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Von der Würde des Menschen

 
     
 
Treue zur Natur und Treue zur Tradition sind meine Grundpfeiler", hat der Bildhauer Arno Breker (1900–1991) einmal bekannt. Der in Elberfeld geborene Sohn eines Steinmetzen hat alle Höhen und Tiefen durchleben müssen, die man sich nur denken kann. Bewunderung und krasse Ablehnung sowie herbe Kritik lagen nah beeinander. Zum einen warf man ihm seine Beziehungen zu den Mächtigen des Dritten Reichs vor, zum anderen die Wahl seiner Motive in der Kunst. Doch Breker ließ sich nicht beirren. "Was ist denn das größte Wunder der Schöpfung? Der Mensch! Der Mensch in seiner vollkommensten und idealsten Form. Es gibt kein größeres Thema, an dem zu messen es sich lohnen würde." Und so stand der Mensch denn auch im Mittelpunkt seines reichen Schaffens, mochte die moderne Kunstgeschichts
schreibung ihn auch totschweigen oder gar verachten. "Die Bildnisse nach den Menschen, die ich schaffe, sind nicht idealisiert. Sie verkörpern Ideale und Eigenschaften, die erstrebenswerte Ziele aller Menschen sind: Menschenwürde, Friede, Respekt, Freundschaft, Toleranz und Freiheit", entgegnete er seinen Kritikern.

Seit jeher ist die Darstellung des Menschen Gegenstand der Kunst. Und so sind die ältesten noch erhalten gebliebenen Kunstwerke aus Vor- und Frühgeschichte Darstellungen des menschlichen Körpers, meist ungelenk zwar noch und doch von faszinierender Schönheit. Griechen und Römer sollten diese Kunst Jahrtausende später zu höchster Vollendung führen. Zu neuen Höhepunkten kam es in der Renaissance und im Barock. Einen großen Bruch in der Darstellung des Menschenbildes gab es schließlich im 20. Jahrhundert – verformt, verfremdet, bis zur Unkenntlichkeit verzerrt blickten Gesichter von der Leinwand, wanden sich Körper, die kaum mehr als menschlich zu erkennen waren. Was einst als schön galt, wurde nun nur noch belächelt und gar verachtungsvoll angesehen als ewiggestrig. Künstler – oder solche, die sich dafür hielten – schufen ihre Werke nur noch für eine Elite, die glaubte, solche "Werke" gut finden zu müssen. Otto Normalverbraucher und Lieschen Müller aber verstanden die Welt, verstanden die Kunst nicht mehr. Gewiß, diese Welt war nach den beiden großen Kriegen aus den Fugen geraten, und mit ihr die Menschen und die Kunst. Warum aber konnte neben der einen Kunstauffassung nicht auch die andere bestehen? Schließlich sehnen sich die Menschen zu allen Zeiten nach der Schönheit der Form, das zeigen nicht zuletzt auch die hohen Besucherzahlen großer Ausstellungen mit Werken alter Meister.

Arno Breker, der in seinem Werk den "Dreiklang der Schönheit von Körper, Geist und Seele" darstellen wollte und den der amerikanische Bildhauer Alexander Calder (wahrlich kein Verfechter der gegenständlichen Kunst) den "bedeutendsten Bildhauer der Klassischen Tradition unserer Zeit" nannte, hat einmal über seine Absicht in der Kunst bekannt: "Die Sehnsucht nach einem humanen Menschenbild ist tief in den Herzen der Menschen verwurzelt. Auch mein Werk ist eine Mitteilung dieser Sehnsucht. So arbeite ich mit dem Ziel, der Würde des Menschen in der Kunst sichtbaren Ausdruck, selbstverständliche Daseinsberechtigung zu verleihen."

Zehn Jahre nach Brekers Tod ist nun im Verlag Marco (Händelstraße 12, 53115 Bonn) ein repräsentativer Band mit Zeichnungen des Bildhauers erschienen (Hrsg. Uwe Möller unter Mitarbeit der Kunsthistorikerin Dr. Carola Breker. Leinen, 75 DM). Zu sehen sind keine sogenannten Bildhauerzeichnungen, also Entwürfe für Skulpturen oder Plastiken Brekers, sondern vielmehr eigenständige Aquarelle, Rötel- und Tuschezeichnungen sowie Arbeiten mit Bleistift und Graphit, die eine wahre Meisterschaft erkennen lassen. Auch hier ist wieder der menschliche Körper dargestellt, in Ruhe oder in Bewegung, Kraft und Anmut gleichermaßen zeigend. Im Wechselspiel von Licht und Schatten gelingt es Arno Breker, "das geschaute Wunder göttlicher Kreativität in Ehrfurcht immer wieder neu zu bilden". – Plastiken und Graphik von Arno Breker können zur Zeit auch in der Galerie für Gegenständliche Kunst in Kirchheim/Teck, Max-Eyth-Straße 42, Telefon 0 70 21/ 7 66 46, betrachtet werden (nach Rücksprache).

Arno Breker: Weiblicher Akt, liegend (Tusche, Aquarell, Rohr-feder, Bleistift, 1985)

Foto: Marco Bodenstein, © Breker bei VG-Marco, Bonn

 
     
     
 
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