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Urteil: Aussiedler nach dem 21. August 1962 behalten polnische Staatsangehörigkeit

 
     
 
Nach dem polnischen Recht ist bisher eine Rückgabe des konfiszierten Privateigentums nur an polnische Staatsangehörige möglich. Nach der bisherigen Auffassung in Polen haben Vertriebene und Aussiedler, die legal ihre Heimat mit einer sogenannten Reiseurkunde (dokument podrózy), die zum einmaligen Grenzübertritt berechtigte, verlassen haben, die polnische Staatsangehörigkeit verloren.

Das Oberste Verwaltungsgericht der Republik Polen
hatte im Januar den Fall einer Familie aus dem Ermland zu entscheiden gehabt. Diese Familie hatte ihre Heimat im Zuge der Familienzusammenführung in den siebziger Jahren verlassen. Hierzu mußte sie ihr Privatvermögen auf den polnischen Staat übertragen, um die Ausreisegenehmigung zu erhalten. Sie forderte nun eine Bestätigung ihrer polnischen Staatsangehörigkeit und die Rückgabe des vom polnischen Staat zwangsweise übernommenen Privatvermögens. Im Gerichtsverfahren trug die Familie vor, daß die Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland und die Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit nicht zum Verlust der polnischen Staatsangehörigkeit führte. Damit sei die durch den polnischen Staat erzwungene Übergabe ihres Privatvermögens rechtswidrig gewesen.

Die Aussiedlung aus dem polnischen Bereich in die Bundesrepublik Deutschland fand nach den Vertreibungsmaßnahmen auf der Grundlage eines nicht veröffentlichten Staatsratsbeschlusses statt. Es handelt sich um den Beschluß Nr. 37/56 vom 16. Mai 1956 über die Zustimmung zum Wechsel der polnischen Staatsangehörigkeit bei den deutschen Vertriebenen. Die Betroffenen mußten beim Staatsrat die Zustimmung zum Staatsangehörigkeitswechsel beantragen. Nach polnischer Auffassung ging mit dem Erlangen der deutschen Staatsangehörigkeit – die polnische Seite ging davon aus, daß es sich bei den Betroffenen ausschließlich um polnische Bürger handelte – die polnische Staatsangehörigkeit verloren.

Das Oberste Verwaltungsgericht in der Republik Polen hat in dem obengenannten Fall festgestellt, daß der Staatsratsbeschluß Nr. 37/56 zum Zeitpunkt der Aussiedlung ungültig war, weil er mit dem Inkrafttreten des Gesetzes über die polnische Staatsangehörigkeit vom 5. Februar 1962 (Dz. U. Nr. 10, poz. 49) außer Kraft gesetzt wurde. Das Staatsangehörigkeitsgesetz ist gemäß Artikel 21 sechs Monate nach der Verkündung in Kraft getreten. Es wurde am 21. Februar 1962 verkündet und entfaltet damit seit dem 21. August 1962 Rechtswirkung.

Diejenigen, die nach dem 21. August 1962 ausgesiedelt sind, haben demnach die polnische Staatsangehörigkeit behalten. Für sie ist durch die vorgenannte Gerichtsentscheidung eine neue rechtliche Perspektive eröffnet, das in der Heimat zurückgelassene Privatvermögen vom polnischen Staat zurückzufordern.

Alfons Ryborz (DOD)

 
     
     
 
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