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Unter die Haut gegangen

 
     
 
Die Sonne verfinsterte sich, dunkle Wolken türmten sich am Himmel, es wehte ein kühler Wind, der einen frösteln ließ. Das Wetterszenario hätte besser nicht zum Anlaß passen können: Es war der 31. Juli 2006, der Tag, an dem vor 37 Jahren genau an dieser Stelle etwa zur gleichen Uhrzeit, kurz nach 15 Uhr, die Sängerin Alexandra mit ihrem Mercedes einem Lkw die Vorfahrt nahm, von ihm erfaßt und mitgerissen wurde. Sie starb noch am Unfallort. Ihre Mutter Valeska Treitz, die sich wie auch Alexandras Sohn mit im Wagen befand, starb auf dem Weg ins Krankenhaus. Nur der kleine Alexander (Sascha genannt) überlebte leicht verletzt den Unfall. Inzwischen gibt es die Todeskreuzung nicht mehr. Eine Brücke quert heute die B 203, die ehemalige Ortsdurchfahrt ist eine Sackgasse. Alle paar Wochen habe es einen schweren Unfall dort gegeben, berichtet ein Augenzeuge. Zum Gedenken an die junge Frau hat nun der „Alexandra- Freunde-Verein e. V.“ gemeinsam mit der Gemeinde Tellingstedt am Todestag der Sängerin einen Gedenkstein an der Unfallstelle errichtet, dort, wo damals die Kreuzung war. Der Einladung des Vereins waren etwa 80 Menschen - Fans und Ortsbewohner - gefolgt. Der NDR machte Aufnahmen für den Hörfunk und für die regionale Fernsehsendung „DAS“, die am nächsten Tag ausgestrahlt wurden. Anderthalb Jahre habe es gedauert, bis alle Formalitäten und Zuständigkeiten geklärt waren, die Genehmigung und Unterstützung Tellingstedts vorlagen, erzählte der Vereinsvorsitzende des erst seit drei Jahren bestehenden „Alexandra-Freunde-Vereins e.V.“ Michael Rasig während seiner Ansprache. Bei den Tellingstedtern habe man offene Türen eingerannt. Nachdem Bürgermeister Jasper die Fans begrüßt hatte, hielt Alexandras Cousine Marleen Zaus eine sehr persönliche Ansprache, in der sie die letzte Begegnung mit dem Menschen Alexandra schilderte. Nach den Enttäuschungen der letzten Monate hatte Alexandra die Cousine gebete
n, ihre persönliche Sekretärin zu werden. Sie wollte mit Menschen zusammenarbeiten, denen sie vertrauen konnte. Marleen mußte jedoch ablehnen, weil sie in Düsseldorf verheiratet war und ihre Stelle nicht aufgeben wollte. Überdies plante sie, bald eine Familie zu gründen. Alexandra war sehr traurig darüber. Von dem schrecklichen Unfall erfuhr Marleen erst einen Tag später. Weil der 31. Juli ihr Hochzeitstag ist, war sie mit ihrem Mann ausgegangen. Ein Telefon besaßen sie damals nicht. So erfuhr sie erst am nächsten Morgen durch die schockierten Kollegen ihrer Dienststelle, was geschehen war. Es war ein bewegender Moment, als die beiden Cousinen mit Elena, Alexanders Ehefrau, den Gedenkstein enthüllten. Einige Minuten verharrte die Familie in andächtigem Schweigen. Der Ural-Kosaken-Chor, der zur Zeit auf Europatournee war, sowie die Sängerin Dorothee Lotsch umrahmten die Veranstaltung mit Liedern der Künstlerin, die sie auf deutsch und russisch sangen. Am Abend gab der Ural-Kosaken- Chor in Tellingstedt ein Konzert zu Ehren Alexandras. Nach der Einweihungszeremonie standen Fans und Familienangehörige in kleinen Gruppen zusammen, hielten den Tag mit Fotos fest. Elena, von den Fans befragt, erzählte bereitwillig, daß Alexandras Sohn zur Zeit in Boston sei, und wohl gekommen wäre, wenn er sich in Deutschland aufgehalten hätte. Er sei fasziniert davon, daß seine Mutter so viele Jahre nach ihrem Tod noch eine Fangemeinde habe, die sich so für sie einsetzt. Elena glaubt jedoch auch, daß Alexander das Trauma seiner Kindheit wohl nicht noch einmal in Erinnerung gerufen haben wollte. An seine Mutter könne er sich gut erinnern, an den Unfall selbst nicht. 

Er war damals erst sechs Jahre alt. Daß Elena dem Ereignis beiwohnen konnte, liegt daran, daß sie, die selbst in klassischem Gesang ausgebildet ist, gerade in Österreich gastierte. Elena, die aus Rußland stammt, hörte erstmals vor etwa 15 Jahren in Amerika von Alexandra. Sie, die Sängerin mit der klassischen Ausbildung, sagt, es sei etwas ganz Besonderes in Alexandras Stimme gewesen, etwas, das unter die Haut gehe. Gerne würde die Familie nach Europa umziehen, wenn die berufliche Perspektive klar wäre. Alexander habe den Versuch unternommen, ebenfalls eine Gesangskarriere zu starten, doch mit russischen Themen könne man in Amerika nicht landen, sagt sie. Auch in Europa läßt der Erfolg bislang auf sich warten. Zuweilen denke Alexander darüber nach, wie wohl sein Leben verlaufen wäre, wenn er in Deutschland aufgewachsen wäre, erzählt Elena. Der „Alexandra-Freunde-Verein e.V.“ trifft sich jedes Jahr anm Todestag der Künstlerin. Für das Jahr 2007 ist ein Treffen in Alexandras Geburtsort Heydekrug vorgesehen. Erste Kontakte dorthin wurden bereits geknüpft.

 

Ein kurzes Leben

Alexandra: Die Sängerin wurde am 19. Mai 1942 in Heydekrug / Memelland geboren, 1944 Flucht aus Ostdeutschland und Ankunft in Kiel. 1960 / 1961 Ausbildung zur Grafikerin, 1962 Heirat mit dem 30 Jahre älteren Russen Nikolaj Nefedov, 1963 Geburt des Sohnes Alexander, 1964 Scheidung, Ausbildung zur Schauspielerin in Hamburg. 1966 Entdeckung durch Produzent Fred Weyrich, Plattenvertrag. 1967 Rußland- Tournee mit Hazy Osterwald, Bädertournee durch Norddeutschland, Auftritte in Fernsehshows, Ende 1967 Tournee mit Adamo. 1968 weitere Plattenaufnahmen, Modenschau in Paris, TV-Auftritte, Teilnahme an Festivals in Bulgarien und Brasilien, Planung für die TV-Produktion „Porträt in Musik“ mit Truck Branss. 1969 private Rückschläge: Tod des Vaters, Verlobung mit einem Heiratsschwindler, Trennung. Erholung in Davos, Auftritt im holländischen Fernsehen, Erscheinen der dritten LP. 31. Juli 1969: Besuch der Schallplattenfirma Phonogram in Hamburg, Weiterfahrt Richtung Sylt, tödlicher Unfall in Tellingstedt.
 
     
     
 
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