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Schlechte Noten

 
     
 
Vergangene Woche war in Berlin-Mitte wieder das Gauklerfest. Da treten Unterhaltungskünstler wie Musiker, Entfesselungsakrobaten, Clowns oder Schauspieler auf Stelzen auf. Am Eingang stand ein Amerikaner, der mit einer lodernden Fackel die abenteuerlichsten Tänze vollführte. Nachdem der Feuerschlucker fertig und einige seiner Barthaare angesengt waren, hielt er einen Beutel auf und kassierte seine Gage, von jedem, der ihm etwas geben wollte. Er wurde reichlich belohnt, weil die Zuschauer zufrieden waren. So läuft das im Showgeschäft. Und nicht nur da. Ob ein Friseur, ein Dolmetscher oder eine Vertragswerk
statt gut ist oder nicht, spricht sich rum. Der gute Ruf wird zum Maßstab für die Preisbemessung. Wie sollte es in einer Marktwirtschaft sonst sein? Berliner Professoren glauben, daß „Kundenzufriedenheit“ für sie kein Kriterium sein sollte. Die Benotung ihrer Leistung auf der Internetseite www.meinprof.de  ist ihnen ein Dorn im Auge. Dort bewerten Studenten ihre Professoren. Noten verteilen, aber selbst keine ertragen - geht das überhaupt?  In den Vereinigten Staaten ist es normal, daß Studenten nach einem Semester sagen, wie ihnen eine Vorlesung gefallen hat. Schließlich zahlen ihre Familien oder Stipendiengeber horrende Summen an US-Universitäten für die Ausbildung ihrer Kinder oder Stipendiaten. In Deutschland dagegen sind die Mechanismen von Angebot und Nachfrage außer Kraft gesetzt. Obwohl Hochglanzmagazine hierzulande regelmäßig Ranglisten von Universitäten veröffentlichen, wird nicht die Einzelleistung des Professors gewürdigt. Und das, obwohl die Aussage über die Fertigkeiten eines einzelnen Professors weit aussagekräftiger, zielgenauer wären als eine pauschale Bewertung eines ganzen Fachbereichs oder gar einer gesamten Uni. Nun haben die Hochschullehrer den Berliner Datenschutzbeauftragten vorgeschickt, der behauptet: „Es geht darum, daß sich Professoren diskriminiert fühlen.“  Die von privater Seite ins Leben gerufene Internetseite soll stillgelegt werden. Die Professoren sind dem Wettbewerbsprinzip enthoben und wollen das auch um jeden Preis bleiben, so ihr Ziel.  Der Vorwurf der „Diskriminierung“ ist nachgerade lächerlich. Studenten, die alsbald Studiengebühren zu entrichten haben, werden es sich nicht länger bieten lassen, daß sich der Lehrkörper einer Beurteilung durch die „zahlende Kundschaft“ entzieht. Im eigenen Interesse - denn die Qualität ihres Studiums entscheidet über ihre Zukunft am (Arbeits-)Markt, und der wird über sie mit der selben Erbarmungslosigkeit den Daumen heben oder senken wie die Zuschauer auf dem Gauklerfest über die Aufführungen des Feuerschluckers.
 
     
     
 
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