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Schock für Berlins Kulturszene

 
     
 
"Jetzt werde ich auf diesen Röntgentisch gelegt!" schluchzt Gisel Oechelhaeuser in die Kamera des ARD-"Kulturweltspiegels". Dicke Tränen rolle über ein Gesicht, das bis dato eher auf überlegenes Lächeln, Hohn und Spott abonnier schien. Ein jeder sieht: Diese Frau kann nicht mehr, ist am Ende mit den Nerven und de Welt. Spontan will sich Mitleid regen, doch der Verstand sperrt sich.

Gisela Oechelhaeuser ist, besser: war die Intendant
in des (Ost-)Berliner Kabarett "Distel" seit dem Zusammenbruch des SED-Staates 1990. Schon zu DDR-Zeiten hatt sie sich einige Anerkennung als Kabarettistin erworben, vor allem bei den Leipzige "Akademixern". So richtig ins Rampenlicht rückte Oechelhaeuser aber erst nac der DDR-Dämmerung. Im Unterschied zu zahlreichen Größen des dortigen Kulturbetrieb verschwand sie nicht im Schmollwinkel der politisch Verwirrten und historisc Überrollten, sondern ergriff ihre Chance.

"Gigi", wie sie im Freundes- und Kollegenkreis gerufen wurde, avancierte in den Augen vieler zur (zuweilen etwas betont) kecken Anwältin der "Ossis" lehrte sie auch das Lachen über diese merkwürdigen "Wessis". Und sie macht vor, wie man ehrlich und erhobenen Hauptes zu seiner Biographie als DDR-Bürger stehe konnte, ohne zu verschweigen, zu verdrängen oder zu beschönigen. Jene Melange aus ei bißchen Ostalgie und schnurgeradem Selbstbewußtsein kam an. Die "Distel" gleich am Berliner Bahnhof Friedrichstraße gelegen, war durchweg fast ausverkauft.

Bis Ostern. Da platzte die Bombe. Gisela Oechelhaeusers Legende wurde zerstampft vo einer Nebentätigkeit, die schon so manchem Zeitgenossen einen Strich durch die Karrier gemacht hat. Als "IM Gisela" (wie phantasielos!) war "Gigi" für die Stasi unterwegs gewesen, und zwar überaus beflissen.

Im Januar 1976 trat das "Schild und Schwert der Partei" an die Kabarettisti heran, um ihr eine Selbstverpflichtung als Spitzel abzugewinnen.

Etliche DDR-Kulturschaffende wurden mit derle "Selbstverpflichtungs"-Anliegen bedrängt, doch es dauerte nicht selten viel Jahre, bis sie endlich einwilligten. Nicht zu vergessen die hohe Zahl derer, die den rote Schlapphüten standhaft die Tür wiesen – mit allen Konsequenzen.

"Gisela" war da anders. Schon im Mai desselben Jahres gab sie ihr handschriftliche Einwilligung ab und ging frohgemut auf die Suche nach dem Klassenfeind "Rekord" nennen das ihre geschockten (Ex-) Freunde. Von da an also setzte sic Oechelhaeuser abends hin und schrieb auf, was in der Kantine und sonstwo hinter de Kulissen die Runde machte – nachdem sie erst eben auf der Bühne den kritischen unerschrockenen Geist gegeben hatte.

Ob sie Schaden angerichtet habe, müsse sie jetzt "prüfen", ga Oechelhaeuser ihrem Publikum mit bebender Stimme zu verstehen. Prüfen? Jetzt? Für derle Rettungsversuche mit dem Ziel, sich selbst zu ihrer eigenen Ermittlerin zu stilisieren ist es zu spät. Aus Karrieregier, so geht es aus den Stasi-Akten hervor, hat sie ihre Umgebung für ein Diktatorenregime die Hosen runtergezogen. Das reicht eigentlich Spätestens 1990 verstrich die letzte Chance, dies selbst offenzulegen und zu bereuen.

Statt aber diesen letzten, schmerzlichen Ausweg zu wählen, ging "Gisela" de entgegengesetzten Pfad und modelte sich zur personifizierten Glaubwürdigkeit um, die in schwierigen Zeiten blütenrein geblieben ist. Wenn so ein Trugbild krachen zusammenfällt, tut es besonders weh, nicht nur den Freunden und Kollegen, sondern allen die es nicht ertragen können, daß sie irgendwann niemandem mehr vertrauen sollen.

Und diese Menschen sind es, die Mitleid verdient haben. Furchtbar Enttäuschte, die nach Jahren erkennen müssen, von engsten Freunden hintergangen und verpfiffen worden zu sein. Im Extremfall wie die derzeitige CDU-Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld, die als Bürgerrechtlerin wohl damit gerechnet hat, daß die Stasi ihr einen Denunziante hinterherhetzt. Das Entsetzen kam erst, als sie erfuhr, wer es war: Knut Wollenberger, ih eigener Mann.

Die "Distel"-Leute haben erst überlegt, ganz aufzuhören. Jetzt machen si doch weiter damit, die Verhältnisse im Lande aufs Korn nehmen. Das Lächeln indes bleib einstweilen Fassade, wie der Reporter der "Süddeutschen Zeitung" bemerkte "Das passende Gesicht zum Scherz ... will ihm nicht gelingen. Das Gesicht bleib traurig, abgrundtief traurig.
 
     
     
 
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