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Nur ein Meteor?

 
     
 
Das kranke Leben des Jakob Lenz ist wie kaum ein anderes mit Porträts bedacht worden, und wie kaum eines ist es ihnen zum Opfer gefallen. Denn man hat den geistlosen Hohlkörper mit allem anfüllen können, was das eigene Herz drückte. So erklärt sich, daß Lenz nie vergessen wurde und man dennoch wenig Genaues von ihm wußte“, las man in der FAZ zum 250. Geburtstag des Dichters Jakob Michael Lenz (*1751 in Seßwegen/Livland - † 1792 in Moskau) über diesen für viele rätselhaften Mann. „Er gehört zu den meistgeschilderten Unbekannten der deutschen Literat
ur, ein Gigant der verpaßten Lektüre.“ Zeitgenosse Goethe schrieb über ihn in „Dichtung und Wahrheit“: „Er jedoch, als ein vorübergehender Meteor, zog nur augenblicklich über den Horizont der deutschen Literatur hin und ver­schwand plötzlich, ohne im Leben eine Spur zurückzulassen.“ Er nannte ihn etwas abfällig auch einen „Schelm in der Einbildung“ und hielt ihn wie viele seiner Zeitgenossen für launisch und wunderlich. Lenz war es schließlich, der Goethe zutiefst bewunderte und ihn so manches Mal gar nachzuahmen versuchte, nicht nur, als er eine Beziehung zu des Geheimrats Verflossener Friedrike Brion aufnahm.

Wesentliches zum Bild, das wir Heutigen von dem Dichter haben, hat ein Porträt beigetragen, das Georg Büchner in seiner Erzählung „Lenz“ gezeichnet hat. Die Erzählung, an der Büchner vermutlich 1836 gearbeitet hat, blieb ein Fragment; 1839 wurde sie von Karl Gutzkow veröffentlicht und galt als vorbildlich in der Darstellung eines vom Wahnsinn befallenen Intellektuellen. Viele Dichter und Schriftsteller haben sich immer wieder mit Lenz und seinem Leben beschäftigt. Max Halbe, der Dichter aus dem Weichselland, nannte Lenz in einem Aufsatz in der Zeitschrift „Die Gesellschaft“ einen Ahnherrn des Naturalismus. Und auch Johannes Bobrowski, der Dichter aus Tilsit, widmete ihm ein Gedicht.

Ein detailliertes Lebensbild von Jakob Michael Lenz, der in Königsberg Vorlesungen von Immanuel Kant hörte, zeichnet Georg Michael Schulz in einer Reclam-Publikation (Universal-Bibliothek Nr. 17629, 349 Seiten, 13 Abb., brosch., 18 DM). Der Autor stellt Lenz, zu dessen Gesamtwerk Dramen wie „Der Hofmeister“, „Der neue Menoza“ und „Die Soldaten“ zählen, als einen der wichtigsten Dichter des Sturm und Drang vor. Er beleuchtet seine Begegnungen mit Zeitgenossen wie Herder und Goethe, aber auch seinen Hang zu religiösem Eifer und groteskem Verhalten. Auch spricht er von seiner Krankheit, die vielfach als Schizophrenie bezeichnet wurde, aber doch wohl eher mit dem altmodischen Begriffen Melancholie und Schwermut umschrieben werden kann.

Jakob Michael Lenz wurde am 4. Juni 1792 in Moskau tot auf einer Straße aufgefunden. Im September 1775 schon hatte er an Lavater geschrieben: „Nun setzt mir ein Denkmal von Rasen und ein weißes Steinchen drauf: Da liegt dessen Laune bei all seinem harten Schicksal die Riesen von dem Schauplatz lachte.“ - Das Grab des Dichters aus Livland ist unbekannt. Ein „Meteor“, wie Goethe ihn nannte, der schnell wieder vom Himmel verschwindet, ist Lenz nun keineswegs geworden, das zeigen nicht zuletzt auch Publikationen wie die jüngste aus dem Reclam Verlag, immerhin mehr als 200 Jahre nach seinem Tod. Hm

 
     
     
 
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