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Wenn Riesen fehlen

 
     
 
Der Erfolg hat bekanntlich viele Väter, der Mißerfolg ist ein Waisenkind. Dieses treffliche Wort ist zeitlos, selbst wenn auch der Mißerfolg in Wirklichkeit viele Väter hat. Daß die mit sich selbst sehr einverstandenen Neunmalklugen regelmäßig die Welt zum Jammertal erklären, bietet an sich keine Überraschung. Sollte man aber mit der oftmals verwöhnten heutigen Generation in das alte Leierstück von den Unzulänglichkeiten unseres Daseins einstimmen? Auf diese Rolle des ewig schlecht gelaunten Miesepeters kann man gut verzichten und dennoch mit wachsender Besorgnis sehen, wie sehr sich in diesem Land die Dinge zum Schlechten wenden. Es klingt paradox
und ist doch leider wahr; seit Anfänger, Laienschauspieler, einstige Straßenkämpfer und erprobte Führungskader des Kommunistischen Bundes Westdeutschland an die Macht gekommen sind, haben Pannen und Mißerfolge eine neue Qualität erklommen. Die Anforderungen ans Amt und neue Entwicklungen sind so manchem politischen Führer über den Kopf gewachsen. Liegt es nur an der Unzulänglichkeit der Menschen? Oder geben die Zeit und die Gesellschaft Rätsel auf, die trotz medialer Unterstützung tatsächlich nur amateurhaft beziehungsweise gar nicht im Sinne des Ganzen zu lösen sind?

Selbst ständig gut gelaunte Politiker, die gern so tun, als hätten sie alles im Griff oder die mit taktischen Finessen der Volksverdummung Vorschub leisten, mag im stillen Kämmerlein jenes Gefühl der Ohnmacht beschleichen, das keinem denkenden Menschen fremd sein kann, angesichts der verschwommenen, komplizierten und kontroversen Kräfte, die unsere politischen Verhältnisse sowohl national als auch international bestimmen. Ausschließlich mit Pokerface, großzügigem Schuldenerlaß, selbstauferlegtem Kriechgang und immer neuen Versprechungen die eigene Unsicherheit zu überspielen, löst keines der drängenden Probleme. Der Psychologe Oliver Brachfeld hat bereits vor Jahrzehnten dieses Phänomen treffend beschrieben, indem er von einem "tragikkomischen Auftreten von Zwergen in einem für Riesen geschriebenen Stück" sprach. Kann man sich bei derartigen Gegebenheiten über den rasch wachsenden Autoritätsverlust selbsternannter Führungseliten wundern?

Das Regieren ist unstrittig insgesamt schwerer geworden. Das gierige Drängen nach einer immer größer werdenden EU, nach immer weniger übersichtlichen Mammutkonzernen ist den mündigen Staatsbürgern allerdings nur schwer begreiflich zu machen. Bei dem vom Zeitgeist angetriebenen Zug zur Größe ist der Schritt bis zum Größenwahn nicht mehr weit. Seit Jahrzehnten leben wir dank der Unverantwortlichkeit der politischen Mandatsträger und der Gier breiter Massen über unsere Verhältnisse. Die Verschuldung ist erschreckend und läßt für die Zukunft Schlimmstes befürchten. Der alte Grundsatz, mit dem mühsam erwirtschafteten Geld seiner Bürger verantwortlich und sparsam umzugehen, scheint nicht mehr zu gelten. Mit Umverteilung statt Produktion, mit Gleichmacherei statt Förderung der Leistungsstarken, mit Beglückungstaumel statt leistungsförderndem Wettbewerb, mit immer mehr Staatssozialismus statt Dynamik und freier Entfaltung des einzelnen sind weder die hohen Arbeitskosten noch die Arbeitslosigkeit abzubauen. Weil in den Parlamenten Staatsbedienstete, Lobbyisten aller Couleur und ungezählte Funktionäre der Gewerkschaften eindeutig die Mehrheit bilden, der freie Repräsentant mit beruflicher Praxis nur eine beklagenswerte Minderheit darstellt, ist das fortwährende Beschönigen und Vernebeln bei den Regierenden statt einer offenen Situationsbeschreibung zum Ernst der Lage einschließlich der notwendigen Maßnahmen zur Abschwächung der Mißstände kaum zu erwarten.

Auch wenn es objektiv gesehen heute schwer ist, ein demokratisches Staatswesen zu leiten, darf nicht übersehen werden, daß die Regierungen selbst sich zusätzliche, die Führung lähmende Fesseln, Bindungen, Abhängigkeiten auferlegt haben - vom imperativen Mandat der Parteien bis hin zu den Gewerkschaften und anderen "zentralen" Räten, die sich als selbsternannte Mitregenten gebärden. Zudem verteilt man nach wie vor sowohl im In- als auch im Ausland unentwegt Wohltaten aus dem für unerschöpflich gehaltenen Füllhorn. Vorsichtige Warnungen in der Art, daß die Erfüllung selbst abstruser Begehrlichkeiten immer neue Wünsche freisetze, wurden jahrzehntelang großmütig in den Wind geschlagen.

Daß es heute wahrer Riesenkräfte bedarf, um wenigstens das Allernötigste zurückzuschneiden, erfährt der Bundesbürger fast täglich. Die unverantwortlichen Drohgebärden bestimmter Gewerkschaftsführer und der ihnen willfährig zugeordneten Massen lassen erahnen, daß Gemeinwohl, Machbarkeit und Finanzierbarkeit für sie nicht gelten. Die Abwanderung vieler Betriebe ins Ausland ist schlimm und bedauernswert, aber bei der hier gezeigten Engstirnigkeit der Funktionäre und hausgemachten Unbeweglichkeit schon fast wieder verständlich. Wo sind die Staatsmänner, die mit schonungsloser Offenheit und eiserner Entschlossenheit den Karren in diesem Land aus dem Dreck ziehen? Für immer neue Forderungen gibt es derzeitig nichts mehr zu verteilen. Um die schwere Aufgabe zu meistern, bedarf es allerdings der Riesen.

 
     
     
 
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