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Wurde die Estonia versenkt?

 
     
 
Carl Övberg lag in seiner Koje und fand in dieser stürmischen Nacht keinen Schlaf. Da hörte er "einen mächtigen lauten Knall, gefolgt von einer starken Erschütterung". Schnell bekleidete er sich, stürzte nach draußen und bemerkte, wie die "Estonia" Schlagseite erhielt. Nach etwa einer Stunde lag das Fährschiff nahe Rügen auf dem Grund der Ostsee. "Wir sackten ab, wie die Zeiger einer Uhr weiterspringen", schilderten Passagiere den Untergang des riesigen Schiffes.

In der Nacht vom 27./28. September 1994 geschah eine der größten maritimen Tragödien aller Zeiten. Rund 850 Menschen verloren dabei ihr Leben; nur 145 Personen konnten gerettet werden. Eine "International
e Havariekommission" (JAIC), die den Fall untersuchte, kam zu dem Ergebnis, daß die Autorampe des Schiffes abgefallen sei. Die Kommission führte das Unglück auf defekte Bugverschlüsse und eine zu hohe Geschwindigkeit der "Estonia" zurück. So lautet bis heute die amtliche Verlautbarung.

Die Berliner Journalistin Jutta Rabe untersucht seit acht Jahren das Ende der "Estonia" und hat bereits bei "Spiegel-TV" mehrfach darüber berichtet. Sie glaubt nicht, daß die JAIC die wahren Ursachen der Ka- tastrophe erkannt hat.

Gebaut wurde die "Estonia" 1980 von der deutschen Meyer-Werft. Obwohl sie nur für die Küstenfahrt bestimmt und geeignet war, fuhr sie ab 1993 im Fährdienst zwischen Tallin (Riga) und Stockholm. Das Fahrgastschiff unterstand einem estnisch-schwedischen Jointventure. Es galt als nicht seetauglich und wurde schlecht gewartet. Tatsächlich verlor die "Estonia" in der Sturmnacht des 28. September ihr Bugvisier. Dennoch hätte die "Estonia" allein aus diesem Grund unmöglich so schnell sinken können. Gab es weitere Beschädigungen? Passagiere erzählten, daß Wasser aus Lüftungsrohren in das Schiffsinnere strömte. Es seien auch mehrere explosionsartige Geräusche zu hören gewesen. Dies alles legt den Schluß nahe, daß die "Estonia" mittels Sprengladungen, die an Bug und Schiffsbauch detoniert seien, versenkt wurde. Offenbar gelang es Jutta Rabe, diese Hypothese zu beweisen. Vor gut zwei Jahren ließ sie Metallteile vom Wrack der "Estonia" bergen. Sachverständige stellten Schäden fest, wie sie nur bei Explosionen auftreten!

Wer könnte das Schiff versenkt haben - und vor allem warum? Höchst sonderbar erscheint das spurlose Verschwinden mehrerer Passagiere und des zweiten Kapitäns, obwohl sie bereits gerettet waren. Nach manchen dieser Personen fahndet Interpol noch heute. Geheimdienst-Agenten und schwedische Behörden versuchten immer wieder, die Recherchen der Journalistin zu stören.

Fest steht, daß die "Estonia" regelmäßig Drogen schmuggelte. Spielten Schutzgelderpressungen eine Rolle? Der Schlüssel zum Verständnis der Katastrophe liegt, glaubt man der Autorin, woanders. Am Tag ihrer letzten Fahrt sah man zwei merkwürdige LKWs an Bord des Schiffes, bewacht von amerikanischen Soldaten. Möglicherweise transportierten die Laster militärisches High-Tech-Material russisch-amerikanischer Jointventure-Firmen, das legal in die USA gebracht werden sollte. Der russische Geheimdienst wollte eben diesen Transport verhindern und zugleich Estland einschüchtern, um die estnische Regierung davon abzubringen, der Nato beizutreten.

Hat also der Untergang der "Estonia" politische Hintergründe? Sind westliche Staaten nicht daran interessiert, diesen Vorfall aufzuklären, weil sie das Verhältnis zu Rußland nicht belasten möchten? Viele Fragen harren einer Antwort. In jedem Fall ist dieses Buch, das verfilmt wird, spannend zu lesen. Rolf Helfert

Jutta Rabe: "Die Estonia. Tragödie eines Schiffsuntergangs", Delius Klasing, Bielfeld 2002, 240 Seiten, 22,90 Euro
 
     
     
 
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