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Von Verdächtigungen überschattet

 
     
 
Ein Drittel der österreichischen Stimmbürger ist im Oktober zu Landtagswahlen aufgerufen: Am 2. in der Steiermark, am 9. im Burgenland - beides zum regulären Termin - und am 23. in Wien, wo die Wahlen um ein halbes Jahr vorgezogen werden. Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) hatte dies schon vor dem Sommer beschlossen, das Datum aber erst nach Rück-kehr vom gewohnten Toskana-Urlaub bekanntgegeben. So tut man s als unumschränkter Herr einer Kaderpartei mit absoluter Mandatsmehrheit. Warum dann eigentlich die Vorverlegung? Häupl hatte versucht, die christdemokratische ÖVP mit dem "Kostenargument" dazu zu bewegen, auch die im Herbst 2006 fällig
en Nationalratswahlen vorzuziehen und zugleich mit den Landtagswahlen abzuhalten. Daß Bundeskanzler Schüssel auf die Bauernfängerei nicht hereinfallen würde, war abzusehen.

In allen drei Bundesländern wird auch die Bundespolitik gehörig mitspielen, was - wie meistens bei "Wahlen zwischendurch" - der Opposition nützt. Egal wer aktuelle Probleme verursacht hat, irgendwie bleiben sie an der Regierung hängen: So etwa die steigende Arbeitslosigkeit oder das Chaos mit deutschen "Numerus-clausus-Flüchtlingen" an den Universitäten. Und Gerüchte, daß die Regierung eine allgemeine Pkw-Maut plane, werden vom rechtsliberalen BZÖ-Verkehrsminister Alfons Gorbach so eifrig dementiert, daß ihm keiner glaubt.

In der Steiermark hatte die ÖVP mit Landeshauptmann Waltraud Klasnic - sie besteht auf "Hauptmann" - anfänglich beste Karten, zeigt aber deutlichen Verschleiß: Der einst als Kronprinz gehandelte Landesrat Hirschmann wurde zunächst in die mehrheitlich landeseigene Elektrizitätsgesellschaft abgeschoben, machte sich dann als Aufdecker bemerkbar, tritt jetzt mit einer eigenen Liste an - und ist seinerseits mit Verdächtigungen konfrontiert. Die ÖVP wird auch durch eine Korruptionsaffäre um den bekannten Tierpark Herberstein in schiefes Licht gerückt und könnte erstmals auf den zweiten Rang abgleiten. FPÖ, BZÖ und die Liste Hirschmann werden kaum die Fünf-Prozent-Hürde schaffen und scheiden als Königsmacher für die ÖVP aus. Durch Protestwähler könnte aber die KPÖ nach langer Abwesenheit wieder in den Landtag einziehen. Allgemeiner Linksrutsch also.

Im Burgenland mit relativer SPÖ-Mehrheit ist die "Bank Burgenland" vorrangiges Wahlkampfthema. Das Institut war 2000 durch den Großbetrüger Thom alias Hom-Rusch um 2,4 Milliarden Schilling geprellt worden. Während Thom, der in Deutschland zu fünf Jahren verurteilt wurde, längst auf freiem Fuß ist, blieb die Bank auf den faulen Krediten sitzen und konnte nur mit Landeshilfe gerettet werden. Landeshauptmann Hans Niessl trachtete, die Bank noch vor den Wahlen zu verkaufen und zwar an den umstrittenen österreichischen Investor Kovats. ÖVP und Grüne waren dagegen. Die FPÖ, mit deren Hilfe die SPÖ die nötige Mehrheit im Landtag bekommen hätte, verlangte eine Prüfung durch den Bundesrechnungshof - worauf Kovats sein Angebot zurückzog. Der SPÖ scheint es nun zu gelingen, aus der "Verhinderung durch die anderen" Kapital zu schlagen. Das BZÖ ist im Burgenland nicht existent. Aber auch die FPÖ muß um den Einzug in den Landtag bangen.

In Wien wird mit einem neuerlichen Erfolg der SPÖ gerechnet. ÖVP und Grüne ringen um Platz zwei, den bis zur Abspaltung des BZÖ die FPÖ innehatte. Das BZÖ dürfte mit zwei oder drei Prozent die Hürde nicht schaffen, aber die FPÖ entsprechend schwächen. Spitzenkandidatin der Grünen ist eine gebürtige Griechin, die als Studentin nach Österreich kam. Mit Ausnahme der FPÖ haben alle Parteien auch eingebürgerte Türken nominiert - auf den Wahlkampfkalendern findet man daher Moscheenbesuche und "Hochzeitsbesuche bei Türken". Da Einbürgerungen bisher Landessache waren und das Wahlalter auf 16 Jahre herabgesetzt wurde, wird "Einbürgermeister" Häupl vom Türken-Potential am meisten profitieren. In seiner Selbstherrlichkeit will er aber auch die Grünen übertrumpfen - mit Forderungen nach einem Dosenpfand (was ohnedies Bundeskompetenz wäre) und einem verschärften "Autos raus". Daß er genau damit noch mehr Betriebe und Kaufkraft ins Umland abdrängt, spielt keine Rolle, denn an der in Wien überdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit ist ohnehin die Regierung schuld.

Die Wahlergebnisse werden auch die Bundespolitik beeinflussen. Innerhalb der ÖVP könnten sie eine Vorentscheidung zwischen Großkoalitionären und Befürwortern von Schwarz-Grün bringen. Vor allem aber wird sich zeigen, ob Jörg Haiders BZÖ außerhalb Kärntens eine reale Größe ist oder nur Phantom.
 
     
     
 
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