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Wie Nikolaus zum Weihnachtsmann wurde

 
     
 
Die Geschichte des Weihnachtsmannes reicht bis ins Altertum zurück. Im 4. Jahrhundert amtierte in Myrra an der heute türkischen Mittelmeerküste der Heilige Nikolaus als Bischof. Nikolaus war ein Menschenfreund, vor allem Kindern galt seine Liebe und Fürsorge. So soll er einem armen Familienvater Geld gegeben haben, um ihn davon abzubringen, seine Töchter zur Prostitution zu zwingen und häufig soll er bei mittellosen Familien Geschenke für die Kinder durch das Fenster geworfen haben.

Am 6. Dezember 343 stirbt Nikolaus und so wird dieser Tag des Jahres zum Nikolaustag. Entsprechend seiner Kinderliebe werden an diesem Tag die Kinder beschenkt. Allerdings gibt es ein erzieherisches Element, denn nur die Artigen unter den Kleinen erhalten Präsente. Bereits 200 Jahre nach seinem Tod wird der Kinderfreund aus Myrra in der griechisch und auch der russisch orthodoxen Kirche einer der beliebtesten Volksheiligen. Doch auch im weströmischen Kulturkreis
wird der Heilige populär. Im 10. Jahrhundert breitet sich seine Verehrung über Italien bis nach Deutschland aus. In der Nacht vor seinem Ehrentag füllt er dem von braven Kindern vor die Tür gestellten Stiefel oder Strumpf. Er trägt dabei entsprechend seinem Amte als Bischof einen roten Mantel, eine Mitra und einen Bischofsstab. Popularität kostet den Nikolaus die Reformation.

Martin Luther bemängelt an der katholischen Kirche nicht zuletzt eine fehlende direkte Verbindung zwischen dem einzelnen Gläubigen und Gott. Er lehnt deshalb die Heiligenverehrung ab und damit auch die Verehrung des Heiligen Nikolaus. Da der Reformator den Kindern den Nikolaus nicht einfach streichen konnte, erhielten sie als Alternative den heiligen Christ, aus dem sich das Christkind entwickelte. Der Tag der Kinderbescherung wurde im Zuge dessen vom Todestag Nikolaus auf den Tag der Geburt des Heilands verschoben.

Doch nicht nur die lutherische, sondern auch die katholische Kirche trug zur Deutungseinbuße des Nikolaus und des Nikolaustages bei. Dort sah man die Gefahr, daß im Angesicht der Geschenke die Priorität des Heilands vor dem Heiligen in den Augen des Kindes in Vergessenheit geriete. Aus diesem Grunde traten auch im katholischen Kulturkreis die Geschenke des Nikolaus am Nikolaustag in den Hintergrund gegenüber der Bescherung durch das Christkind am Tage von Christi Geburt. Da Jesus Christus männlich war und es sich beim Christkind um den jungen Christus handelt, war das Christkind logischerweise anfänglich ein Junge. Im Zuge der Säkularisation geriet die Verbindung zwischen Christus und Christkind jedoch in Vergessenheit. Da die das Christkind auszeichnenden sozialen Kompetenzen jedoch eher als weiblich denn männlich galten, wird im 19. Jahrhundert aus dem Jungen ein Mädchen, aus dem männlichen ein weibliches Christkind. Wird das Christkind älter, nähert es sich dem Erwachsenenalter, wird es zum Weihnachtsengel. Noch mehr als der Nikolaus konzentriert sich das Christkind zusehends auf das Belohnen artiger Kinder.

Zum tradierten Bild von Erziehung gehört jedoch neben dem Belohnen des Guten auch das Bestrafen des Bösen, neben dem Zuckerbrot auch die Peitsche. Diese Aufgabe übernimmt Knecht Ruprecht, der an die Seite von Nikolaus wie Christkind tritt und diese ergänzt. Er schlägt die bösen Kinder mit der mitgeführten Rute und die ganz bösen Kinder steckt er in seinen Sack und nimmt sie mit.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts tritt Knecht Ruprecht zusätzlich die Nachfolge des Nikolaus bzw. des Christkindes an. Aus dem strafenden wird der ambivalente Knecht Ruprecht, der Weihnachtsmann. Dieser selbst beschreibt die Entwicklung in Kurt Friedrichs 1935 in Leipzig und Hamburg erschienenen Buch "Es weihnachtet sehr" sehr anschaulich und nachvollziehbar.

Und die Imageverbesserung geht weiter. Im Zuge der Humanisierung der Erziehung tritt seine neue Aufgabe der Belohnung mit Geschenken zusehends gegenüber seiner althergebrachten der Bestrafung in den Vordergrund. Die Rute verkümmert und hängt ungenutzt am Gürtel herum und im Sack werden keine Kinder mehr mitgenommen, sondern Geschenke mitgebracht.

In der Entwicklung, welche Produktion und Distribution dieser Geschenke durchlaufen, spiegelt sich der Trend der modernen Industriegesellschaft zu Arbeitsteilung, Spezialisierung und Massenproduktion. Hatte der Weihnachtsmann die Präsente, die er verteilt, anfänglich noch selber hergestellt, so konzentriert er sich später auf die Verteilung. Entweder läßt er sich die Geschenke von Wichteln und Elfen aus seiner Heimat, dem Wald, zuarbeiten oder er bezieht sie aus dem Himmel vom Christkind, das dort über eine Heerschar fleißiger Englein verfügt. Dadurch kann der Weihnachtsmann sich nun ganz auf die Verteilung, wo seine Kernkompetenz liegt, konzentrieren und diese im großen Stil professionalisieren.

Anfänglich war Knecht Ruprecht zu Fuß unterwegs, wie es für einen Knecht standesgemäß ist. Später nutzte er schon Esel oder Pferd. Im Zuge der seit den beiden Weltkriegen erfolgten Amerikanisierung Europas im allgemeinen und Deutschlands im besonderen bedient sich der Weihnachtsmann inzwischen auch gerne des Fahrzeuges seines US-amerikanischen Pendants Santa Claus. Da Santa Claus im Gegensatz zum Weihnachtsmann, der wie ein Mensch die Tür benutzt, von oben durch den Kamin in die Weihnachtsstuben gelangt, bieten sich für ihn Luftfahrzeuge an. Dank des 1823 anonym veröffentlichten Gedichts "The Night before Christmas" wissen wir, daß er mit einem von den acht Rentieren Dasher, Dancer, Prancer, Vixen, Comet, Cupped, Donner und Blitzen gezogenen, fliegenden Schlitten die Geschenke austrägt. Irgendwann in den darauffolgenden 116 Jahren muß zu den acht dann noch Rudolph gestoßen sein, von dessen Existenz wir durch ein Gedicht von Robert L. Mays aus dem Jahre 1939 wissen, das die Vorlage für Johnny Marxs Weihnachtslied "Rudolph the Rednosed Reindeer" lieferte. Ebenso wie die Herstellung und Verteilung der Geschenke macht auch das äußere Erscheinungsbild des Weihnachtsmanns, beziehungsweise Knechtes Ruprecht über die Jahrzehnte eine Entwicklung durch.

Aus dem Wilden aus dem Wald wird eine liebenswürdige Vaterfigur. Wie das Antlitz wird auch die Kleidung über die Jahrzehnte zivilisierter. Einem Naturburschen aus dem Wald entsprechend war der Mantel anfänglich erden naturfarben. Bis zum 20. Jahrhundert wird das Kleidungsstück dann immer farbenfroher. Mal ist es rot, mal blau, mal cremefarben oder weiß wie bei Väterchen Frost. Ein anderes Mal ist es wie bei Santa Claus im Sternenhimmel-Look, was der Tarnung gegenüber Menschen dienen soll. Im 20. Jahrhundert hat sich dann eindeutig das rote Tuch mit weißem Besatz durchgesetzt. Immer wieder ist die Theorie zu hören, daß diese Kombination auf die Farben von Coca-Cola zurückzuführen sei. Doch hätte es nicht etwas Deprimierendes, wenn das Erscheinungsbild einer so hehren Figur wie des Weihnachtsmannes auf etwas derart Profanes wie das Warenzeichen eines Multis zurückzuführen wäre? Ist es da nicht viel schöner, jener anderen Theorie Glauben zu schenken, daß der rote Grundton ein Rückgriff auf die Mantelfarbe des Heiligen Nikolaus sei und sich damit der Kreis nach Generationen endlich schließe?
 
     
     
 
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