|  | Der Zusammenbruch der deutschen Ostfront leitete Vertreibung     Entrechtung und Vernichtung der Donauschwaben ein, die im Zuge der Pariser Vorortverträg     nach dem Ersten Weltkrieg auf die Staaten Jugoslawien, Rumänien und Ungarn aufgeteil     worden waren. Besonders brutales Leid widerfuhr den 200 000 deutschen Zivilisten, die in     Jugoslawien unter Titos Partisanenherrschaft gerieten. 
 Von ihnen wurden zwischen November 1944 und März 1948 rund 170 000 Personen  vo     kleinsten Kind bis zum ältesten Greis  in Lagern interniert. Etwa jeder Dritte ka     dort ums Leben. Gemäß der "Konvention über die Verhütung und Bestrafung de     Völkermords" der UNO besteht kein Zweifel, daß es sich bei den Verbrechen an de     deutschen Minderheit um Völkermord handelte.
 
 Um diesen Verbrechens
   komplex, der von der öffentlichen Meinung in Deutschland kaum zu     Kenntnis genommen wird, nicht der Vergessenheit anheim fallen zu lassen, legte die     Donauschwäbische Kulturstiftung zwischen 1991 und 1995 mit dem "Leidensweg de     Deutschen im kommunistischen Jugoslawien" eine vierbändige Dokumentation vor. 
 Mit diesen insgesamt 4000 Seiten dicken Wälzern konnte man natürlich keine breiter     Leserschaft ansprechen. Deshalb erschien 1998 mit dem Taschenbuch "Verbrechen an de     Deutschen in Jugoslawien" eine handliche Zusammenfassung.
 
 Parallel hierzu  und das ist die eigentliche Sensation  gibt es sei     einigen Jahren in der serbischen Intelligenz vereinzelte Stimmen, die sich für ein     vorurteilsfreie Aufarbeitung der Geschichte der Donauschwaben aussprechen. Vorläufige     Höhepunkt dieser Bemühungen stellt das Ende 1996 in Belgrad von Nenad Stefanovi     herausgegebene Buch "Ein Volk an der Donau  Gespräche und Kommentare"     dar, mit dem der inzwischen 38jährige ein jahrzehntelanges Tabu in Jugoslawien gebroche     hat.
 
 Mit über dreijähriger Verzögerung liegt dieses außergewöhnliche Werk nun endlic     in deutscher Sprache vor. Die Donauschwäbische Kulturstiftung, welche die deutsch     Übersetzung verlegt und herausgegeben hat, sieht es als "das erste in Belgrad in     serbischer Sprache erschienene Buch, das Informationen über das Leben und die Vertreibun     der Donauschwaben in einer ideologiefreien und mutigen Weise bringt".
 
 Stefanovic, Mitglied der Vereinigung der Schriftsteller und Journalisten Serbiens un     Redakteur der Zeitschrift "Duga", führte im Herbst 1995 in Deutschlan     Gespräche mit zwölf Donauschwaben. Deren Erlebnisse aus den Jahren 1944 bis 1948 stehe     im Mittelpunkt des Buches.
 
 Umrahmt werden sie von einem Vorwort des Belgrader Germanistik-Professors Zoran Zileti     sowie Beiträgen von Goran Nikolic, wiederum Ziletic und Friedrich Binder. Höchs     bemerkenswert ist die Tatsache, daß die Druckkosten unter anderem durch in     Baden-Württemberg lebende Serben aufgebracht wurden.
 
 Petar Mladjenovic, Sprecher dieser Spendergruppe, begründet ihren Einsat     folgendermaßen: "(...) wir Serben in der Diaspora und besonders in Deutschland"     bekamen " während des Bürgerkrieges in Jugoslawien 1991-1995 am meisten die     Schärfe des Drucks durch Lüge und Ungerechtigkeit gegenüber den Serben in de     ausländischen Medien zu fühlen (...). Deshalb glauben wir, daß wir auch selbst andere     helfen müssen, ihre Wahrheit zu Gehör zu bringen, wenn wir wollen, daß auch über un     die Wahrheit gesagt wird."
 
 Vorausgegangen war ein Schreiben des bereits erwähnten Ziletic, in dem der Professo     um einen Zuschuß gebeten hatte. In diesem Brief wird auf das Hauptziel der Publikatio     verwiesen, nämlich "das serbische Volk von der Anklage der Deutschfeindlichkeit zu     befreien". Aus den Erzählungen der Donauschwaben gehe eindeutig hervor, "da     sie nicht Opfer der Unduldsamkeit der Serben der Wojwodina, sondern des stalinisierten un     titoisierten Pöbels im Gefolge der Roten Armee waren".
 
 Die Konfiskation des Vermögens der Deutschen "diente damals als Anfangskapita     für die Sowjetisierung Jugoslawiens und der Wojwodina". Die Ausführungen gipfeln in     folgendem Vergleich: "Titos Kommunisten sind nämlich mit unseren Deutschen zwische     1944 und 1948 so umgegangen wie die Nazisten mit den deutschen Juden 1936-1945."
 
 Seinen Anfang nahm der Völkermord in den Beschlüssen der zweiten Tagung des AVNO     ("Antifaschistischer Rat der Volksbefreiung Jugoslawiens")  so hieß da     im Laufe des Zweiten Weltkrieges von Tito einberufene Scheinparlament bis zu     internationalen Anerkennung Tito-Jugoslawiens am 29. November 1945  im bosnische     Jajce vom 29./30. November 1943.
 
 In jenen Beschlüssen forderte Moscha Pijade, ein enger Mitarbeiter de     Partisanenführers Josip Broz Tito, für sogenannte "Volksfeinde" un     "Vaterlandsverräter" den Entzug der Freiheitsrechte und die Todesstrafe durc     Erschießen. Diese Verlautbarungen bildeten die Vorstufe zu dem, was am 21. November 194     in Belgrad vom AVNOJ erklärt und anschließend auch umgesetzt wurde.
 
 Die Jugoslawiendeutschen wurden als "Volksfeinde" bezeichnet, dere     bewegliches und unbewegliches Eigentum als "Feindvermögen" in Staatseigentu     übergehen sollte. Am 1. Dezember 1945 wurden die AVNOJ-Beschlüsse zu Gesetze     deklariert. Von den deutschfeindlichen Bestimmungen waren nur Personen ausgenommen, die     einen nichtdeutschen Ehepartner hatten oder die man als aktive Partisanenkämpfe     einstufte.
 
 Fast in jedem Dorf wurden Schulen, Fabrikanlagen oder Gaststätten zu     Konzentrationslagern umfunktioniert. Ein besonders trauriges Kapitel sind die     Kinderschicksale. In den donauschwäbischen Siedlungsgebieten Jugoslawiens sollen am 1     November 1944 zwischen 35 000 und 40 000 Kinder und Jugendliche unter 16 Jahre elternlo     zurückgeblieben sein.
 
 Da die Väter und Mütter entweder tot oder zur Zwangsarbeit verschleppt waren     gelangten die Kinder mit ihren Großeltern oder anderen Verwandten in Lager, in dene     ungefähr 20 000 das erste Jahr nicht überlebten, ehe man sie in staatlich     Umerziehungsheime einwies.
 
 Aus Österreich und der Bundesrepublik versuchten die aus der Zwangsarbeit entlassene     Eltern, nach ihren Kindern zu suchen. Zwischen 1950 und 1959 konnten über das Rote Kreu     Transporte mit 2500 Personen durchgeführt werden. Dennoch blieben viele Kinder zurüc     und wurden slawisiert.
 
 Den ganzen zweiten Gesprächskomplex bilden Erlebnisberichte damaliger Kinder. Wie seh     beispielsweise der Hunger die Insassen des berüchtigten Lager Rudolfsgnad quälte, in de     ungefähr 11 000 Donauschwaben starben , erzählt Heinrich Köller (Jahrgang 1933)     "Wir überlebten, indem wir uns von herumlaufenden Hunden und Katzen ernährte     (...). Ratten haben wir nicht gegessen, zumindest ist es mir nicht bekannt, aber si     fraßen unsere Leichen."
 
 Diesen Gesprächen stellt Stefanovic eine Versöhnungsidee voran, die es verdient     weiter verfolgt zu werden. Er hofft, "daß sich an einem gleichen Tag serbische un     deutsche Freunde am Mahnmal der erschossenen serbischen Schüler von Kragujevac (230     dieser Geiseln wurden am 16.10.1941 als Rache für ein Massaker an Wehrmachtsangehörige     umgebracht; Anm. d. Verf.) versammeln und sich sodann nach Rudolfsgnad begeben, um dor     auf der Flur, wo die Kinder des gleichnamigen Lagers beerdigt sind, ein Kreuz zu     errichten".
 
 Wohltuend von manch oberflächlicher und monokausaler Betrachtung, die als Grund fü     die Untaten an den Deutschen das Verhalten der Donauschwaben und der Wehrmacht zwische     1941 und 1944 anführt, hebt sich die Analyse von Ziletic ab. Ihm ist es auch zu danken     daß in Rudolfsgnad wenigstens eine Gedenktafel an die donauschwäbischen Opfer erinnert.
 
 Im Vorwort stellt er fest: "Die Wojwodina-Deutschen wurden bei uns nach 1944 ihre     eigentlichen Geschichte beraubt. (...) Um ihr oft enormes Vermögen beschlagnahmen zu     können, das durch die unermüdliche Arbeit von Generationen erworben wurde, die die bi     ins 18. Jahrhundert hinein verwüstete und versumpfte Wojwodina in eine Kulturlandschaf     erster Ordnung verwandelte, hat man ihre historische Vergangenheit durch eine mythisch     ersetzt."
 
 In der nächsten Folge des "es" werden an dieser Stell     weitere zentrale Inhalte des Sensationsbuches dargestellt und ein Überblick über die     Lage der wenigen heimatverbliebenen Donauschwaben in Jugoslawien gegeben. Das Buc     "Ein Volk an der Donau" ist für 20,- DM zu beziehen über: Donauschwäbisch     Kulturstiftung, Goldmühlestraße 30, D-71065 Sindelfingen.
 
 
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