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Sehnsucht nach Frieden nicht erfüllt: Eine Zwischenbilanz aus Sicht der Heimatvertriebenen

 
     
 
Die Welt hatte gehofft, daß nach dem bisher furchtbarsten aller Kriege der Friede einkehren würde. Aber wer unser Zeitgeschehen aufmerksam verfolgt, weiß, daß diese Sehnsucht nach Frieden sich nicht erfüllt hat, sondern seit 1945 mehr als 130 Kriege mit über 30 Millionen Toten die Welt oder doch Teile der Welt in Atem gehalten haben. Die mannigfachen Formen des Unfriedens lassen sich nicht auf eine einzige Ursache zurückführen.

1998 schreiben wir das neunte Jahr nach dem Zusammenbruch des bolschewistischen Zwangssystems und der sowjetisch
en Vorherrschaft über Ost- und Südosteuropa. Da scheint es angebracht zu sein, eine Zwischenbilanz aus der Sicht der Heimatvertriebenen zu ziehen.

Man hat argumentiert, der Verlust eines Viertels unseres Vaterlandes – und wenn man die Gebietsverluste nach dem Ersten Weltkrieg hinzunimmt eines Drittels Deutschlands seit 1918 – sei der Preis für den von uns begonnenen Krieg. Mit derselben Logik und Konsequenz müßte man, um von den USA ganz zu schweigen, die im vergangenen Jahrhundert ein Drittel Mexikos an sich gerissen haben, England, Frankreich, Rußland und Polen große Teile ihrer Länder wegnehmen, denn sie alle haben seit 1600 weit mehr Kriege geführt als das "kriegslüsterne" Deutschland. Von den seit 1600 287 geführten Kriegen liegt England mit 80 Kriegen an der Spitze, dicht gefolgt von Frankreich mit 75 Kriegen. Rußland führte in dieser Zeit 63 und Polen 32 Kriege. Deutschland liegt mit 23 Kriegen merklich dahinter.

Man predigt immer wieder, man dürfe nicht Unrecht gegen Unrecht aufrechnen. Den Massenmord in Auschwitz müßten wir stets im Gedächtnis behalten. Aber ohne aufrechnen zu wollen, jedoch um zu verhindern, daß die Geschichte lediglich einseitig betrachtet und damit zur Lüge wird, wollen wir nicht vergessen, daß die brutale Massenvertreibung von Menschen aus ihrer angestammten Heimat, die seit 700 bis 800 Jahren unangefochten deutsches Land war, eben auch eine unleugbare Tatsache ist. Nicht weniger einmalig als Auschwitz ist das Massenvertreibungsverbrechen. Und zur vollständigen Betrachtung der Geschichte gehört auch die Tatsache, daß die Zahl der Opfer der Vertreibung nach amtlichen, meist verschwiegenen Angaben, mehr als doppelt so hoch ist wie die von Auschwitz.

Die Heimat im Osten – wobei wir nicht vergessen wollen, daß Mitteldeutschland nicht Ostdeutschland ist – wohin Deutsche vor Jahrhunderten gerufen wurden, um das Land zu kultivieren, mußten wir nach dem Willen der Siegermächte, in krassem Gegensatz zum geltenden Völkerrecht, abtreten.

Es war ein erschreckender Höhepunkt nationaler Würdelosigkeit und zugleich tiefsten Schmerzes für alle Heimatvertriebenen, als unsere Politiker und Parlamentarier die Abtretung uralten deutschen Landes mehrheitlich mit Beifall bedachten. Ein derartig schmähliches Verhalten wäre in keinem anderen Land auch nur vorstellbar. Der ehemalige Außenminister Genscher behauptete, wir hätten freiwillig auf ein Viertel deutschen Landes verzichtet, so, als wäre es sein privates Eigentum, über das er nach Belieben verfügen könnte. Im schroffen Gegensatz zu ihm erklärte der Bundeskanzler, ohne den Verzicht auf die Oder-Neiße-Gebiete hätten die europäischen Länder und die USA der deutschen Teil-Wiedervereinigung nicht zugestimmt. Ist dies die Handlungsweise von Freunden?

Ein Blick in die Statistik zeigt, daß auf jetzigem polnischen Gebiet 123,2 und in Rußland, das den nördlichen Teil Ostdeutschlands an sich gerissen hat, ganze 87 Menschen auf einem Quadratkilometer leben, während sich im verstümmelten Rumpfdeutschland 228 Menschen auf einem Quadratkilometer drängen (Statistik 1996).

Zudem strömen seit Jahr und Tag Millionen Ausländer mit fremder Kultur und Religion in unser Land, das inzwischen zu einem multirassischen, multiethnischen Schmelztiegel mit erheblichem sozialen Sprengstoff wurde.

Die "Welt am Sonntag" schrieb am 8. April 1995: "Nicht mehr Ausländer werden – ob gewollt oder nicht – ‘integriert’, sonder umgekehrt. In immer mehr Städten sind die Ausländer gegenüber den deutschen Kindern längst in der Überzahl. Viele unserer Landsleute fragen sich, ob wir noch Herr im eigenen Haus sind." Unsere Politiker und Medienleute verschweigen für gewöhnlich diese Fragen oder leugnen gar unabweisbare Tatsachen, obwohl sie im Grunde jedermann bekannt sind, die man aber nicht auszusprechen wagt und die für unsere Heimatvertriebenen zur schwärenden Wunde wurden, die nicht heilen will.

Wenn dann im vergangenen Jahr auf einer deutsch-polnischen Konferenz von polnischer Seite die Auffassung vertreten wurde, die Vertreibung der Deutschen aus ihrer Heimat sei ein "unvermeidliches Übel" gewesen, so ist ein solcher Zynismus nicht nur unfaßlich, sondern obendrein ausgesprochen dumm. Polen erwartet ja gerade von uns Fürsprache, daß es in die EU und in die Nato aufgenommen wird. Ist denn eine ethnische Säuberung, die vom Völkerrecht als Völkermord qualifiziert wird, ein "unvermeidliches Übel"? Soll eine solche Geisteshaltung auch in die Europäische Union und in die Nato Einzug halten, wenn Polen Mitglied dieser internationalen Organisationen werden wird?

Die Polen behaupten, die Vertreibung der Deutschen sei die Folge des deutschen Überfalls auf ihr Land. Kein Mensch bezweifelt, daß dieser Krieg ein Verbrechen war. Gerade wir Deutschen können uns nicht genug tun – allen voran die Politiker und Medienleute – das Volk in eine Bußgemeinschaft zu verwandeln. Kein Volk der Erde hat jemals so nachhaltig und so unzählige Male wie das deutsche seine Schuld bekannt. Weder Engländer noch Spanier, Russen, Chinesen usw. denken daran, es den Deutschen gleichzutun. Denken wir nur an die Ausrottung der Indianer oder an das "Schwarzbuch des Kommunismus" , das über 100 Millionen Tote aufführt.

So kam es, daß der estnische Präsident Lennart Meri vor drei Jahren am Tag der Deutschen Einheit erklärte, Deutschland sei eine Canossa-Republik. Und Lord Marsh erklärte ebenfalls vor drei Jahren im englischen Oberhaus: "Es ist eine Tatsache, daß die deutsche Paranoia, d.h. Geistesgestörtheit, und das Schuldgefühl über die zwölf fürchterlichen Jahre zwischen 1933 und 1945 bereits übertrieben sind und einen unheilvollen Einfluß auf eine bestimmte Generation gehabt haben. Die Art und Weise, wie manche Deutsche diese Bürde tragen, ja – ich möchte dies nicht als beleidigend aufgefaßt wissen – sich in ihr suhlen, ist nicht gut für Deutschland und somit nicht gut für Europa."

Und wenn die Polen ebenso wie unsere führenden Politiker immer wieder sagen, das ganze Unheil und Leid, das mit dem "Tag der Befreiung" über Millionen unserer Landsleute hereinbrach, habe 1933 begonnen, so ist dies zweifellos richtig. Aber ebenso richtig ist, was der erste Bundespräsident, Theodor Heuß, gewiß kein Nazi, bereits 1931 schrieb, die Geburtsstätte der NSDAP sei nicht München, sondern Versailles. Und wir dürfen auch daran erinnern, daß die ausländischen Staatsmänner Hitler Zugeständnisse machten, die sie seinen demokratischen Vorgängern verweigert hatten.

Übrigens schmachteten schon lange vor den Juden zahlreiche Deutsche in Konzentrationslagern, als die ganze Welt zu den Olympischen Spielen nach Berlin eilte und dem braunen Diktator begeistert zujubelte. Und noch im August 1940 wurde der "Todesgott" Reinhard Heydrich, der später die Massenvernichtung der Juden betrieb, zum Präsidenten von Interpol gewählt. Es war auch keine Ausgeburt teutonischer Phantasie, sondern der Vorschlag des Chefs des Eidgenössischen Polizeidepartements, die Ausweise und Pässe der Juden durch ein rotes "J" zu kennzeichnen.

Schließlich erklärte Winston Churchill im Juli 1938 dem Danziger Gauleiter Forster, die antijüdischen Gesetze seien kein Hindernis für eine deutsch-britische Verständigung. Natürlich ist dies alles keine Entschuldigung für die Verbrechen der Nazis. Aber so ganz unschuldig oder auch nur unbeteiligt an dem Grauen, das über die am schärfsten Verfolgten hereinbrach sind diese Staatsmänner nicht.

Für uns ist von herausragender Bedeutung, was Lloyd George bei den Verhandlungen in Versailles sagte: "Ich wiederhole Ihnen, daß wir niemals daran gedacht haben, Polen eine Provinz zu geben, die seit 900 Jahren nicht mehr polnisch gewesen ist... Der Vorschlag der Kommission , daß wir 2,1 Millionen Deutsche der Autorität eines Volkes mit einer anderen Religion unterstellen sollen, eines Volkes, das im Lauf der Geschichte noch niemals gezeigt hat, daß es sich zu regieren versteht, dieser Vorschlag würde früher oder später zu einem neuen Krieg in Europa führen." Und Präsident Wilson sagte am 7. April 1919: "Das einzige wahre Interesse Frankreichs an Polen besteht in der Schwächung Deutschlands, indem Polen Gebiete zugesprochen werden, auf die es keinen Anspruch besitzt."

Zur Zeit der Ostverträge fragte mich ein polnischer Bischof, was ich von diesen hielte. Er wünschte allerdings keine "höfliche", sondern eine ehrliche Antwort. Ich sagte ihm: "Jeder brave Pole ließe sich eher in Stücke reißen als auch nur einen Quadratmeter heiligen polnischen Bodens preiszugeben. Und uns soll man glauben, daß wir "freiwillig" auf über ein Viertel uralten deutschen Landes verzichten?"

"Haben Sie eine Lösung?", frage er mich. "Nun mir scheint, Deutsche und Polen könnten recht gut zusammenleben, ohne daß wir die Polen vertreiben müßten. Wenn nicht gerade Deutsche angesiedelt würden, für die Polen Menschen zweiter Klasse sind, schiene mir dies eine realistische Lösung zu sein. Beide Völker könnten voneinander lernen. Wir von den Polen mehr Kinderfreundlichkeit und ein Gespür für nationale Würde, sie von uns ein wenig Disziplin und konsequentes Arbeiten.

Zu meiner Überraschung stimmte er mit mir nahezu vollständig überein. Er bat mich jedoch, auf keinen Fall seinen Namen zu nennen, da er sonst die größten Schwierigkeiten bekäme. Ist das alles pure Phantasterei?

Am 18. Februar 1997 erklärte der Vorsitzende des Geopolitischen Ausschusses der Staatsduma, Mitrofanow, daß bei der Festschreibung der territorialen Nachkriegsordnung die polnische Frage im Mittelpunkt stand und daß es hinsichtlich der polnischen Gebietsansprüche Polen zur Bedingung gemacht worden sei, freundschaftliche Beziehungen zur Sowjetunion zu entwickeln, dessen Rechtsnachfolger heute Rußland ist. Das heutige Polen stehe jedoch in Feindschaft zu Rußland indem es dem gegen Rußland gerichteten Militärblock Nato beitrete. Als Folge dieser Entwicklung sei Polen verpflichtet, alle deutschen Gebiete, einschließlich des größten Teils von Ostdeutschland an Deutschland zurückzugeben. Daraus ergebe sich die Notwendigkeit von Verhandlungen zwischen Rußland und Deutschland zur Regulierung der Frage des russischen Teils von Ostdeutschland...

Diese Rede Mitrofanows fand den Beifall des überwiegenden Teils der Abgeordneten der Duma. Zukunftsmusik? Vielleicht. Utopisch? Immerhin erklärte Papst Johannes Paul II., der bekanntlich Pole ist, beim Empfang für das Diplomatische Corps in Bangkok: Das schwere Schicksal der Vertreibung könne niemals das letzte Wort für die Menschen sein. Dann sagte er wörtlich: "Sie haben ein Recht darauf, zu ihren Wurzeln zurückzukehren, heimzukehren in ihr Geburtsland mit seiner nationalen Souveränität seinem Recht auf Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Sie haben ein Recht auf die kulturellen Beziehungen, die sie in ihrem Menschsein nähren und aufrecht erhalten."

Vergessen wir nicht, daß die Polen 125 Jahre nach Auslöschung ihrer staatlichen Souveränität unverdrossen gesungen haben: Noch ist Polen nicht verloren ... Und in der Zeit der napoleonischen Unterdrückung schrieb Johann Gottlieb Fichte (1762 – 1814):

Du sollst an Deutschlands Zukunft glauben,

An Deines Volkes Auferstehn. Laß niemals Dir den Glauben rauben,

Trotz allem, allem, was geschehn.

Und handeln sollst Du so, als hinge

Von Dir und Deinem Tun allein

Das Schicksal ab der deutschen Dinge,

Und die Verantwortung wär Dein.

 
     
     
 
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