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Was der König der Köche vom Sauerkraut hält

 
     
 
Man nennt ihn den König der Köche, und wahrhaft "königlich" durfte ich ihn erleben. Bei der telephonischen Reservierung fragte ich, ob mein - selbstverständlich gut erzogener - Hund mit ins Restaurant dürfe. Gegenfrage: "Quel chien?" - "Ein Dalmatiner." - Die Antwort des Königs der Köche: "Ah, le chien des rois - naturellement bienvenue" (der Hund der Könige - natürlich willkommen).

So richtig königlich mochte mein "Hund der Könige" sich beim König der Köche denn doch nicht benehmen: Entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten blieb er nicht brav zusammengerollt unter meinem Stuhl liegen, machte er sich im Durchgang zwischen den Tischen der "Auberge du Pont de Collonges" breit. M. Bocuse reagierte souverän: "Le chien reste là!" Das Personal solle eben aufpassen und drübersteigen. Szenen wie im "Dinner for one" blieben uns aber an diesem Abend erspart.

Souverän erlebte ich den Meisterkoch auch beim Interview, zu dem ich mich mit Paul Bocuse
in seiner Super-Küche traf. Was er denn vom Sauerkraut halte, und überhaupt von der deutschen Küche, will ich von ihm wissen. Überraschend viel hält er davon: Zwar sei die französische Küche international viel renommierter, die deutsche Küche aber sei viel besser als ihr nicht ganz so guter Ruf. Eine damals noch ziemlich gewagte These, die aber eine stattliche Zahl von Michelin-Sternen in deutschen Landen inzwischen eindrucksvoll bestätigt hat.

Hart ins Gericht ging Bocuse mit einem Teil seiner deutschen Kollegen, die den ihm zugeschriebenen Begriff "Nouvelle cuisine" allzu eigenwillig interpretierten: Wer die Teller immer größer, die Portionen immer kleiner und die Preise immer höher mache, habe damit noch keine neue Kochkunst kreiiert. Er selber hat übrigens nie von "Nouvelle Cuisine" gesprochen oder geschrieben, sondern von "Cuisine du marché". Was besagt, daß die Kochkunst mit dem Einkaufen beginnt: Man soll kochen, was der Markt an frischen, qualitätvollen, in die Landschaft und in die Jahreszeit passenden Produkten anbietet.

Daß er dermaleinst der Lehrmeister einer ganzen Köchegeneration werden könnte, war Paul Bocuse schon in die Wiege gelegt, als er vor 80 Jahren, am 11. Februar 1926, zur Welt kam. Er wurde in eine Familie geboren, in der das Handwerk des Cuisiniers schon seit dem 17. Jahrhundert von Generation zu Generation weitergegeben wurde, übrigens die ganze Zeit lang immer im selben Ort, in Collonges au Mont d Or an der Saône, nördlich von Lyon. Hier grenzt in nordöstlicher Richtung die Bresse an, jene legendäre Landschaft, in der nicht nur die berühmtesten (und teuersten) Hühner der Welt aufwachsen, sondern so ziemlich alles in erlesener Güte und Vielfalt wächst und gedeiht, was Frankreichs Gourmet-Tempel so auf den Tisch zu bringen pflegen.

Der junge Paul startete seine kulinarische Grundausbildung bei Claude Maret im nahen Lyon. Das war mitten im Krieg, und so lernte er schon damals, welche besondere Bedeutung für einen Küchenchef der Markt hat - es handelte sich damals freilich um den Schwarzmarkt.

Jedenfalls war er ein gelehriger Schüler. Er eignete sich alles an Wissen an, was auch nur im Entferntesten mit Essen und Trinken zu tun hat, holte sich den letzten Schliff beim legendären Fernand Point in Vienne, holte als 35jährigen seinen ersten Michelinstern und ließ bereits vier Jahre später, 1965, die höchste Auszeichnung, die man mit dem Kochlöffel erobern kann, den dritten Michelinstern, über der "Auberge du Pont de Collonges" erstrahlen.

Von nun an ging s bergauf, sofern das überhaupt noch möglich war. Kein geringerer als der französische Staatspräsident höchstpersönlich machte es möglich: Er verlieh Paul Bocuse das Kreuz der Ehrenlegion und gab ihm zu Ehren am 25. Februar 1975 im Elysee-Palast ein "kleines" Essen. Der frischgebackene Chevalier hatte einige berühmte Freunde nicht nur zu Tisch, sondern auch an den Herd geladen. Pierre und Jean Troisgros steuerten Lachs-Schnitzel bei, Michel Guérard eine Ente, Roger Vergé kleine Salate. Den Rest besorgte der Meister selbst. Den Schlußpunkt setzte er mit Desserts, die er schon vorher hatte zubereiten können, so daß er sein Festessen ungestört genießen konnte. Zum Auftakt aber hatte er seinen Weltruf weiter gefestigt: Seine "Soupe aux truffes noires", eine kunstvoll mit einem Blätterteich-Häubchen gekrönte Trüffelsuppe, wurde an diesem denkwürdigen Abend erstmals serviert. Seither ist ein Essen bei Bocuse ohne diese Köstlichkeit eine "halbe Sache".

Natürlich hatte Präsident Giscard d Estaing dafür gesorgt, daß zum Festschmaus auch standesgemäß getrunken wurde. Unter anderem gab es Château Margaux und Champagne Roederer, jeweils aus des Jubilars Geburtsjahr 1926, zum Schluß dann einen Bas-Armagnac von 1893. Bis heute "bedankt" Bocuse sich für so viel Ehre, indem er Abend für Abend, bevor er an seinen Arbeitsplatz geht, das Kreuz der "Légion d Honneur" anlegt.

In Deutschland waren die erfolgreichsten Schüler des "Königs der Köche" zwei Österreicher: Heinz Winkler, dessen Dreisternerestaurant "Residenz" im oberbayerischen Aschau sowohl optisch als auch kulinarisch an das Bocuse-Stammhaus in Collonges au Mont d Or erinnert, und Eckhard Witzigmann, 1979 mit dem Münchner "Aubergine" erster deutschsprachiger Dreisternekoch und inzwischen zum "Koch des Jahrhunderts" ernannt - wie zuvor schon sein Lehrmeister Paul Bocuse.

"Königliche" Kost-Probe: Aus festlichem Anlaß (Erntedankfest) hat Paul Bocuse für Gäste aus Übersee eine Kürbissuppe kreiert, die er höchstpersönlich abschmeckt.
 
     
     
 
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