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Sehnsucht nach Wissen

 
     
 
Sie sagen all, du bist nicht schön, mein trautes Heimatland …" – Als Johanna Ambrosius diese zu Herzen gehenden Zeilen dichtete, da ahnte sie gewiß nicht, daß gerade diese Verse auch mehr als hundert Jahre nach ihrem Entstehen noch sehr beliebt sein würden. Kaum ein anderes Gedicht wird so oft von Ihnen gewünscht wie "Mein Heimatland" von Johanna Ambrosius.

Wer war nun diese Frau, der Verse voller Poesie gelangen, die einfühlsam zu Papier brachte, was sie sah, erlebte und was sie empfand. Auch wenn die Gedichte uns Heutige manchmal zu gefühlvoll anmuten, so sprechen sie doch eine klare Sprache und lassen eine Zeit auferstehen, die längst versunken ist. Von Liebe und Leid, von der Natur, vom Leben auf dem Lande erzählen die Gedichte der Johanna Ambrosius. Themen, die ihr nahestanden, die sie bewegten.

Johanna Ambrosius war eine Frau aus dem Volk. Geboren wurde sie als zweites Kind eines armen Handwerkers am 3. August 1854, vor bald 145 Jahren, in Lengwethen, Kreis Ragnit. Bis zu ihrem elften Lebensjahr besuchte sie die kleine Dorfschule und mußte dann den Eltern im Haus und auf dem Feld zur Hand gehen. Ihre Schwester Martha
, die ihr eng verbunden war, hat später einmal von einer ersten "sonnigen, sorglosen Jugend" berichtet, aber auch bedauert, "wie ihr lebhafter Geist sich selbst überlassen blieb, während dem zarten, ja zierlichen Körper die niedrigsten und schwersten Land- und Stallarbeiten aufgebürdet wurden".

Die Sehnsucht nach einem anderen Leben wurde gewiß groß, als der Vater, der selbst viel las, den Kindern erlaubte, die "Gartenlaube" zu lesen. Eine ferne Welt tat sich den beiden Mädchen auf, und doch holte die Realität sie schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. – "In meiner Jugend weinte ich oft vor Sehnsucht und Heimweh nach Wissen", hat Johanna einmal bekannt.

Als sie 20 Jahre alt war, heiratete sie einen Bauernsohn, dem sie zwei Kinder, Erich und Marie, gebar. Ein kleines Erbteil ermöglichte es den Eheleuten Voigt, ein Häuschen und ein Stück Land in Groß-Wersmeninken bei Lasdehnen zu erwerben. Das Leben war dennoch hart, die Arbeit schwer. Johanna kämpfte mit körperlichen und seelischen Schmerzen. 1884 dann entstand ihr erstes Gedicht. Schwester Martha sandte es mit anderen Versen heimlich an die Zeitschrift "Von Haus zu Haus", wo sie auch veröffentlicht wurden.

1894 dann gibt Karl Schrattenthal eine erste Auswahl ihrer Gedichte heraus. Das Buch erreicht sieben Auflagen und erhält lobende Kritiken. Die kleine Auswahl ihrer Gedichte genüge, so ein Kritiker, "um Bewunderung zu erwecken für eine Frau, die so belastet, so weltfern, nicht nur Geist und Gemüt zu hoher Entfaltung gebracht, sondern auch ein seltenes Feingefühl für Rhythmus und Ausdruck in sich entwickelt hat. Nur selten empfindet sie das Elend als etwas Unerträgliches … die Deutsche klagt wohl, aber sie greift nicht an und trotzt nicht …" – Liegt es vielleicht daran, daß ihre Verse uns heute noch so ansprechen?

Johanna Ambrosius bleibt ihrer Heimat treu, auch nach dem ersten Erfolg. Sie arbeitet weiter als Bäuerin. "Zeit zum Schreiben", so Karl Schrattenthal, "läßt nur der freie Sonntag – und wann dichtet sie? Auf dem Felde, im Garten, am Kochherde, im Stalle. Und da kommt ihr ein großes Gedächtnis zu Hilfe. Sie kann alle ihre Gedichte, es dürften fünfhundert sein, auswendig hersagen." Sie selbst hat einmal bekannt: "Meine Art zu dichten ist so: entweder setze ich über Stock und Stein frei meinen eigenen Weg ohne Aufenthalt fort, oder ich breche beim ersten besten Grashalm die Beine. Die meisten Lieder werden in einem Zuge niedergeschrieben; andere, wo ich bessern oder flicken muß, sind auch danach." Viele ihrer Lieder sind vertont worden und werden heute noch gern gesungen.

Johanna Ambrosius starb vor nunmehr 60 Jahren, am 27. Februar 1939, in Königsberg.

 
     
     
 
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