|  | Wenn ich von mir selbst abhinge, würd ich     Componist, und hätte die Hoffnung in meinem Fache groß zu werden, da ich in dem jetzt     Gewählten ewig ein Stümper sein werde", schrieb Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann an     seinen Freund Theodor Gottlieb v. Hippel (17751843), nachdem er sein Jurastudium an     der Königsberger Albertina beendet hatte. Später schickte er dem Freund einen launigen     Vers: "Wer grübe sich nicht selbst ein Grab,/ Und würfe froh des Lebens Bürd     hinab,/ Wenn süßer Wahn nicht wäre."  Der "süße Wahn" hatte     Hoffmann zeit seines Lebens fest im Griff; ihm verdanken wir nicht zuletzt auch die Oper     "Undine" und andere Kompositionen, die noch heute, auf CD gebrannt,     veröffentlicht werden. Ihm verdanken wir aber auch und vor allem unzählige Romane und     Novellen aus der Feder des Mannes, der sich selbst allerdings in erster Linie als     Tonschöpfer sah.
 Hoffmann "ist Ende Dreißig, als die angesammelten und angestauten Massen     musikalischer und literarischer
   Phantasien losbrechen", umschreibt Biograph Rüdiger     Safranski in seinem Buch "E. T. A. Hoffmann  Das Leben eines skeptischen     Phantasten" (Carl Hanser Verlag, München, 1986) mit knappen Worten das Leben dieser     wohl schillerndsten Figur der deutschen Literatur- und Musikgeschichte. Und: "Jetzt     gibt es kein Halten mehr. Es dauert nur einige Wochen, dann redet das ganze literarische     Deutschland von ihm. Auch der andere große Wunsch erfüllt sich: Seine Oper Undine kommt     auf die Bühne in Berlin. Auf dem Höhepunkt seines Ruhmes reibt er sich verwundert die     Augen: Und das soll es nun gewesen sein? Er macht weiter, muß aber nun mehr Wein     zugießen. Er liebt das Leben und stirbt unter Protest ..." 
 Vielseitig ist es gewesen, das Leben und das Schaffen des Mannes, der am 24. Januar vor     225 Jahren in Königsberg das Licht der Welt erblickte. Hoffmann selbst hat einmal gesagt:     "Die Wochentage bin ich Jurist und höchstens etwas Musiker, sonntags am Tage wird     gezeichnet und abends bin ich ein sehr witziger Autor bis in die späte     Nacht 
" Und in einem seiner "Nachtstücke"  "Das öde     Haus"  läßt er den Erzähler sagen: "Ihr wißt es ja alle, ihr wackern     Kumpane meines fröhlichen Jugendlebens, ihr wißt es ja alle, wie ich mich von jeher als     Geisterseher gebärdete und wie mir nur einer wunderbaren Welt seltsame Erscheinungen ins     Leben treten wollten, die ihr mit derbem Verstande wegzuleugnen wußtet!"
 
 Sehr fröhlich war das Jugendleben des Ernst Theodor Wilhelm nun freilich nicht. Als     der Junge zwei Jahre alt war, trennten sich die Eltern. Der Vater ging später nach     Insterburg, und die Mutter zog mit dem Sohn in ihr Elternhaus in der späteren     Poststraße. Dort wuchs Hoffmann unter seinen Tanten und einem Onkel auf; die Mutter hatte     sich zurückgezogen.  In seinen Romanen und Erzählungen wird Hoffmann später     übrigens immer wieder die oft skurrilen Figuren seiner Kindheit und Jugend mit spitzer     Feder nachzeichnen.
 
 Hoffmann besuchte die Burgschule seiner Vaterstadt und erhielt Musikunterricht bei dem     Domorganisten Podbielski. Der Maler Saemann unterwies den Jungen im Zeichnen. Später     (1798) allerdings mußte er bei einem Besuch der Dresdner Gemäldegalerie erkennen:     "Bei alledem sah ich denn nun freilich bald, daß ich gar nichts kann.  Ich     habe die Farben weggeworfen und zeichne Studien wie ein Anfänger, das ist mein     Entschluß 
"  Mit seinen spöttischen Zeichnungen, die eher     Karikaturen waren, jedoch erreichte er bald einen Ruhm, der ihm nicht immer lieb sein     durfte
 
 1792 nimmt Hoffmann  aus alter Familientradition  das Jurastudium an der     Königsberger Albertina auf. Dort hört er auch Kant. Nebenher widmet er sich jedoch immer     mehr den schönen Künsten  er schreibt, musiziert, zeichnet und komponiert. Ein     reger Briefwechsel mit seinem Jugendfreund Hippel legt davon beredtes Zeugnis ab. 1795     legt Hoffmann sein erstes Staatsexamen ab und wird Auskultator in Königsberg. In seinem     Zeugnis wird übrigens sein "musterhaftes Betragen" und sein     "ausgezeichneter Fleiß" hervorgehoben. Aufgrund einer skandalösen Romanze wird     Hoffmann ein Jahr nach seinem Examen nach Glogau zu Verwandten geschickt, wo er sich mit     einer Cousine verlobt, die er jedoch nie heiraten wird.
 
 Nach dem zweiten juristischen Examen läßt sich Hoffmann als Referendar nach Berlin     ans Kammergericht versetzen. Gleichzeitig nimmt er Kompositionsunterricht bei seinem     Königsberger Landsmann Johann Friedrich Reichardt. 1800 endlich legt Hoffmann, der sich     eigentlich viel mehr der Kunst zugehörig fühlt, sein drittes Examen ab und wird als     Assessor nach Posen versetzt. Ein Skandal erschüttert die dortige Gesellschaft, als beim     Karneval 1802 bissige Karikaturen der Honoratioren in Umlauf gebracht werden, die     eindeutig die Handschrift Hoffmanns tragen.  Wieder einmal wird er versetzt, diesmal     nach Plock, wohin ihn seine junge Frau Micha begleitet.
 
 Hoffmann kanns nicht lassen: Auch in Plock widmet er sich neben der     "Juristerei" den schönen Künsten. An Hippel schreibt er: "Werde ich nun     nicht so sehr vom Präsidenten qua Packesel behandelt, dem man aufbürdet, daß er unter     der Last verseufzt - so gehts in meinen vier Wänden ganz gut her. Die Akten werden     in die Nebenkammer geworfen, und dann zeichne, komponiere und dichte ich wies kommt,     freilich alles nur schlecht, aber desto mehr Vergnügen macht mirs, denn es ist ein     psychologisches Phänomen, daß die schlechten Künstler und Dichter sich am allermeisten     über ihre Mißgeburten freuen  den großen Dichtern machen die Amorinos, welche sie     zur Welt befördern, lange nicht so viel Freude! 
"
 
 Vergeblich versucht Hoffmann in diesen Jahren einen Verleger für seine Kompositionen     zu finden. Wie stolz aber ist er dann, als sein Essay "Schreiben eines     Klostergeistlichen" im "Freimüthigen" abgedruckt wird: "Mich zum     ersten Mal gedruckt gesehen im Freimüthigen  habe das Blatt zwanzigmal mit süßen     liebevollen Blicken der Vaterfreude angeguckt  frohe Aspekte zur literarischen     Laufbahn!"
 
 Schließlich wird Hoffmann als Regierungsrat nach Warschau versetzt, das damals zu     Preußen gehörte. Dort ist er führend an der Gründung der "Musikalischen     Gesellschaft" beteiligt, dort macht er auch nähere Bekanntschaft mit seinem     Landsmann Zacharias Werner (17681823) aus Königsberg, für dessen "Kreuz an     der Ostsee" er die Bühnenmusik komponiert. Als Napoleons Truppen in Warschau     einmarschieren und die preußischen Behörden aufgelöst werden, verliert Hoffmann seine     Stellung. Er geht zunächst nach Berlin, nimmt dann aber ein Angebot aus Bamberg an, wo er     zunächst nicht sehr erfolgreich als Musikdirektor wirkt. Sein Freund und späterer erster     Biograph Eduard Hitzig über den Dirigenten Hoffmann: "Seine Tempos waren feurig und     rasch, aber ohne alle Überzeugung, und in der Folgezeit urteilte man von ihm, daß wohl     nicht leicht ein Dirigent in Mozartschen Kompositionen übertroffen haben würde, wenn er     sich mit einem guten Orchester hätte zeigen können."
 
 Mehr Glück hat Hoffmann dann mit seinem "Ritter Gluck", einer Erzählung,     die 1809 erscheint. "Hoffmanns glanzvolles Debüt in der Literatur", so     Rüdiger Safranski, "ist ein Werk des ,Nebenher. Und gerade das gibt ihm jene     spielerisch-lockere Hand, die trifft, gleichsam ohne zu zielen." Das "Geheimnis     der Leichtigkeit" sieht Safranski darin, daß Hoffmann als Literat keine     "Idealkonkurrenz" gesucht habe, "und mit dieser Leichtigkeit entfesselt er     eine literarische Imaginationskraft, die nicht nur in der damaligen literarischen Szene     ihresgleichen sucht."
 
 Im Sommer 1812 schließlich hat Hoffmann, der seinen dritten Vornamen übrigens aus     Verehrung für Mozart in Amadeus abgewandelt hatte  die Idee zu einem Werk, das ihn     auch in die Reihe der großen Musikschaffenden aufsteigen läßt  Undine. Die Oper     wird am 3. August 1816 in Berlin, wohin Hoffmann nach kurzen Intermezzi in Dresden und     Leipzig  zurückgekehrt ist, uraufgeführt. Kein Geringerer als Carl Maria von Weber     schreibt 1817 in der "Allgemeinen Musikalischen Zeitung": "Das ganze Werk     ist eines der geistvollsten, das uns die neuere Zeit geschenkt hat." Der Komponist     wird gefeiert. Dann jedoch vernichtet ein Brand die kostbaren, von Karl Friedrich Schinkel     geschaffenen Dekorationen, und Hoffmann zieht sich enttäuscht und resignierend aus den     Salons zurück.
 
 In der Zwischenzeit sind immer wieder auch literarische Werke aus der Feder Hoffmanns     geflossen: "Der goldene Topf", "Die Elixiere des Teufels", die     "Fantasiestücke", die "Nachtstücke". Unzählige Erzählungen     erscheinen in Almanachen, Taschenkalendern und Zeitschriften  Hoffmann wird d e r     Schriftsteller seiner Zeit. "Man muß sich vorstellen, daß Hoffmann seine     Erzählungen und Romane fast so schnell zu Papier brachte, wie wenn er sie mündlich     vorgetragen hätte. Der Weg vom Erfinden zum Schreiben war ungefähr genauso kurz wie der     zum Sprechen. So hat sein Stil denn auch etwas Gesprochenes. Er skizziert einen     Vordergrund, deutet mit höchst charakteristischen Strichen an, die aufgrund ihrer     Prägnanz in Erinnerung bleiben, pointiert die Effekte des Rätselhaften, referiert dann     eine meist enthüllende Vorgeschichte, kehrt auf den Vordergrund zurück, wo das weitere     Geschehen ... oft mit Hast zu Ende gebracht wird" (Safranski).
 
 In seinem eigentlichen Beruf als Jurist ist Hoffmann, inzwischen Kammergerichtsrat, mit     den sogenannten "Demagogenprozessen" um Turnvater Jahn befaßt. In seinen Werken     "Die Lebensansichten des Katers Murr" und vor allem in "Meister Floh"     äußert er unverhohlen seine Kritik an dem System. "Meister Floh" wird     beschlagnahmt, Hoffmann soll bestraft werden. Doch sein Jugendfreund Hippel setzt sich     für den Dichter ein und erwirkt eine Verschiebung der geplanten Vernehmung. Dazu soll es     jedoch nicht mehr kommen.
 
 Hoffmann, in der Vergangenheit immer wieder kränklich und leidend, diktiert noch auf     seinem Totenbett seine Verteidigungsschrift und einige kürzere literarische Texte wie das     eindrucksvolle "Des Vetters Eckfenster". Am 25. Juni 1822, gegen 11 Uhr     vormittags, stirbt E. T. A. Hoffmann in Berlin. Seine letzte Ruhestätte findet der     "Dichter, Tonkünstler und Maler" (so steht es auf dem von Freunden gestifteten     Grabstein) am 28. Juni auf dem Friedhof Mehringdamm.
 
 "Es gab die größten menschlichen Gegensätze in unserer Provinz     beieinander", schrieb Erwin Kroll, Hoffmann-Forscher und Musikschriftsteller, einmal.     "Neben Kant wirkte ein Hamann, und unser Hoffmann ist ein Beweis dafür, daß solche     Gegensätze in einer einzigen Persönlichkeit leben und sich künstlerisch auswirken     konnten, nämlich scharfer, aufs Ironische und Groteske gerichteter Wirklichkeitssinn und     traumhaft kühne, von schwärmerischer Sehnsucht getragene Phantastik. Beim Dichter, aber     auch beim Maler und Musiker Hoffmann spürt man diese Zweisamkeit. Realist und Phantast     zugleich, hat er, der unerhört Vielseitige, sie künstlerisch verklärt. Aber es ist     nicht der Künstler allein; auch der Jurist Hoffmann, der unbeugsam rechtliche Beamte,     trägt Heimatliches in sich, nämlich den kategorischen Imperativ Kants 
"     Peter van Lohuizen
 
 "Und so gehört E. T. A. Hoffmann  was er nie geahnt, der arme Schächer am     Kreuz der irdischen Nüchternheit  zur ewigen Gilde der Dichter und Phantasten, die     am Leben, das sie quält, die schönste Rache nehmen, indem sie ihm farbigere,     vielfältigere Formen vorbildlich zeigen, als sie in Wirklichkeit erreicht." Stefan Zweig
 
 
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