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Staatskrise

 
     
 
In Österreich ist jetzt endlich eine "Causa" bewältigt, die reichlich skurrile Züge trägt und bei der die Öffentlichkeit wieder einmal miterleben konnte, wie einseitig die Keule "Vergangenheitsbewältigung" eingesetzt wird. Es ging um ein Mitglied der Länderkammer, um Bundesrat Siegfried Kampl, der zugleich Bürgermeister von Gurk ist. Kampl war durch die Kärntner FPÖ in den Bundesrat entsandt worden und dann zum neugegründeten BZÖ übergewechselt. Turnusmäßig hätte er im zweiten Halbjahr
2005 Präsident des Bundesrates sein sollen. Zum Verhängnis wurden ihm aber Äußerungen, die er im Zusammenhang mit dem "großen Jubiläumsjahr" tätigte: Es habe 1945 eine "brutale Naziverfolgung" gegeben, und Deserteure seien "Kameradenmörder" gewesen.

Kampls Glück ist, daß die Gummiparagraphen des "Verbotsgesetzes" nur Meinungen zur NS-Zeit, nicht aber zur Zeit danach mit Gefängnis bedrohen. Die einhellige Meinung aller Gutmenschen - der sogenannte "demokratische Grundkonsens" - war allerdings, Meinungsfreiheit könne nicht so weit gehen, daß ein Mann mit derartigen Meinungen Präsident des Bundesrates werden dürfe. Nun kann man Kampl sicher einen Mangel an politischem Gespür und an dialektischen Fähigkeiten vorwerfen, wie das eben bei kleinen Provinzpolitikern vorkommen mag. Tatsache ist jedenfalls, daß gegen alle mit der NSDAP in Beziehung stehenden Personen pauschal und vorwiegend ohne Feststellung individueller Schuld Sanktionen verhängt wurden. Tatsache ist weiters, daß 1945 auch private "Abrechnungen" vorkamen - Kampl war als Kind Augenzeuge einer solchen Tat. Und belegt sind auch Fälle von echtem Kameradenmord - nicht bloß von Gefährdung der Kameraden durch Desertion. Aber das interessiert ja keinen.

Wie sollte man die "Staatskrise" lösen? Kampl wurde zunächst aufgefordert, sein Mandat niederzulegen. Später überredete ihn Landeshauptmann Jörg Haider zum Verzicht auf den Vorsitz im Bundesrat. Doch dann wurde Kampl völlig überflüssigerweise vom amtierenden Bundesratsvorsitzenden, einem SPÖ-Mann, in einer Plenarsitzung vor laufender Kamera angegriffen. Kampl zog daraufhin seinen Verzicht wieder zurück.

Es folgten mehr oder weniger unbedachte Forderungen, die bei näherem Hinsehen alle auf die Schlachtung einer heiligen Kuh, nämlich des "freien Mandats" hinausgelaufen wären. Obwohl dieses gar nicht so frei ist, denn Abgeordnete wird man nur, wenn man auf einer Parteiliste steht. Schließlich einigte man sich auf eine Verfassungsänderung! Es ist nun den Landtagen der Bundesländer erlaubt, die Reihung der von ihnen in den Bundesrat entsandten Abgeordneten - und damit den Vorsitz - nachträglich zu ändern. Das Vaterland ist gerettet, auch wenn der Kärntner Landtag erst ein paar Tage nach Torschluß die Umreihung beschließen kann. Die "Lex Kampl", ein typischer Fall von "Anlaßgesetzgebung", wird voraussichtlich aber noch den Verfassungsgerichtshof beschäftigen. RGK
 
     
     
 
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