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Vater Staat entdeckt seine Kinder

 
     
 
Kostenlose Kindergartenplätze für alle, Rundumbetreuung in staatlicher Regie, etwas Draufsatteln beim Kindergeld, Steuervergünstigungen und Bonus bei Rente und Krankenkasse - was ist Deutschlands Familien in den letzten Wochen nicht alles versprochen worden! So ist es eben: Wenn Wahlen anstehen (oder drohen), wie in diesen Tagen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg
und Rheinland-Pfalz, zieht Vater Staat die Spendierhosen an. Mit großzügigen Geschenken soll der Bürger an die Urnen gelockt und zum Ankreuzen an der richtigen Stelle verlockt werden. Dies um so mehr, als die Wahlkämpfer der beiden großen Parteien sich diesmal sehr zurückhalten - schließlich ist der Gegner vor Ort zugleich Koalitionspartner auf höherer Ebene, das dämpft die Kampfeslust.

Und irgendwie paßt es ja auch zum Stil dieses Kuschel-Wahlkampfs der Großkoalitionäre, daß sie sich voller Inbrunst auf die sogenannten "weichen Themen" stürzen, wozu nach gängigem Sprachgebrauch "Familie und Kinder" zählen.

Vater Staat hat also seine Kinder entdeckt. Vor allem jene Kinder, die sein Volk leider nicht beziehungsweise in viel zu geringer Zahl hat. Als ob die dramatisch schrumpfenden Geburtenraten, die nun von Politikern jeglicher Couleur beschworen werden, etwas völlig Neues wären. So müssen sich unsere Politiker fragen lassen, warum sie eigentlich in den letzten 20, 30 Jahren jene warnenden Stimmen überhört haben, die schon damals die gefährliche demographische Entwicklung sehr konkret und sehr genau vorausgesagt haben. Stellvertretend für alle sei hier die Publizistin und Psychotherapeutin Christa Meves genannt.

Davon will Vater Staat heute natürlich nichts wissen. Er gefällt sich lieber darin, die Wohltaten gebührend herauszustellen, die er wählerwirksam und zum Wohle der eigenen Partei in Aussicht stellt. Worauf aber vorsichtshalber nicht hingewiesen wird: Bei allem, was die Politiker in diesen Tagen den Familien versprechen (und größtenteils hinterher doch nicht halten), handelt es sich nicht um großherzige Almosen, sondern um profitable Langzeit-Investitionen, mit Renditen, die manch ausgefuchsten Anlageberater vor Neid erblassen lassen.

Das Münchner ifo-Institut, geleitet von Prof. Hans-Werner Sinn, hat im vergangenen Jahr im Auftrag der Robert-Bosch-Stiftung untersucht, welche Ausgaben und Einnahmen dem Staat während des gesamten durchschnittlichen Lebenszyklus eines Menschen entstehen. Die Forscher kommen zu erstaunlichen Ergebnissen: Der Staat bleibt deutlich im Plus.

Auf der Ausgabenseite schlagen vor allem die Kosten für Kinderbetreuung, Bildung und Ausbildung zu Buche: mit 136000 Euro im Schnitt. Der Ausfall an Steuern und Beiträgen durch familienspezifische "Privilegien" wird mit 120000 Euro beziffert. Gezielte familienpolitische Maßnahmen, also direkte Zuwendungen an die Eltern von Kindern, kosten 65000 Euro. Hinzu kommen 104000 Euro für sonstige staatliche Leistungen, die ein Kind über den gesamten Lebenszyklus erhält. In der Summe beläuft sich das auf 405000 Euro staatlicher Ausgaben pro Kind. Als Basis dieses Rechenmodells diente ein im Jahr 2000 geborenes Kind mit den für diesen Jahrgang typischen demographischen Daten (statistische Lebenserwartung, Ausbildung, Eintritt ins Berufsleben, Einkommen, Renteneintritt usw.).

Auf der Habenseite von Vater Staat stehen Einnahmen aus Verbrauchssteuern (126000 Euro) und Einkommenssteuer (102000) sowie Einzahlungen in die Rentenversicherung (139000 Euro) und die Krankenkassen (70000 Euro). Zusammen mit einer Reihe weiterer kleinerer Einzelposten errechnet sich daraus unterm Strich ein Überschuß von 77000 Euro. Das ist immerhin eine Netto-Rendite von knapp über 19 Prozent. Im Klartext: Familienpolitik ist für den Staat ein gutes Geschäft.

Darüber sollte aber eines nicht vergessen werden: Es wirft kein gutes Licht auf den geistigen Zustand unserer Gesellschaft, wenn über Familie und Kinder immer nur unter finanziellen Aspekten diskutiert wird. So wichtig die materiellen Dinge auch sind - einer Kulturnation stünde es gut an, wenn seine Bürger und seine Politiker ein Kind, welches das Licht dieser Welt erblickt, nicht in erster Linie als Kosten- oder Einnahmenfaktor sehen würden - sondern als Mensch und (laut 1. Mose, 27) Ebenbild Gottes. Juliane Meier

Vater Staat und seine Kinder: Vor den Wahlen entdeckt, nach den Wahlen wieder vergessen?
 
     
     
 
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