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Wer tötete Lars Petroll?

 
     
 
Am 11. September 2001 ging auch in Deutschland die Angst um. Am Flughafen Berlin-Tegel leerten Sicherheitskräfte alle Schließfächer. Die Gegenstände wurden den vermutlichen Besitzern zugeführt, nachdem der Bombenverdacht ausgeräumt war.

Unter anderem fanden die Ermittler eine Sporttasche mit Firmenunterlagen. Diese ließen sie einem Unternehmen namens Aubis zukommen - und lösten damit womöglich eine Katastrophe aus. Auf diese Weise verlor Lars Oliver
Petroll vermutlich seine "Lebensversicherung". Keine drei Wochen später wurde er im September 2001 im Grunewald tot aufgefunden.

Lars Oliver Petroll war Computerspezialist und EDV-Chef bei Aubis. Aubis - das war die Immobilientochter der Bank Berlin-Hyp. Die wiederum gehört zur Bankgesellschaft Berlin. Die Bankgesellschaft steht bekanntlich für den größten Bankenskandal in der Geschichte der Bundesrepublik.

Chef von Berlin-Hyp war Klaus Rüdiger Landowsky, der damalige CDU-Fraktionsvorsitzende. Er erhielt in den 90ern eine Bargeldspende in Höhe von 40.000 Mark von den Aubis-Managern Klaus Wienhold und Christian Neuling für die CDU.

Genehmigte die Berlin-Hyp als Gegenleistung für die Barspende kurz darauf ihrer Tochter einen 300-Millionen-Euro-Kredit? Spekulationen darüber sollten jedenfalls später zum Rücktritt Landowskys führen. Aubis konnte sich jedenfalls, mit so viel Liquidität ausgestattet, der lukrativ scheinenden Sanierung von Plattenbauten widmen. Doch die Geschäfte gingen schlecht. Inzwischen ist die Firma pleite, und die Millionen sind weg.

Wußte Lars Oliver Petroll etwas, was ihn gefährlich machte? Ob zu seinem eigenen Schutz oder zur persönlichen Bereicherung hat er jedenfalls Beweise über den verdächtigen Finanztransfer gesichert. Durch den eingangs geschilderten Zufall kamen ihm diese jedoch abhanden. Außerdem gab es einen Aktenvermerk, der Petroll in Schwierigkeiten bringen sollte. Und der entstand so: Petroll dachte vermutlich untertauchen zu müssen. Um das notwendige Kleingeld dafür zusammenzubekommen, wandte er sich an die Berlin-Hyp, die inzwischen einen neuen Vorstand hatte. Er bot ihnen Beweise für undurchsichtige Machenschaften der Tochterfirma an. Die Bank verständigte die Staatsanwaltschaft. Dort wurde der besagte Aktenvermerk erstellt. Dann beantragte die Aubis Einsicht in die Unterlagen. So hätten seine mutmaßlichen Mörder Wind davon bekommen haben können, daß sich Petroll aus dem Staub machen wollte.

Der Mann war aber bereits untergetaucht. Er habe sich in Hamburg in einer Pension versteckt gehalten, heißt es von informierter Seite. Hamburg also. Erhängt aufgefunden wurde der Unglückliche jedoch in Berlin. Warum jemand 300 Kilometer nach Berlin fährt, von wo er angeblich geflohen ist, um sich dort einen Strick um den Hals zu legen, blieb unergründlich.

Aufmerksam gewordene Beobachter werfen Polizei und Staatsanwaltschaft inzwischen schlampige Ermittlungen vor. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Toten vergaßen die Ermittler Disketten und das Handy des Toten. Letzteres fiel in die Hände eines Journalisten. Der entdeckte eine mysteriöse letzte Kurznachricht, die Petroll offenbar kurz vor seinem ungeklärten Tod erhalten hat: "Warum sollte dich einer killen?"

Die staatsanwaltlichen Ermittlungen wurden trotz des Verdachts auf Fremdeinwirkung eingestellt. Selbstmord sei es gewesen, basta. Dem Berliner Abgeordnetenhaus kam dieses Verdikt vielleicht spanisch vor. Dort ermittelt nach wie vor ein Untersuchungsausschuß in Sachen Bankenskandal.

Vorvergangenen Freitag waren sechs Personen ins Abgeordnetenhaus der Hauptstadt geladen. Es wurde nichtöffentlich verhandelt. Eine Berliner Zeitung will jedoch erfahren haben, daß fünf Zeugen erschienen sind - aus Petrolls persönlichem Umfeld. Angeblich lebt einer der ominösen Befragten selbst im Untergrund, weil er Angst vor einem Anschlag habe. Nur vier hätten ausgesagt, einer von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, heißt es. Womit wohl hätte sich der unbekannte Zeuge selbst belasten können?

Der Ausschußvorsitzende Frank Zimmermann erklärte nach der brisanten Sitzung vieldeutig: "Wir haben unsere Skepsis hinsichtlich des angeblichen Freitodes des Lars Oliver Petroll bestätigt bekommen." Ob die Justiz zu neuerlichen Ermittlungen gezwungen werden kann, ist fraglich. Berlins Justizsenatorin hat nach abermaligem Überprüfen der Akten ein neues Ermittlungsverfahren abgelehnt.

Wenige private Anleger wurden reich, das Risiko trägt der Steuerzahler - ein umstrittenes Finanzierungsmodell der Berliner Bankgesellschaft machte es möglich. Um deren Geschäftspraktiken im Immobiliensektor ranken sich Prozesse, Gerüchte und dunkle Ahnungen:

Sanierung von Plattenbauten in Berlin- Hellersdorf
 
     
     
 
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