein Abschiebehindernis feststellen."

In vielen Fällen liegt das Problem darin, daß Ausländer zwar einen "humanitären Grund" für ein kleines Asylrecht vorweisen könnten, aber die Behörden im Asylverfahren über ihre Herkunft oder über andere wesentliche Details zu täuschen versucht und dadurch ihren Anspruch auf das kleine Asyl verwirkt haben. Auch diesen Ausländern droht, sollten sie nicht freiwillig ausreisen, die Abschiebung.

Eine Abschiebung kann oder darf manchmal aber nicht durchgeführt werden, weil der Abzuschiebende - wie bei vielen Palästinensern der Fall - staatenlos ist oder mit dem Herkunftsland - wie im Falle einzelner afrikanischer Staaten - kein Rückführungsabkommen besteht und diese Länder schlicht ihren Landsmann ablehnen. Nicht abgeschoben werden darf in Kriegsgebiete. Die Aussetzung der Abschiebung erfolgt aber auch aus Gründen der medizinischen Versorgung, wenn der Ausländer so schwer erkrankt ist, daß seine Abschiebung durch eine Unterversorgung im Herkunftsland zum Tode führen kann. Diese Nicht-EU-Ausländer, die sich nicht in Deutschland aufhalten dürfen und nicht ausreisewillig sind, deren Abschiebung aber nach Paragraph 60a des Aufenthaltsgesetzes ausgesetzt wird, werden "Geduldete" genannt.

Die Aussetzung erfolgt dabei immer nur kurzfristig und kann verlängert werden. Geduldete dürfen sich nur an ihrem Meldeort aufhalten und sind nur eingeschränkt arbeitsberechtigt. Nach 18 Monaten Duldung kann - eine Neuregelung des am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Zuwanderungsgesetzes - eine gleichfalls befristete Aufenthaltserlaubnis zwar erteilt werden. Dies gilt aber nicht, wenn der Ausländer die Versagung der Aufenthaltserlaubnis selbst durch Täuschung verursacht hat. Es kommt hier also zur Kettenduldung, bis zur möglichen Abschiebung. Auf diesem oder ähnlichem Wege haben sich jene 200000 Geduldeten in Deutschland angesammelt, über deren Möglichkeit zur Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis jetzt unter dem Schlagwort "Bleiberecht" kontrovers diskutiert und durch den Kompromiß befunden worden ist.

Zwar kritisieren Gegner dieser Lösung, es gebe zu viele Flüchtlinge, die jetzt durch das Raster fielen. Übersehen wird dabei jedoch: Das deutsche Aufenthaltsrecht für Ausländer ist trotz leerer Kassen kaum zu überbieten.
 
     
     
 
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