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Sympathischer Held

 
     
 
Es macht Spaß, Martin durch das Ordensland des 13. Jahrhunderts zu begleiten. Martin ist ein Ritter des Deutschen Ordens und ein richtiger Sympathieträger. Er ist anständig, korrekt, pflichtbewußt und für sein Alter bemerkenswert besonnen. Redlich und nicht ohne Erfolg bemüht er sich, dem Ideal seines Ordens, dessen Ethos er verinnerlicht hat, gerecht zu werden. Bei alledem ist Martin jedoch nicht ein hundertprozentiger, fanatischer Musterschüler. So reagiert er mit Humor und Nachsicht auf das Menscheln seines treuen Knappen Konrad, der mehr noch als dem Essen den Frauen überaus zugetan ist. Doch auch bei sich selber läßt Martin in unwesentlichen Fragen schon einmal fünf gerade sein. So ist er auch schon einmal ohne angelegten Ordensmantel unterwegs, obwohl ihm wohl bewußt ist, "daß der Orden es lieber sah, wenn seine Ritter jederzeit als solche erkennbar waren". Auch größerer Unterlassungssünden macht der Ritter sich schon einmal schuldig, doch diese geschehen dann nicht aus Absicht, und er ist dann auch selbstkritisch genug, diese bei nächster Gelegenheit gegenüber seinem Vorgesetzten offen zu bekennen und zu benennen. Weil Martin einem also die Identifikation mit ihm leicht macht und der Autor Christian Uhde die kleinen Abenteuer des sympathischen Ritters sehr lebendig und anschaulich schildert, taucht man gerne in die Welt des Ritters ein.

Da in die Handlung kleine Exkursionen eingebaut sind über das Ethos, die Kleidung, die Burgen, die Hierarchie, die Gegner, den Staat, den Alltag und anderes Wissenswertes hinsichtlich des Deutschen Ordens, kann man als Erwachsener sich zudem noch des guten Gefühls erfreuen, mit der Lektüre etwas für die Allgemeinbildung zu tun. Dieses gute Gefühl wird für den jungen Leser sicherlich kein Leseargument sein, da für ihn Lernen eher "doof" ist und er möglicherweise gar nicht merkt, daß er hier etwas lernt. Gerade aber weil dem Leser hier auf relativ unauffällig
e Weise Wissenswertes über den Deutschen Orden untergejubelt wird, scheint dieses Buch insbesondere für Kinder und Jugendliche geeignet. Hinzu kommt, daß das jugendliche Alter des Ritters Martin Jungen die Identifikation mit ihm erleichtert und die Sprache zwar genau und variantenreich, aber nicht sonderlich anspruchsvoll ist.

Hier hat Uhde eine interessante Marktlücke bedient. Jeder richtige Junge ist doch ab und an gerne einmal ein Ritter, der mit Papp-, Holz- oder Plastikschwert für das Gute ficht. Einerseits gefördert und andererseits bedient wird dieses Interesse am Rittertum heutzutage durch Scharen von anglo-amerikanischen Filmproduktionen über Helden wie Prinz Eisenherz und König Artus sowie König Löwenherz und Robin Hood. Doch warum sollen sich deutsche Jungs (nur) mit Rittergeschichten aus England beschäftigen, wo der Deutsche Ordensstaat als Vorgänger Preußens nicht nur geographisch ungleich näher liegt?!

Allerdings bestehen zwischen den Filmen über König Löwenherz, König Artus und Prinz Eisenherz ei-nerseits und dem Buch über Ritter Martin zwei gewichtige Unterschiede. Zum einen sind die Erstgenannten königlichen Geblütes und ihr Leben ist entsprechend unrepräsentativer, aber auch spektakulärer als das des einfachen Ritters Martin. Zum anderen hat die Geschichte um den Ritter Martin im Gegensatz zu jenen über Löwenherz, Artus und Eisenherz keinen Spannungsbogen, sondern ist vielmehr eine Aneinanderreihung von Episoden und Aufgaben, mit denen Martin sich nacheinander konfrontiert sieht und die er - pflichtbewußt, wie er ist - auch abarbeitet. Die Aufgaben sind vom Autor insofern geschickt gewählt, als sie Martin zu diversen Metropolen des Ordensstaates führen und mit vielen Tätigkeitsfeldern eines Ritters des Deutschen Ordens in Berührung bringen. Auch sind die einzelnen Episoden, sprich Kapitel, in sich durchaus rund. Nichtsdestoweniger hinterläßt das Fehlen eines großen tragenden Spannungsbogens trotz der schönen und anschaulichen Beschreibungen sowie durchaus vorhandener kleiner Spannungsbögen in den einzelnen Kapiteln am Ende der Buchlektüre ein unbefriedigendes Gefühl der Unvollständigkeit, der Leere, der Enttäuschung. A. Liedfeger

Christian Uhde: "Martin - Mit einem Ordensritter in Preußen", DDV, Lüneburg, Taschenbuch, 321 Seiten, 19 Euro
 
     
     
 
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